Von Jonas Labrenz
Heidelberg. War es nur eine flüchtige Begegnung oder schon ein Rechtsbruch? Als die Landesregierung am 22. März erstmals verboten hatte, sich im öffentlichen Raum gemeinsam mit mehr als einer anderen Person aufzuhalten, mussten sich viele plötzlich dieser Frage stellen. Das öffentliche Leben veränderte sich binnen weniger Tage radikal. Eine Corona-Verordnung jagte die nächste, Schulen und Kindergärten wurden geschlossen, ebenso Geschäfte, Bars und Clubs. Aber auch die privaten Kontakte der Menschen wurden stark reglementiert.
Diese einmalige Rechtssituation kommt nun auch am Heidelberger Amtsgericht an, wo am heutigen Donnerstag der erste Prozess wegen Verstoßes gegen die Corona-Verordnung stattfand. Ein 28-Jähriger hatte gegen zwei Bußgeldbescheide Einspruch eingelegt. Am 15. April soll er – unterwegs mit einem Freund – an einer Treppe im Emmertsgrund einen dritten Mann getroffen haben. Polizisten kontrollierten die drei und stellten die Personalien fest. Knapp zwei Stunden später sollen die beiden Männer an einer Tankstelle gestanden haben – dieses Mal mit zwei anderen Personen. Dem 28-Jährigen wurde deshalb Vorsatz unterstellt und sein Bußgeld verdoppelt. Insgesamt 750 Euro sollte er deshalb zahlen. Abzüglich der Miete hat er allerdings nur ein Einkommen von 420 Euro im Monat.
Sein Mandant bestreite beide Vorwürfe, erklärte Rechtsanwalt Constantin Schiffer. Bei der Treppe habe sein Mandant mit seinem Freund oben gestanden, der andere Mann auf einem Plateau, etwa acht Stufen unterhalb der beiden – also mit einem Abstand von etwa vier Metern. "Wir sind nur vorbeigelaufen und haben Hallo gesagt", betonte der 28-Jährige. Und auch zur Tankstelle sei man nicht gegangen, um sich dort mit anderen zu treffen: "Es war um diese Zeit die einzige Möglichkeit, um einkaufen zu gehen", so Schiffer. Dort sei man auch auf Bekannte gestoßen: "Wir haben Abstand gehalten. Jeder der beiden stand bei seinem Auto, wir waren zu Fuß unterwegs. Wir haben Hallo gesagt und sind dann los", so der junge Mann.
Einer der Polizisten war als Zeuge geladen. Er konnte sich nicht mehr konkret an die Situationen erinnern: "Ich weiß es nicht mehr genau." An der Treppe habe einer der drei Männer "relativ weit unten" gestanden, zwei seien oben gewesen. Auch bei der Tankstelle konnte der Polizist die Situation nicht mehr richtig erinnern. Es sei "im Eck von der Tankstelle" gewesen, wo zwei Autos geparkt gewesen seien. Eines sei losgefahren und später kontrolliert worden. Wie weit sie voneinander weg gewesen waren, wusste er aber nicht mehr. Vom Vorbeifahren bis zur Kontrolle – also vielleicht zwei Minuten – hätten sie dort aber gestanden. "In der Zeit war einfach sehr viel los", erklärte der Polizist.
Was also waren überhaupt die Kriterien, um jemanden einer Kontrolle zu unterziehen, wollte Richterin Silke Krohe von dem Polizisten wissen. Man habe die Leute kontrolliert, "die eher zusammen stehen und sich unterhalten", so der Polizist, "also etwa in einem Zwei-Meter-Radius." Aber: "Wenn man sich kurz trifft, zwei, drei Worte wechselt, dann ist das in Ordnung." Eine feste Regel gab es offenbar nicht: "Es ist alles situationsabhängig", erklärte er.
Der zweite Polizist war nicht als Zeuge im Gerichtssaal, weil er gerade im Urlaub ist. Richterin Krohe wollte bei der unsicheren Beweislage allerdings nicht auf ihn verzichten und vertagte die Verhandlung – und die nächste gleich mit: Der Freund des 28-Jährigen, der am 15. April mit ihm zusammen unterwegs war, hat ebenfalls Einspruch gegen seine Bußgeldbescheide eingelegt.