Das städtische Theater, das Kurpfälzische Museum, die Musik- und Singschule sowie die Stadtbücherei sollen künftig einem anderen Bürgermeister zugeordnet sein als das Kulturamt. Fotos (3): Hentschel/Archiv-Foto: Kresin
Von Timo Teufert
Heidelberg. Die Zerschlagung des Kulturdezernats lässt Kulturschaffende bundesweit aufhorchen. Marc Grandmontagne, Geschäftsführender Direktor und Vorstand des Deutschen Bühnenvereins, erklärt im Interview, warum der für in einem Jahr geplante Wechsel des Kulturamts vom bisherigen Dezernat von Joachim Gerner zu Wolfgang Erichson dringend rückgängig gemacht werden sollte. Der Deutsche Bühnenverein versteht sich als Zusammenschluss, der Kunst und Kultur als unverzichtbaren Bestandteil städtischen Lebens fördern will.
Marc Grandmontagne. Foto: privat
Herr Grandmontagne, in Heidelberg soll das Kulturamt vom Kulturdezernat getrennt werden. Was halten Sie davon?
Das ist völlig absurd - ein Schildbürgerstreich. Natürlich müssen das Kulturamt und die Kultureinrichtungen beim Kulturbürgermeister angesiedelt sein. Alles andere wäre zum Schaden der Kultur in der Stadt und muss dringend geändert werden.
Warum?
Der Kulturdezernent und die Verwaltung müssen doch die Beschlüsse der Politik umsetzen. Dafür braucht er den direkten Draht in die Kultur. Und die Kultur braucht einen Ansprechpartner, um die Rückmeldungen aus der Szene, den Häusern und der Stadtgesellschaft zu bündeln und zurückzuspielen in die Politik. Das ist auch Aufgabe des Kulturdezernenten. Der kann doch seiner eigenen Aufgabe nicht gerecht werden, wenn er keine Weisungsbefugnis ins Kulturamt hat.
Offenbar war die Trennung in Heidelberg eine Forderung der Grünen.
Es kann nicht sein, dass eine machtpolitische Frage bei diesem Thema den Ausschlag gegeben hat und nicht das, was für die Stadt am sinnvollsten ist. Das ist ein Verhandlungsunfall, der schnellstmöglich rückgängig gemacht werden muss. Ansonsten können wir gerne das öffentliche Experiment betrachten, wie ein Kulturamt funktioniert, dass nicht beim Kulturbürgermeister angesiedelt ist.
Zunächst sollte es ja auch keinen Kulturbürgermeister mehr geben. Was haben Sie bei dieser Meldung gedacht?
Ich habe mich zuerst gefragt, ob da kommunalpolitisch etwas ganz Neues passiert. Es wurde ja dann schnell klar, dass das nicht ganz beabsichtigt war, aber die Zerschlagung ist und bleibt eine Katastrophe. Wir streiten als Verband für eine Stärkung der Kulturpolitik, weil es enorm wichtig ist, dass die Politik diesen Bereich stärker wahrnimmt. Es gibt hohe Erwartungen an Kultureinrichtungen, an Theater, an Museen und Musikschulen. Aber dafür brauchen wir auch einen Resonanzraum in der Politik. Und nun wird in Heidelberg der Anschein erweckt: So wirklich wichtig ist uns das hier alles nicht. Das ist sehr frustrierend.
Sind Ihnen denn ähnliche Fälle bekannt?
Von einer Zerschlagung des Kulturdezernats habe ich bisher noch nicht gehört. Der einzige Parallelfall ist die Streichung des Wortes "Kultur" bei der EU-Kommission. Da gibt es auch keinen Bildungs- und Kulturkommissar mehr. Auf lokaler Ebene ist diese Entwicklung katastrophal, weil die Kultur eine der Kernkompetenzen auf kommunaler Ebene ist.
Stattdessen soll das Kulturamt mit der Kreativwirtschaft fusioniert werden. Ist das sinnvoll?
Um das abschließend zu bewerten, weiß ich zu wenig darüber. Aber ich warne davor, all jenes, was an Kunst in den Einrichtungen produziert wird, ausschließlich durch die wirtschaftliche Brille zu betrachten. Die Kreativwirtschaft ist ein innovativer Wirtschaftszweig. Vorrangige Aufgabe der Theater und der Orchester vor Ort ist es aber, Kunst zu produzieren.
Was sollte Heidelberg jetzt tun?
Die Entscheidung sollte schnellstmöglich rückgängig gemacht werden. Das Kulturamt und die großen kulturellen Einrichtungen der Stadt sollten wieder dem Kulturbürgermeister zugeschlagen werden. Die Beteiligten sollten zudem feststellen, dass das, was ausgelöst wurde, nicht ganz beabsichtigt war. Alle müssen an der Diskussion, die jetzt entbrannt ist, den Stellenwert dessen erkennen, was auf dem Spiel steht. Auch die Kombination aus Bildung und Kultur ist sinnvoll. Denn die Kultureinrichtungen nehmen ja auch einen Bildungsauftrag wahr. Das muss in einer Hand verbleiben.