Von Timo Teufert
Heidelberg. Bei wichtigen Bundesliga-Partien oder Champions League-Spielen waren die Heidelberger Bezirksbeiräte über die Zwischenstände immer gut informiert. Lieferte Hans-Joachim Schmidt als Sitzungsleiter mit einem Augenzwinkern zwischen den Tagesordnungspunkten doch immer einen zuverlässigen Ergebnisdienst. Künftig müssen die Bezirksbeiräte darauf verzichten, denn der passionierte Fußballer Schmidt ist Ende November in den Ruhestand gegangen.
Natürlich nicht, ohne sich vorher bei fast allen "seinen" Bezirksbeiräten persönlich zu verabschieden. Auf dem Emmertsgrund machte ihm der Sitzungskalender einen Strich durch die Rechnung. Für Schmidt allerdings kein Problem: Bei der Sitzung am kommenden Mittwoch wird er als Gast im Bürgerhaus dabei sein.
"Der überschäumende Dank und die vielen positiven Rückmeldungen waren einfach überwältigend", blickt Schmidt mit einem guten Gefühl auf seine Abschiedstour zurück. Seit 1998 betreut er zusammen mit seinem Team von den Sitzungsdiensten der Stadtverwaltung die 210 Mitglieder aus 15 Bezirksbeiräten.
Rund 700 Sitzungen hat Schmidt seither geleitet - souverän, fair und humorvoll. "Ich bin bekannt für meinen trockenen Humor, das ist hin und wieder ganz befreiend", sagt er selbst. Und die kleinen Lacher in der Sitzung setzte Schmidt oft ganz gezielt ein, folgte er doch stets dem Motto seines Vaters: "Wer lacht, der streitet nicht."
Seine Laufbahn bei der Stadt begann 1979. "Eigentlich wollte ich Sportlehrer werden, doch durch eine Verletzung ging das nicht", blickt er zurück. So besuchte er nach dem Abitur die Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl, wo er auch seine Frau Birgit kennenlernte. Zunächst war er für "klassische Verwaltungsarbeit" zuständig, beim Bauordnungsamt setzte er Anfang der 1980er Jahre die heute wieder einmal heftig umstrittene Werbeanlagensatzung um.
"Da war ich sogar im Fernsehen: Die Luftraumsteuer war in der SWR Landesschau das ,Ärgernis der Woche’", erinnert sich Schmidt. Zu Hause hat er noch einen Ordner mit besonderen Bürgerzuschriften, zum Beispiel von der Reinigung Ritter in der Unteren Straße. Der Brief war damals in Reimform verfasst und zeigt, dass nicht alle gegen die Eindämmung der Schilderflut waren. Schmidt kann zumindest den ersten Teil immer noch auswendig: "Alt Heidelberg Du Feine, Du Stadt an Schildern reich, verfügst das nun das meine, entfernet wird so gleich", heißt es darin.
Später war Schmidt für die Altstadtsanierung und die Stadterneuerung zuständig und sorgte für die Sozialplanung. "Einige 68er haben uns immer noch ein wenig als Klassenfeind gesehen, dabei waren viele unserer Klienten sehr dankbar, weil wir ihnen eine Wohnung mit modernem Komfort verschafft haben - zu damals günstigen Mietpreisen", erinnert sich Schmidt. Später war er in der Wohnbauförderung aktiv und arbeitete am ersten Heidelberger Mietspiegel mit.
Das sollte sich im Juli 1998 allerdings ändern, als er gut gelaunt und erholt aus dem Urlaub zurückkam. "Da hat man mir eröffnet, dass ich mich um die Bezirksbeiräte kümmern soll. Da bin ich innerlich in ein tiefes Loch gefallen", gibt Schmidt zu. Denn unter den Kollegen war dieser Job nicht sonderlich beliebt: "Man hatte nicht nur Abenddienst, man musste auch meist Prügel von den Bezirksbeiräten für die gesamte Stadtverwaltung einstecken."
Zunächst leiteten Bürgermeister und Stadträte die Sitzungen, später wurde ihm diese Aufgabe von der damaligen Oberbürgermeisterin Beate Weber übertragen. Schmidt entwickelte seinen ganz eigenen Stil: "Mir hat keiner reingeredet, ich durfte die Sitzungen so machen, wie ich wollte. Wenn jemand unfair die Verwaltung angeschossen hat, habe ich zurückgeschossen."
Und auch die Bürger waren für ihn - lange bevor die offiziellen Bürgerfragestunden zu Beginn jeder Bezirksbeiratssitzung eingeführt wurden - wichtiger Bestandteil der Sitzungen: "Mein Credo war immer: Wer im Publikum den Finger hebt, darf auch was sagen." Dafür habe er die Sitzungen gerne unterbrochen.
Die Zusammenarbeit mit den Bezirksbeiräten sei immer vertrauensvoll gewesen und habe sehr gut funktioniert. "Es hat mir immer gut gefallen, dass es Leute gibt, die aus vernünftigen Gründen für ihren Stadtteil kämpfen", blickt Schmidt zurück. So pflegte er auch immer einen engen Kontakt zu den Stadtteilvereinsvorsitzenden, obwohl diese in den Bezirksbeiräten früher gar nicht vertreten waren.
"Dabei wissen die Stadtteilvereine doch am besten, wie der Puls in ihrem Stadtteil gerade schlägt", sagt Schmidt. Dass die Vorsitzenden seit 2007 nun auch offiziell als beratende Mitglieder in den Bezirksbeiräten vertreten sind, sei enorm wichtig. "Das war klasse, dass Oberbürgermeister Eckart Würzner das gemacht hat."
Für die Sitzungen bereitete sich Schmidt immer akribisch vor, wusste oft schon vorher, welche kritischen Punkte am Ende unter "Verschiedenes" zur Aussprache kamen. Und hatte diese vorher - dabei kam ihm sein großes Netzwerk im Rathaus zu Gute - schon mit dem zuständigen Amt besprochen. Der bürokratische Dienstweg war deshalb meist nichts für ihn, er versuchte Probleme schnell und unkompliziert zu lösen. "Meine Aufgabe war, für den Bürger da zu sein", erklärt Schmidt sein Selbstverständnis.
So konnten die Bezirksbeiräte auch zwischen den Sitzungen Fragen schicken, die er dann an die entsprechenden Stellen weiterleitete. "Da kann man schon im Vorfeld viele Problemchen schnell zum Erliegen bringen. Und deshalb hat mich immer die Behauptung gestört, dass die Bezirksbeiräte nicht ernst genommen werden. Das stimmt einfach nicht." Er habe so für die Verwaltung manche Kohlen aus dem Feuer geholt. "Ohne die starke Unterstützung von den Kolleginnen und Kollegen aus den Ämtern wäre das aber nicht möglich gewesen."
Geholfen haben ihm in kritischen Situationen oft die Fähigkeiten, die er beim Fußballspielen gelernt habe: "Fairness und Anstand sind ganz wichtig für mich", erklärt Schmidt, der in Wieblingen aufgewachsen ist. Der Sport ziehe sich wie ein roter Faden durch sein Leben. "Wir waren eine Clique und haben auf alles getreten, auf das man treten konnte", erinnert sich Schmidt an die Anfänge im Fußball. Zwischenzeitlich spielte er bei den Alten Herren der DJK Neckarhausen, heute ist er zweiter Vorsitzender bei FC Germania 03 Friedrichsfeld. Selbst spielen oder trainieren war in den letzten Jahren aber nicht mehr drin: "Der Job hat einem viele Möglichkeiten genommen, am Abend etwas anderes zu machen." Auch besonders familienfreundlich waren die Arbeitszeiten nicht, tagt doch jeder Bezirksbeirat mindestens drei Mal im Jahr. "Ich hätte das nicht machen können, wenn meine Frau nicht mitgezogen hätte", sagt Schmidt. Schließlich habe auch die Zahl der Sondersitzungen zugenommen.
Zusammen mit den Söhnen Steffen und Tobias lebten die Schmidts lange in Friedrichsfeld, heute in Schwetzingen: "Meine Frau arbeitet in Mannheim, da haben wir einen Mittelpunkt gesucht." Im Gegensatz zu ihm muss seine Frau noch eineinhalb Jahre arbeiten. Schmidt soll deshalb jetzt den Haushalt schmeißen: "Im Urlaub haben wir schon mal den Proberuhestand geübt. Da habe ich ganz gut abgeschnitten", ist er überzeugt. Einer "Weiterverwendung im häuslichen Bereich" stehe also nichts im Wege, lacht der 65-Jährige.
Er freut sich darauf, dass er jetzt über seine Abende selbst verfügen kann und will mit seiner Frau öfter ins Theater, zu Kleinkunst- oder Kabarettvorstellungen gehen. Um sich dort auch Anregungen für das eigene Wirken zu holen, schließlich kann er nun auch regelmäßiger an den Proben seiner Theatergruppe teilnehmen. Sie führt in seinem Sportverein immer bei der Weihnachtsfeier ein Stück auf. In diesem Jahr muss Schmidt ermitteln, er schlüpft in die Rolle eines Hobbydetektivs. Und auch für sein anderes Hobby, das Lesen von Dokumentationen und Fachtiteln, hat er jetzt mehr Zeit: "Mich interessiert Geschichte. Mein Faible sind Burgen und Schlösser." Das lässt sich gut mit der Begeisterung der Familie für Frankreich kombinieren: "Meine Lieblingsschlösser stehen an der Loire", sagt Schmidt. Er habe zwar schon viel von Frankreich gesehen, "unsere Tour de France ist aber noch nicht ganz abgeschlossen", so Schmidt.
Und auch das Klavierspielen will er im Ruhestand wieder aufleben lassen: "Ich habe als Kind fünf Jahre lang Klavier spielen müssen und es seither vernachlässigt. Ich komme da aber wieder rein und ich will das auch." Ein Anfang ist gemacht: Am Montag, dem ersten Tag im Ruhestand, war der Klavierstimmer bei Schmidt.