Von Denis Schnur
Heidelberg. Wohin mit dem Ankunftszentrum für Geflüchtete? Die Heidelberger Grünen-Abgeordnete Theresia Bauer will sich im RNZ-Interview noch nicht festlegen, dafür seien zu viele Fragen offen. Während die Ministerin ihre Zweifel an den Wolfsgärten bekräftigt, schließt sie Patrick-Henry-Village als Kompromiss nicht aus.
Frau Bauer, als Heidelbergerin dürfen Sie beim Bürgerentscheid am 11. April auch über die Zukunft des Ankunftszentrums abstimmen. Was werden Sie ankreuzen?
In der Tat kann ich mich noch nicht festlegen, denn zum jetzigen Zeitpunkt sind zu viele Fragen ungeklärt. Aber es sind ja noch drei Monate. Ich hoffe sehr, dass die Zeit genutzt wird, um möglichst viel Licht ins Dunkel zu bringen, sodass die Bürger eine qualifizierte Entscheidung treffen können. Jetzt müssen sie für meinen Geschmack noch zu viel spekulieren.
Was müsste denn geklärt werden, damit Sie eine Entscheidung treffen können?
Die wichtigste Frage ist: Kann das Ankunftszentrum mit Verfahrensstraße und Platz für 2000 Menschen wirklich in den Wolfsgärten eingerichtet werden – mit den hohen Standards bei der Ausstattung, die wir haben, und angepasst an die Infektionsbedingungen? Dazu weiß man bislang nichts Verlässliches. Mein bisheriger Eindruck ist, dass die Wolfsgärten maximal Teil einer größeren Lösung sein können.
Aber laut Würzner ist sogar Ihr Ministerpräsident von der Lösung überzeugt?
Dass der Ministerpräsident sich zu den Wolfsgärten positioniert hat, davon habe ich nie etwas gehört. Aber er ist wie ich überzeugt, dass das Land ein gutes Ankunftszentrum braucht. Und wir wollen beide dafür eine dauerhafte Lösung. Bei der Frage, ob die Wolfsgärten geeignet sind, lässt sich der Ministerpräsident von Fakten überzeugen – und die liegen weder ihm noch mir derzeit vor.
Das klingt bei der Stadt anders.
Es gibt bisher nur eine grobe Machbarkeitsanalyse, die sagt, das Zentrum sei in den Wolfsgärten realisierbar. Um das sicher sagen zu können, fehlt jedoch ein verbindliches Raumprogramm, das zeigt, ob der Platz tatsächlich taugt. Erst auf dieser Basis können belastbare Aussagen gemacht werden. Ich habe in den letzten Monaten viele Gespräche geführt, um das zu forcieren. Und ich bin auf bemerkenswerte Widersprüche gestoßen, zwischen dem, was in Heidelberg an Informationen ankommt, und dem, was in der Region und im Land kommuniziert wird.
Zum Beispiel?
Der Innenminister hat im September an unseren Abgeordneten Daniel Lede Abal geschrieben: "Ob und wie sich eine Verlagerung des Ankunftszentrums in die Wolfsgärten baulich und tatsächlich wirtschaftlich für das Land realisieren lässt, ist eine Frage, die im nun anlaufenden Planungsprozess geklärt werden muss." Genau das ist aber immer noch nicht passiert – noch nicht einmal der erste Schritt, das verbindliche Raumprogramm, liegt vor.
Aber zwei Monate später hat der Amtschef des Innenministeriums betont, die Wolfsgärten wären geeignet.
Ich verstehe das als eine Willensbekundung. Der Innenminister will das ermöglichen. Das ist ja auch keine schlechte Haltung. Aber das Wollen allein reicht nicht. Der Planungsprozess kommt viel zu langsam voran, um derzeit eine belastbare Aussage zu treffen. Auch das Innenministerium kann das auf der derzeitigen Grundlage nicht. Deshalb ist es so wichtig, Gas zu geben, um zu wissen, ob die Wolfsgärten wirklich eine Lösung sein können – oder zumindest Teil einer regionalen Lösung. Denn eine Illusion, der man zu lange nachhängt, hilft niemandem. Sie schadet sogar, weil wir wichtige Zeit verlieren.
Die regionale Lösung mit den Wolfsgärten als Kern hatte das Innenministerium gegenüber der RNZ im November erstmals angesprochen. War die schon Thema im Kabinett?
Nein und auch noch nicht im entsprechenden Ausschuss. Die Abgeordneten wunderten sich, als sie davon aus der Zeitung erfahren haben. Ich bin nicht per se gegen diesen Vorschlag. Er ist wert, geprüft zu werden. Das ist aber nicht Stand der Dinge: Es ist noch nicht mal diskutiert, inwiefern das Ankunftszentrum regional organisierbar wäre. Genau das müssen wir jedoch in jedem Fall wissen. Denn auch wenn das Ankunftszentrum an den Rand von PHV verlagert würde, ginge es ja um eine deutlich kleinere Fläche, als es heute braucht. Einen solchen Kompromiss würde ich gar nicht ausschließen wollen. Aber es muss geklärt sein, ob eine regionale Ergänzung überhaupt machbar ist und wie viel Platz Verfahrensstraße plus Unterkunft benötigen.
Im März wird der Landtag neu gewählt. Wären all die Pläne nicht hinfällig, wenn ein neuer Innenminister im Amt wäre?
Ich glaube, der Konsens zwischen Grünen, CDU und SPD ist relativ groß: Wir wollen für das vorbildliche Ankunftszentrum des Landes eine Dauerlösung. Und wir stehen zu der Zusage, dass Heidelberg PHV als lebenswerten Stadtteil entwickeln können soll. Wir müssen deshalb alle daran interessiert sein, so schnell wie möglich eine tragfähige Lösung zu finden. Da kann ich keinen Dissens erkennen. Das Problem ist ein anderes: Die Klärung der offenen Fragen muss beschleunigt werden. Denn die Langsamkeit bedroht die Entwicklung von PHV.
Aber die einzige schnelle Lösung wäre, wenn eine Mehrheit der Heidelberger für die Wolfsgärten stimmt und die sich als machbarer Standort erweisen.
Wichtiger als die Mehrheit ist die Machbarkeit. Erst, wenn die gesichert ist, kann man anfangen, dafür zu werben. Und dafür brauchen wir Schwarz auf Weiß: Lässt sich die vorbildliche Qualität des aktuellen Zentrums auf acht Hektar eindampfen? Und wenn nein: Wie sieht eine regionale Lösung genau aus?
Weil die Grünen im Gemeinderat gegen die Zusammenlegung des Entscheids mit der Landtagswahl gestimmt haben, bleibt dafür mehr Zeit. Aber zu einer höheren Beteiligung führt das wohl nicht.
Dafür, dass Bürgerbegehren funktionieren, gibt es zwei Bedingungen: Sie brauchen die nötige Aufmerksamkeit und angemessene Termine. Aber ebenso brauchen sie eine gute Faktenbasis. In dem Fall ließ sich nicht beides unter einen Hut bringen, sodass ich durchaus verstehen kann, dass die Gemeinderäte das spätere Datum gewählt haben. Und: Gemeinsam mit den Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens hat die Grüne Fraktion ja versucht, die Entscheidung auf den Termin der Bundestagswahl zu legen, um maximale Mobilisierung und mehr belastbare Fakten zusammenzubringen.
Aber einige Grünen-Stadträte haben durchblicken lassen, dass da auch die Sorge mitschwingt, ein gemeinsamer Termin könnte bei der Wahl schaden.
Davon halte ich nichts. Grundsätzlich sind Wahltage geeignet, um Bürgerentscheide durchzuführen. Aber nicht zu dem Preis, die Menschen ohne qualifizierte Faktenbasis in die Abstimmung zu schicken. Wenn Sie mir erlauben, den Vergleich zum Brexit zu ziehen: Auch da fand ja eine Abstimmung statt, zu einem Zeitpunkt, als die Menschen offenkundig nicht wussten, was für Konsequenzen das haben würde.
Bei dem Datum sind Sie sich einig mit OB Würzner. Ansonsten hat es zwischen Ihnen in den vergangenen Wochen geknirscht. Im RNZ-Interview hat er Ihre Aussagen als "schräg" bezeichnet.
Ehrlich gesagt habe ich nicht verstanden, was er für ein Problem mit mir hat. Das Ziel, PHV als lebenswerten Stadtteil zu entwickeln, teilen wir. Das Ziel, ein vorbildliches Ankunftszentrum als Dauerlösung außerhalb von PHV zu etablieren, auch. Was ich in den vergangenen Monaten gesagt und getan habe, dient dem Ziel, die Klärung offener Fragen voranzubringen. Das muss doch auch in seinem Interesse sein.