Polizei schickte 1500 Partygäste heim (Update, plus Fotogalerie)
Kult-Disco platzte aus allen Nähten - Betreiber befürchtete Gedränge - Beamte konnten Lage beruhigen

Von Tillmann Bauer
Heidelberg. Der Andrang vor der Bergheimer Diskothek "Nachtschicht" war so gewaltig, dass die Polizei einschreiten musste. Denn zur letzten Party am Donnerstagabend warteten gegen 23.30 Uhr noch 2000 Personen auf dem Hof, aber drinnen war nur noch Platz für 200. Die Diskobetreiber befürchteten ein Gedränge, in dem Menschen zu Schaden kommen könnten - und riefen die Beamten zu Hilfe, die mit mehreren Streifenwagen anrückten. Sie stellten fest, dass der Hof vollkommen überfüllt war und immer mehr Autos auf das Landfried-Gelände kamen. Also riegelten die Polizisten die Zufahrten ab.
Und auch die rund 1500 Personen, die direkt vor dem Eingang warteten, wurden mehrfach über Lautsprecher aufgefordert, sich zu entfernen, da es keine Chance für sie gab, zur Abschiedsparty nach drinnen zu kommen. Bei den meisten gelang es auch, nur ein Mann war so uneinsichtig, dass man ihm androhte, ihn aufs Revier mitzunehmen - erst dann fügte er sich. Gegen 1 Uhr hatte sich die Situation wieder so normalisiert, dass das Disko-Sicherheitspersonal wieder die Regulierung des Besucherandrangs übernehmen konnte.
Wer das Glück hatte, trotz des Andrangs hineingekommen zu sein, der erlebte eine historische Nacht: die letzte Party eines Kultclubs - nach 23 Jahren. Bald wird die Tanzschule Nuzinger in das Gebäude auf dem Landfried-Gelände ziehen, sie plant dort eine Veranstaltungs-Location mit Gastronomiebetrieb. Viel Platz war nicht zum Tanzen, es war "gestoppte voll", als DJ Boulevard Bou ein letztes Mal zum Klassiker "Strictly Urban Sound" rief. Er wechselt mit dem Ende der Nachtschicht im neuen Jahr in die Halle02.
Das Publikum: hauptsächlich Jugendliche, junge Erwachsene - und natürlich "Veteranen" des Nachtlebens im Landfriedkomplex. So auch Daniela mit ihren drei Freundinnen aus Handschuhsheim: "Die Nachtschicht ist einfach legendär", sagt die 19-Jährige und nippt an ihrem Longdrink, "donnerstags waren wir hier so oft - echt mies, dass nun zugemacht wird." Spricht’s und muss unbedingt zur Tanzfläche, weil gerade ihr Lieblingslied "Was Du Liebe nennst" von Rapper Bausa gespielt wird. Das müsse man nun genießen - ein kurzer Schrei, und schon hat die tanzende Menge sie verschluckt.
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Ebenfalls Stammkunde ist der 29-jährige Slim. "An meinem 18. Geburtstag war ich zum ersten Mal hier, ich wohne fünf Gehminuten von der ,Schicht’ weg", berichtet der Bergheimer. "Die Schließung ist sehr, sehr traurig: Hier habe ich meine Frau kennengelernt. Das ist mehr als nur ein Club. Ich gehe nicht mehr oft feiern, aber das heute wollte ich mir nicht nehmen lassen." DJ Boulevard Bou sei zudem die perfekte Wahl zum Abschluss: "Er ist in Heidelberg einfach mit keinem anderen DJ zu vergleichen." Auch Nadine gehört zu den geübten "Nachtschichtlern", aber in der letzten Zeit kam die 34-Jährige nur noch selten her: "Als ich gehört habe, dass der Laden dichtmacht, war ich kurz geschockt. Jetzt lassen wir zum Abschluss aber noch mal die Sau raus." Damit meint sie sich und ihre jüngere Freundin Hannah - beide sind aus der Mannheimer Innenstadt angereist, um sich gemeinsam an frühere Zeiten zu erinnern. "Es ist heute zwar brutal stickig und voll - aber das ist egal, das macht es doch aus", lachen die beiden Frauen.
Dass es in der Nacht auf Freitag mehr als nur voll war, das konnten auch die Türsteher bestätigen. 1200 Personen waren früher einmal das absolute Maximum - doch aus Sicherheitsgründen dürfen inzwischen nur noch 800 Personen gleichzeitig rein. Die Folge: Noch um 1 Uhr warteten knapp 100 Leute vor der Nachtschicht in der Kälte. So auch Ramona (20) mit ihrem Freund Mark aus der Südstadt: "Das nervt im ersten Moment natürlich, aber das ist es mir wert, ich möchte heute einfach dabei sein. Die ,Schicht’ ist besonders." Immerhin: Die Wartezeiten hielten sich in Grenzen.
Und dann war irgendwann "Schicht im Schacht". Für immer. Der letzte Song, den "Boulevard Bou" spielte, passte: "End of the Road" von "Boyz II Men". Der ist noch älter als die "Nachtschicht" - 1991 hieß sie noch "Zigarillo". Und wohin geht die Heidelberger Party-Szene nun? "Puh, das ist nicht leicht", meint Slim, "ich werde mir demnächst aber mal das Saints anschauen." Die Diskothek "The Saint" öffnete vor einem knappen halben Jahr im Darmstädter-Hof-Centrum. "Die ,Schicht’ war aber einzigartig, ich werde sie vermissen."
Update: 29. Dezember 2017, 18.35 Uhr