Der große Rathaussaal im Heidelberger Rathaus. Archiv-Foto: Rothe
Heidelberg. (hob/dns) Es war ein skurriles Bild, das sich den Besuchern bei den ersten beiden digitalen Ausschusssitzungen des Gemeinderates am Dienstag und Mittwoch im Neuen Sitzungssaal des Rathauses bot. Leibhaftig waren nur die beiden Bürgermeister Jürgen Odszuck und Raoul Schmidt-Lamontain anwesend sowie einige wenige Vertreter der Stadtverwaltung. Die beteiligten Stadträte waren via Zoom zugeschaltet und wurden über den Bürgermeistern auf die große Leinwand projiziert. Echtes Publikum aus der Bürgerschaft verirrte sich an diesen beiden Tagen nicht ins Rathaus. Sind solche digitalen Sitzungen wirklich sinnvoll und zielführend? Eine erste Bilanz:
> Die Technik: Die Übertragung war gut, sämtliche Wortmeldungen verständlich. Einige Stadträtinnen und Stadträte hatten aber Startschwierigkeiten, wenn es zum Beispiel darum ging, ihre virtuelle Hand bei der Abstimmung zu heben oder auch wieder zu senken, bevor die Nein-Stimmen abgefragt wurden. Dadurch dauerte das Zählen schon mal etwas länger. Um sicherzugehen, dass sich nur die Mitglieder des jeweiligen Ausschusses am Votum beteiligten, mussten die stimmberechtigten Stadträte ihre Kamera eingeschaltet lassen. Das klappte zwar nicht bei jedem auf Anhieb, aber im Großen und Ganzen ganz gut. Ähnlich war es mit den Mikrofonen: Die meisten Räte blieben "stumm", bis sie dran waren (siehe: Ernsthaftigkeit). Doch wie bei eigentlich allen Videokonferenzen gab es auch hier immer wieder Teilnehmer, die munter drauf los plauderten – aber nicht zu hören waren, weil ihr Mikro noch aus war.
> Ernsthaftigkeit: Die Stadträte nehmen das Format auf jeden Fall ernst. In beiden Sitzungen waren je alle Ausschussmitglieder zugeschaltet und die Beschluss- und Informationsvorlagen wurden genauso intensiv diskutiert wie sonst. Teilweise sogar noch intensiver (siehe: Schnelligkeit). Doch einige Gemeinderatsmitglieder hatten es sich offenbar gemütlich gemacht. Zu fortgeschrittener Stunde wurde Knabberzeug gefuttert oder Tee getrunken. Einzelne Stadträtinnen und Stadträte waren jedoch zwischendurch offensichtlich abwesend oder führten Privatgespräche mit Personen, die nicht im Bild waren, oder über ihr Handy. Peinlich wurde es dabei nur wenige Male – wenn das eigene Mikrofon am Laptop nicht auf stumm geschaltet war. Übrigens: Essen und Trinken ist auch bei Präsenzsitzungen erlaubt, nur dass dabei nicht die Gesichter der Stadträte im Großformat über die Leinwand flimmern.
> Schnelligkeit: Das Tempo der Sitzungen wurde durch das digitale Format deutlich verlangsamt. Das hatte mit technischen Problemen zu tun, aber auch damit, dass es sich einige Stadträte dann doch etwas zu gemütlich gemacht hatten in ihrem Wohnzimmer. Denn die Diskussionen kamen nur sehr langsam auf den Punkt. Das bemerkte auch Judith Marggraf (Grün-Alternative Liste): "Bitte lasst uns nicht noch bis 22 Uhr hier sitzen. Vielen Dank an alle", bat sie ihre Kollegen inständig.