Millys Krankheit "BPAN" wird jetzt erforscht
Projekte in Tübingen und Chicago zum gestörten Eisenhaushalt in den Hirnzellen - "Millys Mission" sammelt weiterhin Geld

Von Birgit Sommer
Heidelberg. Milly ist jetzt gut drauf, findet ihr Vater: "Wenn morgens um 7 Uhr der Schulbus zur Martinsschule in Ladenburg kommt, jauchzt sie. Schule – das findet sie super." Die Eltern, Rebecca und Markus Nielbock, spüren das. Sprechen kann die Siebenjährige nicht mit ihnen. Sie ist schwerstbehindert und schwer pflegebedürftig. Die Diagnose stellte das Universitätsklinikum erst vor knapp drei Jahren. Emilia, genannt Milly, leidet an BPAN (Beta-Propeller-Protein-assoziierte Neurodegeneration). Das ist eine seltene neurodegenerative Erkrankung, hervorgerufen von einem Defekt des Gens WDR45 auf dem X-Chromosom. In Deutschland gibt es vielleicht 30 Kinder und Erwachsene mit BPAN.
Seit die Eltern herausgefunden haben, woran ihre Tochter leidet, kämpfen sie. Sie sammeln Geld, um die Forschung voranzutreiben, um die zellulären Ursachen der Krankheit und mögliche Therapien herauszufinden. "Millys Mission" nennen sie das und inzwischen ist der Astrophysiker aus dem Stadtteil Rohrbach auch zweiter Vorsitzender des deutschlandweiten Vereins "Hoffnungsbaum". Zweck dieses Vereins ist die ideelle und finanzielle Förderung der Erforschung und Behandlung von NBIA (Neurodegeneration mit Eisenspeicherung im Gehirn). BPAN gilt als eine Unterform, die im Jahr 2012, als Milly geboren wurde, erstmals beschrieben wurde.
Rund 18.000 Euro kamen bisher bei "Millys Mission" zusammen. Diese steuerten die Eltern zur Finanzierung eines großen Forschungsprojektes bei: Prof. Lena Burbulla will an der Northwestern University in Chicago 18 Monate lang den Zusammenhang zwischen BPAN und dem gestörten Eisenhaushalt in den Hirnzellen näher untersuchen. "Sie will eine interessante Hypothese testen, nach der nicht etwa zu viel Eisen in den Zellen das Gehirn schädigt", sagt Nielbock. Burbulla gehe davon aus, dass das in Abfallprodukten gefangene Eisen durch den fehlerhaften Autophagieprozess nicht freigegeben werde und so den Zellen nicht zur Verfügung stehe. Autophagie ist ein Selbstreinigungsprozess der Zellen, in dem sie eigene Bestandteile abbauen und verwerten. Also als Ursache möglicherweise eher ein Mangel an bioverfügbarem Eisen, nicht ein Übermaß an schädlichem Eisen?
Die siebenjährige Emilia hat der Forscherin Hautproben geliefert, die im Labor zu Stammzellen und dann in Hirnzellen umgewandelt werden. Auch an in München koordinierten Verlaufsstudien nimmt die kleine Heidelbergerin teil. Zu großen Erkenntnissen kam es da bisher nicht, denn, wie Markus Nielbock weiß: "Es gibt nicht den einen Verlauf bei der Krankheit. Es gibt sogar Fälle, bei denen die Symptome erst im Erwachsenenalter auftreten."
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An der Entschlüsselung der Ursachen von BPAN arbeitet jetzt auch die Tübinger Autophagie-Forscherin Prof. Tassula Proikas-Cezanne im Rahmen eines Sonderforschungsbereiches zusammen mit Kollegen in London und Kopenhagen. Auch sie wird vom Patientennetzwerk "Hoffnungsbaum" unterstützt; Markus Nielbock will das Fundraising bei diesem Verein noch weiter ausbauen. Die Molekularbiologin, die in Heidelberg studierte, hatte das Gen entdeckt, dessen spontane Mutation eine solch schwerwiegende Krankheit wie BPAN auslöst. Proikas-Cezanne fühlt deshalb eine gewisse Verpflichtung zur Grundlagenforschung und lässt sich durch den persönlichen Kontakt mit Kindern wie Emilia zusätzlich motivieren, wie sie sagt.
Millys Eltern wünschen sich letztlich ein Therapeutikum, das zumindest den Status quo der Behinderungen erhält. Sonst wird sich Millys Zustand in den nächsten Jahren wohl dramatisch verschlechtern. Die Krankheit führt irgendwann zum Verlust kognitiver Fähigkeiten und schließlich zum verfrühten Tod. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit.
Derzeit, meint Markus Nielbock, sei alles ziemlich stabil bei seiner Tochter, denn ein neues Epilepsie-Medikament wirke "so, dass wir damit leben können. Mehr können wir nicht verlangen". Da Milly nur sitzt und sich nicht bewegen kann, machen die Eltern mit ihr oft Stehtraining, damit sich Sehnen und Muskeln nicht versteifen, die Gelenke beweglich bleiben und der Blutdruck stabil bleibt.