Von Jonas Labrenz
Heidelberg. Wer nur 50 Freunde auf Facebook hat, dem kann man nicht ohne Weiteres vertrauen. So sieht es die mittlerweile fest etablierte Plattform "Airbnb", auf der Privatleute ihre Wohnung für kurze Zeit untervermieten können. Beim Kurznachrichtendienst Twitter können Werbetreibende sogar gezielt die Gruppe der Frauen bewerben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in drei Monaten schwanger werden. Wie die Digitalisierung sich auf den Alltag auswirkt und welche Chancen und Risiken sie bereithält, präsentierten und diskutierten Carine Dengler von der Gruppe "NoName" und Steffen Haschler vom "Chaos Computer Club" kürzlich in der Stadtbücherei.
Die Auftaktveranstaltung der Reihe "Digitalität@Heidelberg - Mit Hackern den Cyberspace entdecken", an der auch die Stadt beteiligt ist, stand unter dem Titel "Digital first. Bedenken second?" - und lockte über 70 Menschen in den Hilde-Domin-Saal. Die Debatte um die Digitalisierung sei "häufig sehr emotionsgeladen", stellt Haschler gleich zu Beginn seines Vortrags fest. Die Menschen haben Angst - um ihren Arbeitsplatz, der durch Automatisierung wegzufallen droht, um ihre persönlichen Daten und davor, irgendwann im Alltag nicht mehr zurechtzukommen.
Haschler beschwichtigt nicht, sondern möchte aufklären. Arbeitsplätze werden wegfallen, persönliche Daten schon heute von Konzernen verkauft und die digitale Welt komplexer. "Früher konnte man sein Auto noch selbst reparieren", so der 37-Jährige, doch "heute braucht man einen Laptop und hat man die Software nicht - dann kann man die Motorhaube gleich wieder zumachen."
Vor allem aber sind für ihn und Dengler die ethischen Fragen von Bedeutung: Wenn die Autos bald autonom fahren und das Fahrzeug entweder die alte Dame auf der Straße oder beim Ausweichen das Kind am Fahrbahnrand überfahren muss - "wer entscheidet das dann?", fragt Haschler. Ein moralisches Dilemma, das von einer Maschine nicht diskutiert werden könne.
Und die persönlichen Daten? Schon lange geht es nicht mehr darum, dass sensible Daten gut geschützt sind. Aus den riesigen Datenmengen, die heutzutage fast jeder Mensch produziert, können Computer mithilfe komplexer Algorithmen errechnen, wer bald ein Kind bekommt, wie intelligent der Benutzer ist und mit welcher Wahrscheinlichkeit er seinen Kredit zurückbezahlen wird. "Vor wenigen Jahren ging das noch nicht", so Haschler.
Um auch die positive Seite kennenzulernen und sich einen direkten Eindruck von der Technik zu machen, konnten die Gäste im Nebenraum verschiedene Entwicklungen selbst entdecken. "Diesen 3-D-Drucker finde ich hochspannend", freut sich zum Beispiel Christiane Müting. Die "Virtual Reality"-Brille kennt Manfred Leutz dagegen schon. "Die Qualität wird immer besser", erklärt er. Leutz ist vom Fach und "überrascht über die Anzahl und Verschiedenheit der Teilnehmer".
Thea Imhoff und Ilse Weisser-Kirchner gehören zu denen, die sich einen Überblick verschaffen wollen: "Es fehlt das Know-How", geben sie zu. "Und ich möchte auch selbstständig werden", ergänzt Weisser-Kirchner, die heute bei Computer-Problemen noch Unterstützung braucht. Auf keinen Fall wollen die beiden allerdings "gläsern" werden und interessieren sich deshalb für Datenschutz.
"Rein vom Papier her stehen wir beim Datenschutz in Deutschland gut da", erklärt Haschler. Doch auch so gibt es noch eine Menge Herausforderungen. In China wird zurzeit ein "Social-Score"-System erprobt, das dem Staat genehmes Verhalten belohnt, kritisches dagegen sanktioniert. "Auch hier gibt es solche Tendenzen, wenn auch im Bereich der Privatwirtschaft", so Dengler. Die 27-Jährige appelliert: "Wir sollten uns der Problematik bewusst werden, damit es bei uns nicht so weit kommt."
Info: Mehr zum Thema gibt es beim nächsten Vortrag der Reihe, "Quo vadis, gläserner Bürger?", am Dienstag, 16. Januar, 18 Uhr, in der Stadtbücherei, Poststraße 15. Eintritt frei.