Mit Stücken aus seinem Album "Der Letzte an der Bar" kam Henning Wehland in die Halle 02. Foto: Alex
Von Alexander R. Wenisch
Heidelberg. Das nennt man wohl Kundenorientierung. Henning Wehland hüpft am Ende des Konzertes von der Bühne, schlängelt sich durch die Reihen der Besucher. Schulterklopfen, Händeschütteln, "tolles Konzert". Dann stellt er sich an den Plattentisch am Ausgang. Schnell noch das komplett durchgeschwitzte Shirt gewechselt, ein Blick auf den kleinen Wohlstandsbauch und dann geht es weiter mit Autogrammen, Geplauder, Selfies. Starallüren kennt der Adoptiv-Sohn Mannheims und TV-Casting-Gastgeber offensichtlich nicht. Im Gegenteil scheint er jeden seiner Gäste persönlich verabschieden zu wollen.
Allerdings ist die Menge auch überschaubar. Es sind vielleicht 150 Fans in der Halle 02. Das verwundert einerseits, zumal Wehland als Frontmann der Rockband H-Blockx ein Name in der deutschen Musikszene ist. Etwas voller hätte man die Reihen schon erwartet. Andererseits entstand so eine intime Club-Atmosphäre, was zu Wehlands neuen Songs auch gut passt.
"Der letzte an der Bar" heißt sein Solo-Album, auf dem er sich als guter Beobachter zeigt. Einerseits zeichnet er sozialkritische Alltagsszenen ("Der alte Mann und das Leergut"), andererseits schont er auch sich selbst nicht ("Der Affe und ich" oder "Peter Punker"). Die Songs sind im Original eher im Singer-Songwriter-Stil gehalten; live aber dreht Wehland mit einer tollen Band voll auf. Da kommen die brachialen H-Blockx noch immer durch. Vor allem sein junger Gitarrist Thilo Zirr, der aus Mannheim kommt und den er über Xavier Naidoo kennengelernt hat, beeindruckt.
Ohnehin haben auch die Söhne Mannheims, bei denen er seit bereits zwölf Jahren singt, Einfluss hinterlassen. Wenn der 47-jährige Rocker erzählt, wie er regelmäßig "mit Gott telefoniert" und daraus dann einen Song macht, wird es merkwürdig. Meint er das ernst? Auch seine Poesie erinnert, vor allem in seinen Liebesliedern, an Söhne-Mastermind Naidoo: "Mein Herz sagt, dein Herzschlag ist der beste Beat der Welt."
Den Söhnen, sagt er, habe er viel zu verdanken. "Hätte ich in den letzten Jahren nicht so viel Zeit hier in der Region verbracht, würde ich heute wahrscheinlich am Bahnhof betteln." Politisch bezieht Wehland deutlich Stellung gegen Ausländerfeindlichkeit. Man müsse sich dagegen wehren, dass Hetze und Ausgrenzung in der Mitte der Gesellschaft wieder salonfähig geworden seien. Man nimmt ihm ab, wie er sich in einem Song selbst beschreibt: ein Mann mit Rückgrat, Herz und Seele. Seine Verschwörungstheorie sei die Nostalgie: "Ich stricke mir die Vergangenheit immer schöner, als sie wahrscheinlich war." Ein kleiner Seitenhieb auf Kollege Naidoo?
Letztlich empfiehlt Wehland sein Rezept, wie wir die Welt zu einem besseren Ort machen können: "Tanz um dein Leben!" Und während bei den H-Blockx gerne gepogt wird, nehmen sich seine Fans jetzt tatsächlich in den Arm und schunkeln quer durch die Halle im Sirtaki-Takt. Während Henning Wehland auf dem als Bühnendeko installierten Tresen steht und die ausgelassene Menge dirigiert. Ein skurriler Abend.