Bürgerentscheid Großer Ochsenkopf

Warum ein "Ja" ein "Nein" bedeutet und umgekehrt

Bürgerentscheid zur Verlagerung des Betriebshofes: Darum ist die Frage so kompliziert gestellt

02.07.2019 UPDATE: 03.07.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden

Auf dieser Grünfläche westlich des Hauptbahnhofs sollte der neue Betriebshof entstehen. Foto: Philipp Rothe

Von Timo Teufert

Heidelberg. Es scheint nicht ganz einfach zu sein, auf die Frage des Bürgerentscheids am 21. Juli - "Sind Sie dafür, dass die Grünfläche Großer Ochsenkopf erhalten bleibt und dort kein Betriebshof gebaut wird?" - richtig zu antworten: Unzählige Leser beklagten sich in den letzten Tagen über die komplizierte Formulierung auf den Stimmzetteln und auch die CDU-Gemeinderatsfraktion ist in einer Pressemitteilung am gestrigen Dienstag ins Schlingern geraten: "Dafür setzen wir uns ein und hoffen auf eine Mehrheit der Ja-Stimmen beim Bürgerentscheid, für eine Verlegung auf das Ochsenkopf-Gelände", wird darin Stadtrat Werner Pfisterer zitiert.

>>> Mehr zum Thema Betriebshof-Verlagerung an den Ochsenkopf: www.rnz.de/ochsenkopf <<<

Dabei hoffen Pfisterer und seine Fraktionskollegen auf möglichst viele "Nein"- Stimmen. Denn wer sein Kreuz auf dem Stimmzettel bei "Nein" macht, ist für die Verlagerung des Straßenbahn- und Busdepots auf den Ochsenkopf. Wer hingegen mit "Ja" stimmt, ist für den Erhalt der Ochsenkopfwiese und gegen die Verlagerung des Betriebshofs. Auch Oberbürgermeister Eckart Würzner sagt: "Ich muss immer zweimal nachdenken, was jetzt ein ,Ja‘ und was ein ,Nein‘ bedeutet."

Doch wie kam es eigentlich zu dieser Fragestellung? Auf den Unterschriftenlisten hatte das Bündnis Klimaschutz eine leicht abweichende Frage gestellt. Dort hieß es: "Sind Sie dafür, dass auf den gegenwärtig als Grünflächen genutzten Bereichen des Großen Ochsenkopfes kein RNV-Betriebshof gebaut wird?" Für den Bürgerentscheid bearbeitete die Stadt offenbar die Frage redaktionell, verweist nun aber auf die Antragsteller: "Für die Fragestellung eines Bürgerentscheids sind einzig und allein die Initiatoren des Entscheids verantwortlich", so ein Stadtsprecher.

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Hintergrund

Wer keine Zeitung liest und sich auch sonst wenig um Kommunalpolitik kümmert, dürfte sich dieser Tage wundern. Denn allen Heidelbergern über 16 Jahren flattern gerade Briefe ins Haus, auf denen am oberen Rand steht: "Wahlbenachrichtigung für den Bürgerentscheid am

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Wer keine Zeitung liest und sich auch sonst wenig um Kommunalpolitik kümmert, dürfte sich dieser Tage wundern. Denn allen Heidelbergern über 16 Jahren flattern gerade Briefe ins Haus, auf denen am oberen Rand steht: "Wahlbenachrichtigung für den Bürgerentscheid am 21.07.2019". Worum es da geht - nämlich um den Bürgerentscheid zur Verlagerung des RNV-Betriebshofs auf die Ochsenkopfwiese -, wird nirgends erklärt.

Warum wird das Thema nicht genannt? Ein Stadtsprecher erklärt auf RNZ-Nachfrage, dass die Wahlbenachrichtigung - wie bei jeder Wahl - "der Information über das bestehende Wahlrecht, die Nennung des Wahllokals und der Wahlzeit" diene. Das amtliche Dokument basiere auf einer Vorlage des Rechenzentrums der Kommunen in Baden-Württemberg. Nur am oberen Rand der Seite könne etwas Spezifisches eingetragen werden - da also, wo jetzt nur neutral vom "Bürgerentscheid" die Rede ist. "Dort ist Platz für 120 Zeichen", sagt der Sprecher. Die offizielle Fragestellung des Bürgerentscheids ("Sind Sie dafür, dass die Grünfläche Großer Ochsenkopf erhalten bleibt und dort kein Betriebshof gebaut wird?") sei dafür zu lang gewesen.

Mit dieser Minimal-Lösung will die Stadt Rechtssicherheit herstellen. Der Stadtsprecher erklärt: "Jede Kürzung oder redaktionelle Bearbeitung der offiziellen Fragestellung oder auch nur die Nennung von Stichwörtern wurde von der Wahldienststelle als rechtlich problematisch eingestuft, da sie die Gefahr einer Wahlanfechtung bedeutet hätten."

Die Benachrichtigung erfülle alle rechtlichen Anforderungen. Die nach der baden-württembergischen Gemeindeordnung ebenfalls rechtlich notwendige inhaltliche Information über den Bürgerentscheid sei dagegen in der Stadtblatt-Ausgabe am 26. Juni veröffentlicht worden. (rie)

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"Wir sind selbst nicht sehr glücklich mit der Fragestellung", gibt Rainer Zawatzky vom Bündnis für den Bürgerentscheid Klimaschutz zu. Viele Heidelberger würden ihn und seine Mitstreiter darauf ansprechen. Den Initiatoren des Bürgerbegehrens war wichtig, in der ursprünglichen Frage den Erhalt der Grünfläche genauso unterzubringen wie den eigentlich Zweck: Denn der Bürgerentscheid richtet sich gegen den vom Gemeinderat am 20. Dezember gefassten Verlagerungsbeschluss.

Immer wieder kommt auch die Frage auf, warum das Bündnis keinen alternativen Standort in der Frage untergebracht hat: Eine solche verknüpfte Frage sei schwierig, weil sie manche Wähler in eine Zwickmühle bringe: "Wenn wir vorgeschlagen hätten, den Betriebshof am bisherigen Standort zu belassen, hätten die Grünen nicht zustimmen können", so Zawatzky. Denn die Grünen sind sowohl gegen eine Bebauung des Großen Ochsenkopfs als auch gegen den Verbleib an der Bergheimer Straße. "Es ist Aufgabe des Gemeinderates, einen neuen Standort zu finden, sollte der Bürgerentscheid erfolgreich sein", ist Zawatzky überzeugt.

"Ich habe keine Idee, wie man die Frage noch einfacher hätte formulieren können, die Fragestellung ist vollkommen in Ordnung", findet hingegen Edgar Wunder, Landesvorsitzender des Vereins "Mehr Demokratie" und 2008 im Koordinationsteam für den Bürgerentscheid Emmertsgrund aktiv. Er weiß: "Es gibt einschränkende Bedingungen für die Fragestellung, sonst kann es sein, dass der Bürgerentscheid unzulässig ist." Die Frage müsse immer so gestellt sein, dass man bei einem "Ja" im Sinne der Bürgerinitiative stimme. Denn bei Stimmengleichheit siegt das ,Nein’ und die Verlagerungsgegner wären bei einer solch formulierten Frage im Vorteil. Auch im Gemeinderat müssten Anträge immer positiv formuliert werden.

"Die Bürgerinitiative war deshalb gezwungen, die Frage so zu formulieren", verteidigt Wunder das Bündnis. Außerdem würden Formulierungen mit "und" alles nur umständlicher machen: "Verknüpfungen wären rechtlich möglich gewesen, aber dann wäre es viel zu kompliziert, einen Kostendeckungsvorschlag - der gesetzlich zwingend gefordert wird - zu formulieren." Auch aus rechtlichen Gründen sei das Vorgehen des Bündnisses richtig: "Wenn eine Teilfrage fehlerhaft gewesen wäre, wäre alles ungültig gewesen."

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