Von Birgit Sommer
"Warm anziehen" heißt es beim Ökumenischen Familiengottesdienst an Heiligabend um 16 Uhr in der katholischen Kirche St. Michael in der Südstadt. Die Heizung des großen Kirchenraums ist seit einigen Wochen ausgefallen; für die Gottesdienste und Andachten jeden zweiten Samstagabend wurde inzwischen die Kapelle mit Dämmvorhang und Elektroheizung hergerichtet, eine Investition von 7000 Euro.
Die evangelische Markusgemeinde und die katholische Gemeinde Philipp Neri brauchen für ihren Familiengottesdienst am 24. Dezember mit Krippenspiel und Kinderchor allerdings den großen Raum, der Platz für 600 Zuhörer und Zuschauer hat. "Wir bieten Kinderpunsch an und tun unser Bestes, die Kirche mit Heizlüftern etwas wärmer zu bekommen", sagt die katholische Pastoralreferentin Monika Attipoe. Sie empfiehlt den Gottesdienstbesuchern dicke Jacken, warme Schuhe, Decken und Wärmflaschen. Man will jedenfalls das Beste aus der Situation machen. "Wenn wir jetzt enger zusammenrücken müssen, spüren wir vielleicht ganz besonders, wie die Geburt Jesu Christi uns alle verbindet", meint auch die evangelische Pfarrerin Sabine Hannak.
Weil die Brennkammer defekt sei, könne die mit Öl betriebene Luftheizung nicht mehr angeschaltet werden; man fürchte, dass Schadstoffe in den Kirchenraum geführt würden, erklärte Dr. Werner Wolf-Holzäpfel, der Leiter des Erzbischöflichen Bauamtes in Heidelberg, auf RNZ-Anfrage. Der Einbau einer neuen Fernheizung für über 100.000 Euro sei in den Wintermonaten nicht mehr möglich. Denn der müsse erst geplant und dann von den Gremien bis hin zum Erzbistum genehmigt werden.
Gasheizpilze in die Kirche zu stellen, wie von Gottesdienstbesuchern schon vorgeschlagen wurde, verbietet sich laut Wolf-Holzäpfel. Wenn Wände und Decken kalt sind, entsteht Tauwasser; Wände, Orgel und Kunstwerke werden feucht und beginnen zu schimmeln. "Das verträgt die Ausstattung nicht", sagt der Experte.
Die Heizung fiel aber auch deshalb zur Unzeit aus, weil man sich über die künftige Nutzung der Kirche noch nicht einig ist. Die katholischen Südstädter - im Jahr 2003 waren es 1400, jetzt sind es noch 1000 - füllen den Raum beim Gottesdienst längst nicht mehr. Schon wegen des Priestermangels findet in St. Michael nur alle 14 Tage ein Gottesdienst statt, den vielleicht 40 Gläubige besuchen. Die nächste katholische Kirche, St. Johannes in Rohrbach, liegt nur 800 Meter entfernt. Stiftungsrat und Pfarrgemeinderat der katholischen Stadtkirche müssen nun beschließen, wie es weitergehen soll. Bringen die Koversionsflächen möglicherweise mehr Katholiken in die Südstadt? Und gehen die dann überhaupt in die Kirche?
Ehe in die Heizanlage investiert wird, muss die Stadtkirche überlegen, wie sie die Räume künftig nutzen will. Das Gotteshaus diente viele Jahre lang auch der evangelischen Markusgemeinde. Ist die Ökumene die Zukunft? Oder soll man in das denkmalgeschützte Gebäude aus dem Jahr 1962 einen Gemeindesaal einbauen? Das geht, sagt der Bauamtschef, denn entsprechend dem baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz haben die Bedürfnisse religiöser Art Vorrang vor dem Denkmalschutz. Wieblingen wäre dafür ein Beispiel, wo der Kirchenraum aus dem Jahr 1956 verkleinert und ein Gemeindesaal sowie zwei Gruppenräume eingebaut werden sollen. Das katholische Gemeindehaus dort könnte dann abgebrochen werden. Die Finanzierung des Wieblinger Kirchenumbaus, so Wolf-Holzäpfel, ist allerdings noch nicht genehmigt.
Als St. Michael samt seinem getrennt stehenden Glockenturm zu Beginn der 1960er Jahre errichtet wurde, war der Entwurf der Zukunft weit voraus. Architekt Manfred Schmitt-Fiebig vom Erzbischöflichen Bauamt nahm die Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils (1962-1965) vorweg: Auf einem quadratischen Grundriss ordnen sich die Bankreihen fast halbkreisförmig um die Altarinsel. Der Priester zelebriert die Messe mit Blick zur Gemeinde. "Typus bildend" nennt der Denkmalschutz solche Vorreiterbauten, die wegen ihrer historischen Bedeutung besonders geschützt sind. Auch Auswahl, Materialien und Farben des Innenraumes wurden vom Erzbischöflichen Bauamt immer hervorgehoben. Namhafte Künstler, so heißt es in der Kirchenbeschreibung, gestalteten damals die Fenster, die Betonreliefs, Schmiedegitter sowie Figuren, Hängekreuz und Altargerät.