Er ist so etwas wie ein angehender Erfinder zeitgenössischer Kirchenmusik: Lars Quincke. In Heidelberg und in Mannheim lernt der Student nun, populäre Kirchenmusik so einzusetzen, dass sie Menschen erreicht. Foto: Philipp Rothe
Von Julia Lauer
Heidelberg. Kann moderne Kirchenmusik Menschen in die Kirchen bringen? Lars Quincke muss nicht lange überlegen, zwischen Frage und Antwort passt kaum ein Moment. Schließlich ist das sein Fachgebiet, wenn auch erst seit kurzem. Dass man mit populärer Musik viele Leute ansprechen kann, das glaubt er schon. "Es ist eine Möglichkeit, Gottesdienste interessant zu gestalten", ist der Student überzeugt.
Lars Quincke ist so etwas wie ein angehender Erfinder zeitgenössischer Kirchenmusik. Seit diesem Herbst gibt es einen neuen Master-Studiengang zwischen Rhein und Neckar. "Popularkirchenmusik" heißt er, und die Hochschule für Kirchenmusik in der Heidelberger Weststadt bietet ihn in Kooperation mit der Pop-Akademie in Mannheim an. Lars Quincke ist der erste Student – und auch der einzige. Zumindest bisher.
An der hiesigen Hochschule für Kirchenmusik der evangelischen Landeskirche beschäftigt er sich nun mit den Grundlagen von Theologie und Kirchengeschichte, lernt, einen Chor zu leiten, nimmt Orgelstunden und Gesangsunterricht. An der Pop-Akademie setzt er sich mit Musiktheorie und dem Musikgeschäft auseinander, und dort findet auch ein wichtiger Teil seiner praktischen Arbeit statt: das Musizieren mit Bands. In vier Semestern will er lernen, Kirchenlieder so zu interpretieren, dass sie zeitgemäß klingen, neue Stücke zu komponieren und Songtexte selbst zu schreiben. Das Ziel all dessen: populäre Kirchenmusik so einzusetzen, dass sie Menschen erreicht.
Den Bachelor in klassischem Klavier hatte der 23-Jährige schon von einer amerikanischen Universität in Kansas in der Tasche, und die Eltern sind protestantische Pfarrer. Was läge da näher, als den Weg der Kirchenmusik einzuschlagen? So einiges, zum Beispiel Jazz. "Kirchenmusik wollte ich nie studieren, darum hatte ich mich auch an zwei Unis für einen Master in Jazzmusik beworben", erzählt er, und wie alles, was er sagt, klingt es wohlüberlegt. Aber es kam anders. Quincke nahm Klavierunterricht in Karlsruhe. Sein Lehrer, Christoph Georgii, war ein Wegbereiter des neuen Studiengangs. Quincke, der ohnehin in der Kirche verwurzelt ist, erfuhr von dem Master-Studiengang und dachte: Warum eigentlich nicht?
Im Herbst zog er nach Mannheim – sein WG-Zimmer fand er unweit der Pop-Akademie, ausgerechnet in der Kirchenstraße. Er muss selbst lachen, als er das erzählt. Dass die Aussichten auf eine Festanstellung bei der Kirche wesentlich besser sind als im Jazzgeschäft, hatte ihm die Entscheidung leichter gemacht. Aber nicht nur deshalb überzeugte ihn die Kirchenmusik. "Musik ist Teil der Botschaft, genauso wie das Wort", fasst Quincke die Bedeutung von Musik im Gottesdienst zusammen. Und oft genug ist es sogar die Musik alleine, die Menschen in die Kirche zieht. Rund siebeneinhalb Millionen Menschen in Deutschland besuchen nach aktuellen Zahlen der Evangelischen Kirche in Deutschland jedes Jahr eine Kirche außerhalb der Gottesdienste – nur, um Musik zu hören.
Zwischen Chor-, Bläser- und Konzertmusik mischt sich dort immer häufiger Pop. Die Kirche bietet ihm eine Bühne, auch in Gottesdiensten. Biedert sie sich damit auch ein Stückweit an? Lars Quincke findet: nein. "Die Kirche muss bereit sein, mit der Zeit zu gehen und alle im Boot zu halten", meint er. Dabei richte sich populäre Musik nicht nur an Jüngere, sie sei genauso für die Älteren da. "Gerade in Deutschland hat die klassische Musik so einen hohen Stellenwert, das wird sich auch nicht ändern." Wenn Pop schaffe, Menschen für Kirche und für Glauben zu interessieren, dann könne moderne Pop-Musik auch durchaus zu Klassik führen, ist er überzeugt.
Hat er ein Lieblings-Kirchenlied? "Was ist ein Kirchenlied?", fragt Quincke zurück. Teil der populären Kultur sei gerade, dass man freier sei, welche Stücke man überhaupt in den Gottesdienst einbringt. Aber manchmal nehme Pop-Musik auch deutlich subtilere Formen an – etwa, wenn es darum geht, klassische Lieder zu reharmonisieren und zum Beispiel mehr nach Akkorden als nach Noten zu spielen. "Es hängt auch von der Gemeinde ab, wie weit man gehen kann. Es ist eine Gratwanderung, man muss die Grenzen testen", glaubt der Student.
Quincke hat schon Erfahrung mit dem Musizieren in Gottesdiensten. In der Mannheimer Hafenkirche und in der Melanchthonkirche im Heidelberger Stadtteil Rohrbach spielt er inzwischen regelmäßig. Dort will er sich auch künftig weiter einbringen – und sich daran herantasten, was in der Kirche musikalisch möglich ist.
Info: Lars Quincke spielt am Sonntag, 20. Dezember, im Gottesdienst in der Melanchthonkirche Rohrbach, am 27. Dezember im Kirchenladen der Melanchthongemeinde, Karlsruher Straße 90.