Die SPD hatte zu der Kundgebung eingeladen, an der aber auch Vertreter anderer Parteien und Weißrussen teilnahmen – diszipliniert mit Mundschutz. Foto: Philipp Rothe
Von Marie Böhm
Heidelberg. In Weiß und Rot zeigten sich am Samstag mehr als 100 Frauen und Männer auf dem Heidelberger Universitätsplatz solidarisch mit den Menschen, die in Belarus gegen den diktatorischen Präsidenten Alexander Lukaschenko auf die Straße gehen. Die SPD hatte zu der Demonstration aufgerufen, an der auch Vertreter anderer Parteien und Weißrussen, die in der hiesigen Region leben, teilnahmen.
"Die ganze Bevölkerung ist entsetzt. Es gibt seit 26 Jahren eine Diktatur in Belarus, die jetzt jeden angreift", sagt Olga Baur, die selbst aus der Hauptstadt Minsk stammt: "Wer zur falschen Zeit am falschen Ort ist, wird verhaftet." Der Gewalt könne man kaum entkommen. Einige Demonstranten würden von der Polizei sogar ins Krankenhaus verfolgt und noch im Patientenbett weiter verprügelt, so Baur. Als Mitbegründerin der neuen Gruppe "Heidelberg für Belarus" wandte sie sich am Samstag mit einer Solidaritätserklärung an die demokratischen Kräfte in Belarus.
Weiß-rot-weiß ist die Flagge, die nach der Unabhängigkeit des Landes von der Sowjetunion Nationalflagge war und die jetzt von Teilen der Opposition wieder benutzt wird. Und auch die Heidelberger Demonstranten hatten solche Fahnen und Schilder dabei. Sie zeigten Bilder von Verletzungen, die durch die Polizeigewalt in Weißrussland ausgelöst wurden. "Justice for Belarus" und "Stoppt die Gewalt" standen auf ihren Bannern. Eine Frau hält ein Schild mit einem Strauß Blumen vor einer Flagge. "Es ist ein Zeichen der friedlichen Demonstrationen", erklärt sie. Es bestehe Hoffnung auf Veränderung, aber nur durch ein Ende der Gewalt.
"Hier geht es nicht um Parteipolitik, sondern um den Schutz der Demokratie", betonte der SPD-Landtagskandidat Daniel Al-Kayal: "Als Demokraten und Bürger der EU ist es unsere Pflicht, auch für die Rechte und Freiheit der Menschen in Belarus einzustehen." In Belarus würden die Medien zensiert und teilweise das Internet blockiert. Das geschehe unter anderem mithilfe eines österreichischen Unternehmens. "Die Waffen, mit denen dort Bürger verletzt werden, werden teilweise in Europa hergestellt", so Al-Kayal, der weitere Sanktionen forderte: "Es darf nicht sein, dass die EU es Firmen erlaubt, Profit über den Erhalt der Demokratie zu stellen!"
Neben Polizeibrutalität und Zensur verletzt das Regime in Belarus auch andere Grundrechte. "Bürger sollten alle Rechte, die ihnen zustehen, auch nutzen können", meint Tristan Pressler, ein Mitglied der Jungen Liberalen: "Ich finde es wichtig, dass eine Bevölkerung die Wahl hat, wer an der Macht ist. Und das ist in Belarus eben nicht der Fall. Das Regime verletzt nicht nur das Wahlrecht, sondern auch grundlegende Menschenrechte. Es muss zu Fall gebracht werden."
Die neu beschlossenen Sanktionen gegen das Regime und einzelne Vertreter der Regierung Lukaschenkos seien zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch lange nicht genug. Das findet auch Baur: "Von der deutschen Regierung und der EU erwarten wir handfeste Unterstützung. Beschwichtigungen reichen nicht aus." Baur hat immer noch Angehörige in Minsk: "Meine Familie ist in Gefahr. Ich war die ganze Woche verzweifelt und wie gelähmt. Es ist gut, dass wir jetzt wenigstens etwas tun können, um zu helfen."
Diese Hilfe sei zwar nur indirekt, aber allein das Bewusstsein zu verbreiten würde schon helfen. Das meint jedenfalls Alena Giwojna, die ebenfalls aus Belarus stammt. "Wir sind weit weg, aber wir unterstützen die Proteste. Mit jedem Poster, jeder Flagge, jedem Stück unseres Herzens unterstützen wir sie." Ein Ende der Diktatur würde auch einen ökonomischen Aufschwung bedeuten, ist sie überzeugt. Unter Lukaschenko leide die Wirtschaft des Landes. Viele Menschen seien in Gefahr, ihren Lebensunterhalt zu verlieren.
Ein anderes Risiko entstehe durch die Corona-Krise. "Es gibt keine Maßnahmen, weil Lukaschenko das Problem nicht anerkannt hat. Er hat verkündet, das Land sei sicher und niemand sei krank. Aber das stimmt nicht", erklärt Baur. Niemand wisse genau, wie hoch die Infektionszahlen in Belarus seien. "Informationen wurden nicht weitergegeben und jetzt ist den Leuten das Problem gar nicht so bewusst."