Kamila Lezniak rettete am Neujahrsmorgen 2018 einer Frau das Leben. Foto: Rothe
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Die junge Frau hat überlebt, ihr geht es gut. Erst jetzt hat Kamila Lezniak erfahren, dass sich ihr Einsatz am frühen Neujahrsmorgen im Jahr 2018 gelohnt hat. "Ich bin noch nie so schnell gerannt in meinem Leben", erinnert sich die 25-Jährige an die Geschehnisse, die schon mehr als ein Jahr zurückliegen. Wie sie in der Dunkelheit am Ufer entlang gesprintet ist und schließlich am Sportboothafen eine im Neckar treibende Person aus dem kalten Fluss zog.
Für diesen außergewöhnlichen Einsatz wurde die Lebensretterin jetzt von Bürgermeister Wolfgang Erichson mit einer Ehrenurkunde des Landes ausgezeichnet, unterschrieben von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Zudem bekam sie 150 Euro geschenkt.
"Kamila Lezniak hat große Zivilcourage gezeigt und ist damit ein Vorbild für uns alle", sagt Erichson. Auch Peter Fischer, Chef der Wasserschutzpolizei, drückt seine "grenzenlose Hochachtung" für die 25-Jährige aus und weist auf die schwierigen Umstände für die Lebensretterin hin: Der Sportboothafen war menschenleer und unbeleuchtet, die Stege glitschig. Zudem hatte der Neckar leichtes Hochwasser und die Strömung war drei Mal stärker wie normal. "Bei einer Fließgeschwindigkeit von bis zu 1,50 Meter pro Sekunde muss man sich gut festhalten", sagt Fischer. Lezniak habe sich selbst in große Gefahr begeben.
Doch sie hat dadurch ein Leben gerettet. Lange hätte es die junge Frau in dem nur fünf Grad warmen Fluss nicht mehr ausgehalten. Doch jetzt sei die inzwischen 21-Jährige längst wieder zu Hause, berichtet Alexander Walter von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG): "Ich habe mit ihrer Mutter telefoniert." Die junge Frau war wohl wegen einer persönlichen Krise in den Neckar gesprungen und hatte sich zunächst das Leben nehmen wollen. Im Wasser schrie sie dann um Hilfe.
"Ich kann es immer noch nicht glauben, was damals passiert ist", schildert Lezniak die Geschehnisse. Es ist der 1. Januar 2018, gegen 2.30 Uhr, als die damals 24-Jährige mit ihrem Freund über die Theodor-Heuss-Brücke läuft. Die beiden wollen von einer Silvesterparty in Heidelberg nach Hause in Leimen, doch da sie kein Taxi bekommen, gehen sie zu Fuß zum Bismarckplatz. Auf der Brücke bleibt das Paar kurz stehen, genießt den Blick auf das beleuchtete Schloss. Da sieht Kamila Lezniak auf einmal einen schwarzen Punkt im Neckar treiben. Kurz darauf hört sie die Hilfeschreie.
Lezniaks Freund hat auf der Silvesterparty schon einiges getrunken, daher weist sie ihn nur an, einen Notruf abzusetzen, und nimmt die Sache selbst in die Hand. Ständig hat sie die im Neckar strampelnde Person im Blick, als sie am Ufer entlang rennt. Wo könnte nur eine geeignete Stelle sein, um die Frau aus dem Wasser zu ziehen? Am Sportboothafen, 600 Meter flussabwärts, wäre es vielleicht möglich. Doch dort versperrt ihr ein Tor den Weg.
"Mit 1,50 Meter war es so hoch wie ich selbst", erinnert sich Lezniak. Ein älteres Paar hilft ihr schließlich über den Zaun. "Die beiden hatten auch Alkohol getrunken, ich musste dem Mann erst einmal zeigen, wie eine Räuberleiter geht." Panik habe sie trotzdem nicht gehabt, nur kurz Sorge, dass sie die im Neckar treibende Person in dieser Zeit aus dem Auge verlieren könnte. "Ich arbeite im Krankenhaus Schwetzingen, in der Anästhesie", erklärt die Leimenerin, warum sie an diesem Morgen so ruhig geblieben ist. Glücklicherweise kann sich die Frau im Fluss so lange am Steg festklammern, bis Lezniak eintrifft.
"Ich habe meine Hände und Arme nicht mehr gespürt. Auch die Beine waren eiskalt, da ich selbst kurz ins Wasser fiel", sagt die Lebensretterin fast 13 Monate später. An der Jacke und am Arm kann sie die Frau halb aus dem Neckar ziehen. Sie ist schon stark unterkühlt, kann kaum noch sprechen. Bis die Polizei eintrifft, können es nur wenige Minuten sein, doch Lezniak kommt es vor wie eine Ewigkeit. Kurz darauf übernehmen die Profis von der DLRG den Fall.
Lezniak selbst übersteht ihren mutigen Einsatz unbeschadet. Bis auf ein paar kleine Hämatome und einen Riesenmuskelkater bleibt sie unverletzt. Hinterher ist sie zwar etwas erkältet. Viel mehr macht ihr aber zunächst die Ungewissheit zu schaffen, was aus der jungen Frau geworden ist. "Ich war seither nicht mehr an dieser Stelle am Neckar", sagt sie. Da sie nun aber weiß, dass alles gut ausgegangen ist, kann sie sich umso mehr über ihre Urkunde freuen.