Immer wieder kommt Ursula Hyder, die von den Weststädtern liebevoll „die Sperrmüllerin“ genannt wird, mit ihrer „Sozialstation“ in der Kaiserstraße in Konflikt mit dem Ordnungsamt. Dieses will ihr nun ihr Angebot untersagen. Aber Hyder will kämpfen. Foto: Rothe
Von Anica Edinger
Heidelberg. Die "Sperrmüllerin": Unter diesem Namen ist Ursula Hyder in der Weststadt und auch darüber hinaus bekannt. Seit nunmehr 25 Jahren bietet sie vor ihrem Haus in der Kaiserstraße 39 alte, gebrauchte Dinge, die noch verwertbar sind, zum Verschenken an. "Sozialstation" nennt Hyder das. Schließlich seien die Waren insbesondere für Bedürftige gedacht.
Doch die "Sozialstation" polarisiert zunehmend. Immer wieder beschweren sich Nachbarn und Anwohner, dass der gesamte Gehweg vollgestellt sei, dass Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen nicht mehr vorbeikämen. Die "Sozialstation" sei zu einer dauerhaften Sperrmüllablagerung verkommen, erklärten Anwohner gegenüber dem städtischen Ordnungsamt. Außerdem wurden zuletzt immer wieder Lebensmittel, auch abgelaufene, feilgeboten – was nachts auch schon mal Ratten anlockte.
Die „Sperrmüllerin“ Ursula Hyder. Foto: RotheDie Stadt hat sich die Beschwerden nun zu Herzen genommen – und greift durch. Per Unterlassungsverfügung wurde Ursula Hyder aufgefordert, ihren Tisch ein für alle mal abzuräumen. Denn: "Trotz einer Übereinkunft, in welcher Form und in welchem Umfang eine Duldung weiter bestehen könnte, gab es in den zurückliegenden Jahren vermehrt Situationen, in denen die Stadt darauf hinwirken musste, dass einigermaßen geordnete Zustände auf dem Gehweg herrschen und dass die Präsentation der Gegenstände in einem vertretbaren Rahmen bleibt", heißt es auf RNZ-Anfrage aus dem Ordnungsamt.
Insbesondere störte sich die Stadt aber am ausgelegten Essen, bei dem es sich "teilweise sogar um leicht verderbliche, kühlpflichtige Lebensmittel sowie um bereits abgelaufene und verdorbene Lebensmittel" gehandelt habe. Hyder sei seit 2018 mehrmals aufgefordert worden, diese Praxis zu beenden, "zeigte sich aber leider diesbezüglich uneinsichtig". Deshalb zog das Ordnungsamt jetzt die Notbremse – "zum Schutz möglicher Nutzer und zur nachhaltigen Eindämmung der unerlaubten Gehwegnutzung".
Allerdings: Hyder denkt nicht daran, ihren Tisch abzuräumen. Sie hat Widerspruch gegen die Unterlassungsverfügung eingelegt – "ich werde weitermachen", sagt sie auf RNZ-Anfrage. Die 80-Jährige ist sich sicher: "Es sind vielleicht zehn Leute, die sich beschweren, aber hunderte, die es weiter haben möchten."
Dazu zählt auch Hanshorst Thorspecken. Der Jurist will die Seniorin nun auch im Streit mit der Stadt beraten. Er sagt: "Es ist eine ganz große Härte vonseiten der Stadt für diese Dame, ihr das zu verbieten." Er selbst habe insbesondere in der Büchertonne, die Hyder ebenfalls aufgestellt hat, schon einige, wertvolle Schätze gefunden. Und er beobachte laut eigener Aussage immer wieder Menschen, die an der "Sozialstation" vorbeikommen und sich mit Freude bedienen. "Alle sind dankbar, dass es so etwas gibt", sagt Thorspecken. Er könne sich eigentlich nicht vorstellen, dass sich jemand an solch einem "sozialen Projekt", wie er es ausdrückt, stören könnte.
Thorspecken, der selbst in direkter Nachbarschaft zu Ursula Hyder lebt, gesteht aber auch ein: "Es war ein Fehler, die Lebensmittel auszulegen." Tatsächlich habe es auch eine Zeit gegeben, in welcher Hyders "Gabentisch" in der Kaiserstraße mal nicht so ordentlich gewesen sei. "Doch das war eine Ausnahme." In der Regel kümmere sich Hyder liebevoll um ihre Station vor ihrem Haus. "Fällt nur ein einziger Regentropfen, rennt sie raus und deckt alles fein säuberlich ab", berichtet er.
Auch Hyder beteuert, dass sie künftig keine Lebensmittel mehr auslegen würde – zumal sie dafür häufig gar nicht selbst verantwortlich sei. Schließlich kämen immer wieder auch Menschen vorbei, die eigenständig Dinge auf den "Gabentisch" legten – eben auch Lebensmittel. Mit einem entsprechenden Schild will sie das nun unterbinden.
Die Unterlassungsverfügung der Stadt habe sie schwer mitgenommen. "Ich hatte schlaflose Nächte, mir ging es richtig dreckig." Sie sei schon kurz davor gewesen, tatsächlich aufzugeben. Doch dann habe Thorspecken ihr seine Unterstützung und juristischen Rat zugesichert.