So sah es im Jahr 2018 bei der Maikundgebung vor dem Rathaus aus. Stattdessen verlegt der DGB seine Kundgebung zum „Tag der Arbeit“ ins Internet. Ein Aktionsbündnis mit elf Rednern unter 40 Teilnehmern will trotzdem protestieren. Foto: vaf
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Frühzeitig zog der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in der Corona-Krise die Notbremse und sagte alle traditionellen Mai-Kundgebungen in Deutschland ab. Doch genau in dem Moment als Mirko Geiger, DGB-Kreisvorsitzender und Erster Bevollmächtigter der IG Metall, am Telefon erklärte, warum der Gesundheitsschutz der Bevölkerung auch am "Tag der Arbeit" Vorrang habe und man aus diesen Gründen in Heidelberg auf Großkundgebungen verzichten sollte, flatterte bei der RNZ ein Aufruf zu einer alternativen Kundgebung am 1. Mai ins Haus.
Es ist ein Zusammenschluss aus einzelnen Gewerkschaftern, die am Freitag auf dem Marktplatz demonstrieren wollen. 40 Personen sind nach der Auflage der Stadt zugelassen, darunter sind mindestens elf Redner, die alle auf der Kundgebung sprechen wollen. Das Wort ergreifen unter anderen die beiden Stadträte Hilde Stolz (Bunte Linke) und Bernd Zieger (Die Linke), aber auch der ehemalige Haldex-Betriebsrat Martin Hornung und Pfarrerin Sigrid Zweygart-Pérez. Das Motto der Demo lautet "Für Arbeit, Umwelt und Frieden, Gesundheit und Freiheit. Der Mensch muss in den Mittelpunkt".
Mirko Geiger empfindet den Aufruf als "verantwortungslos". Er bedauert es zutiefst, dass nun "Einzelpersonen" die Situation ausnützen wollten. "Wir haben doch eine Verantwortung gegenüber den Menschen", so der DGB-Kreisvorsitzende, der Infektionsschutz habe Vorrang vor der Versammlungsfreiheit. "Ich sehe das aus dem gesundheitlichen Aspekt. Unsere Demokratie ist so stark, dass man die Einschränkung der Grundrechte ein paar Wochen verkraften und dann wieder zur Normalität zurückkehren kann." Geiger betont zudem, dass der DGB den "Tag der Arbeit" nicht ausfallen lasse. Im Gegenteil: Eine virtuelle Kundgebung werde im Internet übertragen, auch mit Beiträgen aus der Region.
Der Schwerpunkt dieser virtuellen DGB-Kundgebung liege auf der Corona-Krise, so Geiger: "Die Existenzängste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen im Fokus. Wir müssen gerade jetzt darauf achten, dass man ihre finanzielle Situation nicht aus dem Auge verliert." Zudem fordert der DGB, dass gerade die Menschen, die in den systemrelevanten Berufen im Gesundheitsbereich oder auch im Einzelhandel arbeiten, endlich auch die finanzielle Anerkennung erhalten, die sie verdienen.
Markiger klingen die Worte im Aufruf zur alternativen Demo, die um 15 Uhr am Marktplatz beginnt und laut Stadt nur eine Stunde dauern darf. "Der 1. Mai kann nur der Auftakt für größere, notwendige soziale, demokratische und umweltbedingte Auseinandersetzungen in der kapitalistischen Wirtschafts- und Finanzkrise sein, weil wir nicht wollen, dass die Krise auf dem Rücken der Bevölkerung abgeladen wird", heißt es darin.
Die Auflagen der Stadt sind streng: Alle Teilnehmer müssen zueinander 1,50 Meter Abstand halten und einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Der eigentliche Versammlungsort muss mit Band umzäunt werden, die Veranstalter müssen acht Ordner stellen. "Ich glaube, dass die Menschen so diszipliniert sind und weitergehen, wenn auf dem Marktplatz schon zu viel los ist", hofft Matz Müllerschön, einer der Organisatoren, der sonst auch bei den Heidelberger Montagsdemos immer dabei ist: "Wichtig ist, dass man auch in Pandemie-Zeiten seinen Protest und seinen Unwillen kundtun kann."
Mit der Mai-Kundgebung kritisiere man im Übrigen nicht den DGB, sondern die Bundesregierung, so Müllerschön: "Die hat versagt. Das sieht man schon daran, dass es für unsere Kolleginnen und Kollegen in den Gesundheitsberufen nicht ausreichend Mundschutz gab." Müllerschön möchte auch ein Zeichen setzen gegen die Demonstrationen von Rechtsextremen, Verschwörungstheoretikern und anderen, die es in den letzten beiden Wochen auf dem Uniplatz gegeben hat: "Wir dürfen den 1. Mai nicht dem rechten Lager überlassen."
Wenn die Demo-Teilnehmer sich nicht an den Sicherheitsabstand halten, könnte die Kundgebung aufgelöst werden. Die Stadt werde genau darauf achten, dass bei Demonstrationen die Auflagen eingehalten werden. Das hatte Oberbürgermeister Eckart Würzner schon am Montag in einer Pressekonferenz erklärt: "Wenn sich die Menschen nicht an die Beschränkungen halten, werden wir aktiv dagegen vorgehen."