Heidelberger Bluttest-Skandal

Darum besteht jetzt Verdacht auf Insiderhandel

PR-Rummel könnte Hintermänner reich gemacht haben - Kreis der Mitwisser ist groß - Staatsanwaltschaft Mannheim übernimmt Ermittlungen

10.04.2019 UPDATE: 11.04.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden
Der neue Bluttest für die Früherkennung von Brustkrebs entwickelte sich zum Skandal. Foto: Labor/Universitätsklinikum Heidelberg

Von Klaus Welzel und Sebastian Riemer

Heidelberg. Erst störte sich die Wissenschaftsgemeinde an der übertriebenen PR für den Heidelberger Bluttest zur Brustkrebsfrüherkennung - jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft. Am Mittwoch übernahm die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Mannheim die Ermittlungen der Heidelberger Kollegen - "wegen der Größenordnung des Verfahrens", wie die RNZ aus Justizkreisen erfahren hat. Die Anweisung dazu erteilte die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe.

Hintergrund der Ermittlungen soll unter anderem der Verdacht auf Kursmanipulation und Insiderhandel mit Aktien sein. Die "Bild"-Schlagzeile "Weltsensation aus Heidelberg" könnte in diesem Szenario eine gewichtige Rolle spielen, weil sie womöglich den Kurs einer Aktie in China beflügelt hat. Zwar gibt man sich bei der Justiz bedeckt und verweist lediglich auf erste Erkenntnisse durch die Berichterstattung der RNZ - ermittelt wird schließlich "in allen rechtlichen Belangen". Dennoch kam schnell der Verdacht auf, dass hinter dem "Bluttest-Skandal" im Grunde ein Verstoß gegen das Wertpapierhandelsgesetz stecken könnte.

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Um das Ganze zu verstehen, muss man sich mit dem Firmengeflecht beschäftigen, das hinter der Ausgründung der Heiscreen GmbH und der Heiscreen NKY GmbH an der Uniklinik Heidelberg steckt. Die Heiscreen NKY hat in China die Aufgabe, Bluttests durchzuführen, um den Heidelberger Test auch fit zu machen für den asiatischen Markt. Beteiligt an der Firma Heiscreen NKY ist unter anderem die chinesische Aktiengesellschaft NKY Medical Holding Ltd - ein Chemie- und Pharma-Konzern. Eine Vereinbarung sieht vor, dass NKY Medical den Bluttest vermarktet und im Gegenzug Lizenzgebühren an das Uniklinikum Heidelberg zahlt. Wird der Test ein Erfolg, winkt ein Milliardengeschäft, mutmaßt zum Beispiel der Mannheimer Ökonom Professor Christoph Spengel.

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Auffällig: Der Aktienkurs von NKY Medical zeigt deutliche Parallelen zu den Forschungsergebnissen in Heidelberg auf: Als die Forscherin Rongxi Yang 2016 den ersten Durchbruch meldete, wurde die Aktie ganzjährig gut gehandelt. Yang hatte den Kontakt zwischen den Heidelbergern und NKY Medical hergestellt. Im April 2017 merkte das zweite Team um die Professoren Christof Sohn und Sarah Schott, dass die alten Daten der ursprünglichen Testerfinderin so nicht reproduzierbar waren. Es folgte eine Aktienhandelsflaute.

Im November und Dezember 2018 wurden die Testergebnisse des neuen Forscherteams jedoch deutlich besser. Der Handel nahm zu - der Kurs betrug zu diesem Zeitpunkt aber immer noch nur rund 12 chinesische Yuan (heute 1,59 Euro). Der China-Riese war damit unterbewertet. Im Januar 2019 erörterte die Firma Heiscreen GmbH eine Veröffentlichung der Ergebnisse. Am 30. Januar wurde die PR-Kampagne beschlossen. Als am 21. Februar der Bluttest auf dem Gynäkologenkongress in Düsseldorf vorgestellt wurde, und die "Bild"-Zeitung zeitgleich "Weltsensation" titelte, stieg der Kurs zunächst auf 14,22 chinesische Yuan. Der Höchststand in diesem Jahr wurde mit 22,52 Yuan am 25. März erreicht.

Ein Insiderhandel wäre gegeben, wenn jemand, der Kenntnis von den zu erwartenden Forschungsdurchbrüchen hatte, Aktien gekauft und zugleich einen Vertrag über einen späteren Verkauf abgeschlossen hätte. Was für Laien kompliziert klingt, "sind ganz übliche Kaufverträge an der Börse", erklärt Finanzwirtschaftler Spengel. Und: "Wenn jemand hier viel investiert, kann man richtig Geld verdienen". Allerdings: Insiderhandel wird in Deutschland bestraft - auch wenn er in China begangen wird. Bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe drohen - falls die Übeltäter erwischt werden. Nach diesen fahndet ab jetzt die Staatsanwaltschaft Mannheim.

Die Börse in Shenzhen, einer Provinzstadt bei Hongkong, gehört zur Sonderwirtschaftszone und ist deshalb für Nicht-Chinesen ein wichtiger Handelsplatz. Das könnten sich Mitwisser zunutze gemacht haben. Und der Kreis derjenigen, die Bescheid wussten, ist groß: Neben diversen Forschern waren auch der Vorstand des Uniklinikums - der die PR-Kampagne eng begleitete - und das Tochterunternehmen Technology Transfer Heidelberg auf dem Laufenden.

Gut informiert war aber auch der Unternehmer Jürgen Harder, der mit 39,2 Prozent an der Heiscreen GmbH beteiligt ist. Und schließlich war Harder-Freund Kai Diekmann bei mehreren Treffen in Heidelberg "aus Interesse" dabei. Diekmann war bis Ende 2015 Chefredakteur der "Bild"-Zeitung - und pflegt noch immer engen Kontakt zu seinen ehemaligen Kollegen.

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