Lesung in der Büchergilde: (v.l.) Bernhard Theis, Michael Mende, Annedore Großkinsky, Roswitha Born, Musiker Stefan „Steffi“ Müller und Nancy Neidig. Foto: Rothe
Von Sophia Stoye
Heidelberg. Detz, Dappschedel oder Deckel: Hier weiß jeder, was gemeint ist. Dass auch fern von der Kurpfalz jene Synonyme für den Kopf nicht in Vergessenheit geraten, dafür sorgt die diesjährige Ausgabe des RNZ-Heimatkalenders "Unser Land". Im Rahmen ihrer Lesereise machten fünf Autorinnen und Autoren auch in Heidelberg Halt – und brachten die Zuhörer in der Büchergilde nicht nur einmal zum Lachen. Peter Zimbers Serie "Jetzt werd kurpfälzisch gebabbelt", in der er von Kopf bis Fuß kurpfälzische Synonyme für die jeweiligen Körperteile aufzählt und deren Wortherkunft erklärt, erheiterte das Publikum besonders. "Wir sollten unseren Dialekt an die Nachwelt überliefern, die in ein paar Jahrzehnten vielleicht nur noch englisch, im besten Fall noch denglisch spricht", findet er. Und: "Die Schüler sprechen heutzutage nur noch hochdeutsch, eigentlich sollte man sie zweisprachig erziehen", so der Autor scherzhaft, bevor er einen Auszug aus dem Buch vorlas.
Zimbers Dialekt-Dolmetscher war nur einer von vielen Texten der über 90 Autoren, die sich am Heimatkalender beteiligten. So beschrieb Roswitha Born in ihrem Text "Alles wär‘ annerschder kumme" , wie es gewesen wäre, wenn der Dichter Hölderlin eine Wohnung in Heidelberg gefunden hätte und nicht nach Tübingen gegangen wäre, oder drückte in ihrer Ode "Dir, Ländlichschönste" ihre Liebe zu Heidelberg aus. Auch Bernhard Theis beschrieb die Schönheit dieser Stadt in seinem Gedicht "Über dem Neckartal". Und ob wir uns Kurpfälzer, Badener oder Badenser nennen dürfen oder woher der Sommertagszug seinen Ursprung hat, erklärte Michael Mende in "Der Sommertagszug und die Kurpfalz".
Aber nicht alle Texte sollten das Publikum zum Lachen bringen: Annedore Großkinsky dichtete über die Tragik der Sternkinder und appellierte in "Der Andere ist anders" für Offenheit und Toleranz. Außerdem erinnerten Kriegserlebnisse im Odenwald aus den Lebenserinnerungen von Hans Herkert oder Berichte aus Konzentrationslagern in und um Seckach daran, dass sich nicht nur in Dachau und Auschwitz, sondern auch hier in der Region grausame Ereignisse abgespielt haben. "Dass es in Neckargerach ein KZ gab, wissen die wenigsten", so Mende.
Er war es auch, der vor einem Jahr die Lesereise initiierte. Mosbach, Eberbach, Sinsheim und Bammental waren die ersten Stationen in diesem Jahr, Heidelberg war die letzte. Texte aus dem Neckartal, Odenwald oder Kraichgau wurden vorgelesen, musikalisch umrahmt vom Zwingenberger Bauunternehmer Stefan "Steffi" Müller, der sich nebenberuflich als Jazz-Saxofonist einen Namen gemacht hat. "Jeder kann teilnehmen, die meisten Autoren machen das als Hobby", so Mende, der seit drei Jahren Texte für den RNZ-Heimatkalender schreibt, aber eigentlich eine Software-Firma leitet. Nächstes Jahr will der Autor für die Sammlung regionaler Texte einen literarischen Arbeitskreis bilden, indem jeweils ein junger Autor einen älteren Menschen besucht und dessen Geschichte aufschreibt. Denn: "Wer erst einmal seine eigene Heimat versteht, der versteht auch die der anderen."