Die Künstlerin Tuffix (Soufeina Hamed) malt eine interkulturelle Café-Szene auf einen Stromkasten am Heidelberger Hauptbahnhof.
Von Joris Ufer
Heidelberg. Jüdisch-muslimische Beziehungen anders darstellen – das ist das Ziel der Berliner Künstlerin Tuffix, die von Dienstag bis Donnerstag in Heidelberg fünf Stromkästen im Rahmen der Jüdisch-Muslimischen Kulturtage bemalt hat. Die Aktion ist Teil einer Kooperation mit dem Metropolink-Festival. Tuffix ist bekannt für ihre Comic-Kunst und will damit auf das Leben als Muslima in Deutschland aufmerksam machen.
"Ach so, nichts mit Krieg", soll laut Tuffix ein Passant am Dienstag gesagt haben, als sie an ihrem ersten Stromkasten arbeitete. "Genau das ist das Problem", erzählt sie. In der Beziehung zwischen Juden und Muslimen bestimmten nämlich zumeist gewaltvolle Aspekte das äußere Bild. Oft gehe es um Konflikte außerhalb Deutschlands. Die Realität hier vor Ort wird schnell übersehen.
Tuffix ist ein Künstlername. Mit richtigem Namen heißt die Künstlerin Soufeina Hamed. Eigentlich arbeitet die 30-Jährige als Illustratorin. Mit der Thematik Rassismus und Vielfalt ist sie aus persönlicher Erfahrung vertraut. Hamed hat deutsch-tunesische Eltern, wurde in Tunesien geboren und ist in Berlin aufgewachsen.
Wie werden Juden und Muslime in der Gesellschaft „abgestempelt“? Die Comic-Kunst soll Einblick in die tägliche Lebensrealität vieler Menschen in Deutschland geben. Fotos: Philipp RotheIhr üblicher Arbeitsplatz als Illustratorin ist der Computer, sie zeichnet digital. Nun steht sie vor einem Stromkasten am Heidelberger Hauptbahnhof und hält einen Pinsel in der Hand. Es soll das letzte der fünf Bilder werden. Stromkästen, das sind klobige, farblose Klötze, die normalerweise keine Aufmerksamkeit erregen – jetzt sollen sie Wünsche sichtbar machen.
"Die Kulturtage werfen einen Blick auf die Beziehungen", sagt Yasemin Soylu von der muslimischen Heidelberger Initiative "Teilseiend". Zusammen mit Susanne Mohn von der Hochschule für jüdische Studien begleitet sie Hamed für die Aktion. Soylu erklärt, dass muslimische und jüdische Gemeinschaften schon lange Teil der Gesellschaft seien. Die Straßenkunst könne dabei Menschen erreichen, die so etwas noch nicht kennen.
"Ich möchte ein Individuum sein dürfen", steht in der Sprechblase eines Textes. Darunter die Umrisse eines Mannes und einer Frau, denen die Stempel "DIE Muslime" und "DIE Juden" aufgedrückt werden sollen. Ihre Hände sind zum Schutz erhoben. Die Comic-Kunst hat etwas Universelles. Statt einzelne Personen darzustellen, kann sie auch Gruppen zeigen. Die Bilder sind schlicht gehalten. Oft sind es Alltagsszenen, wie sie jeder kennt: Zwei Männer als Tennispartner, zwei Frauen im Café. Die Comics zeigen Juden und Muslime im Alltag – und der ist eben nicht nur von Gewalt und Hass geprägt. Tuffix geht es um die Perspektive der Menschen in Deutschland.
Die Bilder hängen nicht eng zusammen. Es sind Einzelfälle, Metaphern für etwas Größeres. Hamed erklärt: "Sie formulieren Wünsche. Häufig werden Freundschaften zwischen Juden und Muslimen politisiert, aber wir wollen keine Projektionsfläche für Angst sein."
Auf diese Weise möchte sie einen Bezug für die Lebensrealität Betroffener schaffen und verwendet daher Motive, mit denen sich beide Gruppen identifizieren können. Die hat sie zusammen mit jüdischen Freunden erdacht. Zielgruppe sind dabei Juden, Muslime und Außenstehende gleichermaßen. "Wir wollen weg von den klassischen Themen Koscher, Halal und Konflikte und weg von den klassischen Rollenzuschreibungen. Die Bilder sollen zum Nachdenken anregen."