Heidelberg

Wie Ausbildungen in der Pandemie laufen können

Drei Lehrlinge berichten von ihren Erfahrungen - Mehr Zeit, Dinge auszuprobieren, aber der Austausch fehlt - Corona sorgt für Engpässe

09.04.2021 UPDATE: 11.04.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 35 Sekunden
Geschäftsführerin Caroline von Kretschmann (Mitte) ermöglicht ihren Azubis Amy Heß (r.) und Jeoffrey Pfefferle, die Ausbildung im Europäischen Hof trotz Corona auf hohem Niveau abzuschließen. Fotos: Philipp Rothe

Von Maria Stumpf

Heidelberg. Ausbildung trotz Pandemie: Der Berufsalltag von jungen Menschen hat viele Fragezeichen in diesen Zeiten. Verlängert sich die Ausbildungszeit, wenn die Prüfung verschoben wird? Muss der Azubi in Kurzarbeit oder in den Betrieb, wenn die Berufsschule geschlossen hat? "Das waren Dinge, die uns vergangenes Jahr sofort durch den Kopf gingen", erinnern sich Jeoffrey Pfefferle, Amy Heß und Inga Folz. Drei Auszubildende aus unterschiedlichen Branchen berichten über ihren Alltag. Der hat sich mal mehr geändert, mal weniger.

Der Fachkräftemangel im Hotelwesen verschärfe sich durch Corona, sagt Caroline von Kretschmann, Geschäftsführerin des Hotels Europäischer Hof. Vergangenes Jahr habe es rund 20 Prozent weniger Ausbildungsverträge in Deutschland gegeben. "Die Situation ist schwierig." Auch im Europäischen Hof seien nur wenige Zimmer belegt, das Restaurant – außer für Take-away-Boxen – geschlossen. Dennoch finden in diesem Haus – wie in jedem Jahr – 35 Azubis eine Ausbildungsstätte. "Das Gold unserer Branche sind diese jungen Leute", sagt von Kretschmann dazu. "Wir hätten sie in Kurzarbeit schicken können, das wollten wir aber nicht. Im Gegenteil, wir geben ihnen mehr Verantwortung."

Ausgebildet zur Fachangestellten für Arbeitsmarktdienstleistung bei der Bundesagentur für Arbeit: Inga Folz.

Jeoffrey Pfefferle, 21 Jahre alt, macht eine Ausbildung zum Koch, Amy Heß, 20 Jahre alt, eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. Beide sind im zweiten Lehrjahr in dem Fünf-Sterne-Haus und sagen: "Die Gäste fehlen. Es ist so still, und irgendwie fehlt der tägliche Adrenalin-Kick. Aber wir profitieren auch von der Situation." Denn weil viele Fachkräfte in Kurzarbeit sind, haben die Azubis mehr Verpflichtungen. Für diese Mehrarbeit und Verantwortung zahle man derzeit einen 50 Prozent höheren Ausbildungssatz, betont Hotelchefin von Kretschmann. "Das ist eine Anerkennung von unserer Seite."

Auch weil die Azubis mehr Zeit haben zum Lernen abseits vom regulären Betrieb und weil kreative Ideen die Ausbildung variieren, scheinen sie zufrieden. "Man muss sich auf die Situation einstellen", sagt Jeoffrey Pfefferle. Fleisch tranchieren, Fisch filetieren oder Saucen ansetzen – alles kein Problem mehr, so der angehende Koch. "Manches zeigt der Küchenchef vor Ort und dann übt man zu Hause weiter." Auf Wunsch eines besonderen Gastes habe er kürzlich mit dem Chef sogar eine Ziege in der Hotelküche fachmännisch zerlegt. "Wann bekommt man als Azubi denn sonst so eine Gelegenheit?"

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Ansonsten wird die Arbeit mehr in kleine Gruppen aufgeteilt und variiert. Azubi-Teams kreieren dann zusammen spezielle Menüs mit Weinbegleitung oder sortieren alte Rezepte in das Hotel-Archiv. Es gibt eigene "Hotel-Tester-Gruppen" für das Housekeeping oder für den Rezeptionsbereich, auch Projektmanagement steht auf dem Stundenplan. "Wir haben Zeit, Dinge auszuprobieren, Fehler zu machen und sie zu korrigieren. Das hätten wir sonst nicht so", sagt Amy Heß. "Es ist mehr Eigeninitiative gefordert. Mir gefällt das." Und doch: "Man würde sich wünschen, dass diese Zeit bald vorbei ist."

Inga Folz stimmt zu. Sie ist im dritten Lehrjahr und macht in diesen Tagen ihre Prüfung zur Fachangestellten für Arbeitsmarktdienstleistung bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Heidelberg. Eigentlich sei sie kaum beeinträchtigt, sagt die junge Frau. "Es läuft fast wie immer. Der Austausch mit anderen fehlt natürlich." Seit Herbst 2020 gibt es die Lernmodule in der Berufsschule nur noch digital. "Es ist machbar, wenn man sich gut organisieren kann." Was der 24-Jährigen nicht gefällt, ist der fehlende Kundenkontakt vor Ort, etwa in der Berufsberatung. "Aber wir haben dadurch mehr Zeit, um in besondere Abteilungen einen tieferen Einblick zu bekommen." Zum Beispiel in der "Service-Einheit Kurzarbeitergeld". Hier sei der Arbeitsaufwand enorm gestiegen, erklärt BA-Mitarbeiter Andreas Kapp. Da habe man sich über jede Unterstützung von Azubis gefreut.

Nach Zahlen aus der Agentur für Arbeit in Heidelberg liegt die Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr übrigens um 25 Prozent höher. Gleichzeitig sind die Bewerberzahlen in der Berufsberatung um zehn Prozent zurückgegangen. Wohl auch wegen der Kontaktbeschränkungen und dem Unterrichtsausfall in den Schulen. Betriebe hätten aber bereits im Februar 15 Prozent mehr Ausbildungsstellen als 2020 gemeldet, heißt es.

Auch bei der Industrie und Handelskammer Rhein-Neckar (IHK) kennt man das Problem. Die Corona-Pandemie habe im Bereich der Ausbildung für regionale Engpässe gesorgt. Auf ihrer Homepage lädt die IHK zu einer virtuellen Ausbildungsmesse ein. Und selbst in der Agentur für Arbeit suche man dringend Auszubildende, ergänzt BA-Mitarbeiter Kapp. "Diese Zeiten sind so."

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