Über die Chancen der Ökumene diskutierten (v.l.) Lothar Bauerochse, Tobias Licht, Wolfgang Erichson, Martina Reister-Ulrichs, Damaris Hecker und Albrecht Haizmann. Foto: Joe
Von Daniela Biehl
Heidelberg. Am Ende des Vortrags fallen Sätze, die eindrücklicher nicht sein könnten: "Die Zukunft der Kirche ist ökumenisch oder sie hat keine", sagt Albrecht Haizmann von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) Baden-Württemberg. Und: "Wir haben Erfahrung mit versöhnter Verschiedenheit. Das ist eine Ressource, die gebraucht wird. In Begegnung mit Religionen, Kulturen, Nationen." Haizmann ist ins "Haus der Begegnung" gekommen, um das 40-jährige Jubiläum der hiesigen ACK mit einem Impulsvortrag einzuleiten. Thema: "Die Ökumene als Zukunft der Kirchen."
Eine Herausforderung liegt vor allem in der Praxis. Das wird bei der anschließenden, von Lothar Bauerochse moderierten, Podiumsdiskussion deutlich, als Damaris Hecker (Evangelisch-methodistische Kirche) mit gemischten Gefühlen von der Ökumene spricht. "Gerade die kleineren Kirchen fühlen sich oft übergangen", sagt sie. In der Öffentlichkeit und in einzelnen Projekten würden meist nur die beiden Großkirchen mit einbezogen.
Und tatsächlich, die Beispiele, die an diesem Abend für Ökumene genannt werden, sind katholisch-evangelische Projekte. Mehr noch: "Es hat in den letzten Jahren bei vielen Kirchen eine Rückbesinnung auf eigene konfessionelle Profile gegeben", sagt der katholische Theologe Tobias Licht. "Das ist nicht wirklich gemeinschaftsfördernd." Er meint: "Wir brauchen wieder einen liebevollen Blick füreinander."
Wenn er an die Zukunft der Ökumene denkt, spricht er von theologischen Fragen, von nicht gelösten Dialogen. "Ich denke, es ist theologisch viel mehr möglich. Wir könnten als Kirchen so viel näher zusammenkommen, wenn alle Seiten bereit wären, Eigenes in Frage zu stellen." Man habe es in letzter Zeit nicht einmal geschafft, eine eigene ökumenische Bibel herauszugeben. "Ganz zu schweigen von den großen Themen, etwa: Wie steht die Ökumene zur Theodizee-Frage?"- also zur Frage, wie ein allmächtiger und allgütiger Gott so viel Leid auf Erden zulassen kann.
Am deutlichsten aber wird Bürgermeister Wolfgang Erichson, als er das Thema Islam streift. "Ich finde, diese Gesellschaft muss sich die Frage stellen, wie wir in den Dialog gehen mit jenen, die zu uns gekommen sind, die hier geboren sind, die Muslime sind. Das Schlimmste wäre dann, wenn man sich im interreligiösen Dialog als christliche Kirchen schon nicht einig wäre." Für Erichson ist klar: Es brauche die Ökumene, um sich der Herausforderung Islam überhaupt stellen zu können. Gerade deshalb vermisse er - bei der jetzigen Stimmung im Land - die Stimme der Kirchen so sehr. "Ich habe nichts von den Kirchen gehört. Und das ist traurig."
Im Publikum immerhin - und es ist voll an diesem Abend im "Haus der Begegnung" - erntet Erichson für seine ehrlichen Worte eine Menge Beifall. Er hat mit dem interreligiösen Dialog auch seine Erfahrungen gemacht. 2008 hat er ihn ins Leben gerufen, ganz bewusst als Stadt, wie er sagt. "Damit sich alle, Christen, Muslime, Juden auf Augenhöhe begegnen können." Auch Haizmann hält den interreligiösen Dialog für wichtig: "Die Frage ist nur, ob wir uns als Christen nicht neu formieren müssen. Ob wir nicht so etwas wie einen Rat der Christen gründen müssten, um den Muslimen als Einheit entgegenzutreten."
Einig war man sich an diesem Abend vor allem in einem Punkt: Ökumene muss gelebt werden. "Ganz praktisch und ganz lokal", sagt Martina Reister-Ulrichs, stellvertretende evangelische Dekanin. Gemacht habe man das immer schon, in Gottesdiensten, mit Projekten. Und letztes Jahr habe man als ACK eine gemeinsame Verpflichtung unterschrieben. Darin setzten sich etwa - neben den beiden Großkirchen, der Römisch-Katholischen und Evangelischen Landeskirche, auch die Evangelisch-freikirchliche Gemeinde, die Altkatholische Kirche, die Karlstor-Gemeinde, die Evangelisch-lutherische Kirche, die Evangelisch-methodistische Kirche, die Englische Kirche, die Griechisch-orthodoxe Kirche und Neuapostolische Kirche - für ein gemeinsames Auftreten gegenüber Schulen, Parteien und der Kommune ein.