Künstlerin Vera Bonsen hat die Wand der Stolpersteine im Foyer der Jüdischen Kultusgemeinde gestaltet. Sie erinnert auch an von Nazis deportierte Juden. Foto: Philipp Rothe
Von Arndt Krödel
Heidelberg. Es kann einem immer noch passieren, dass man beim Gang durch Heidelbergs Straßen vor einem Haus unvermutet auf sie trifft: in das Trottoir eingelassene "Stolpersteine", die auf ihrer Messingoberfläche die Namen von jüdischen Mitbürgern tragen, die früher hier lebten und in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, vertrieben, ermordet oder deportiert wurden. Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat die würfelförmigen Steine seit 1996 als permanente Erinnerung an die Opfer persönlich verlegt, inzwischen bereits in sieben Aktionen. Eine völlig neue Sicht auf die Stolpersteine und damit auch eine neue Form der Erinnerung eröffnet jetzt ein von der Heidelberger Künstlerin Vera Bonsen geschaffenes Mahnmal, das im Foyer der Jüdischen Synagoge in der Weststadt installiert und in einer Feierstunde der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Die "Stolpersteinwand", 1,30 Meter breit und 2,60 Meter hoch, enthält die Fotografien von 150 in Heidelberg verlegten Gedenksteinen, dicht neben- und untereinander angeordnet und von einem metallenen Rahmen umfasst. Dass es sehr viel mehr jüdische Opfer gegeben hat, versinnbildlicht eine am Boden des vertikalen Frieses angebrachte kleine Spiegelfläche, auf der sich die Namenszeugnisse ins Unendliche vervielfältigen. Die Künstlerin hat die Oberfläche der Steine geputzt, einzeln abfotografiert, die Aufnahmen auf Platten aufgezogen und zu einem Fries montiert. Dieser schimmert eindrücklich in gelben, rötlichen, braunen und grauen Farben und enthält in der Mitte neben einer stilisierten Kerze vier größere Tafeln, die in Hebräisch, Russisch, Deutsch und Englisch eine Erklärung der Installation geben.
Vera Bonsen, die nach zahlreichen Engagements als Bühnen- und Kostümbildnerin an europäischen Theatern heute als freischaffende Künstlerin in Heidelberg lebt, hat das Demnigsche Konzept der Stolpersteine gewissermaßen transformiert und von der Horizontalen in die Vertikale gebracht: Geht man als Passant vielleicht eher achtlos über die Steine, steht man jetzt direkt vor der konzentrierten Zahl der Namen, liest etwas über das Schicksal der dahinterstehenden Menschen, überwiegend jüdische Mitbürger, aber auch Zeugen Jehovas, Homosexuelle, Widerstandskämpfer und russische Zwangsarbeiter aus der Fuchs’schen Waggonfabrik.
Die Vorgeschichte des Mahnmals erwähnte Dr. Vadim Galperin, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg, in seiner Begrüßungsansprache. Ein Mitglied der Gemeinde hatte im "Kunst-Schaufenster" eines Copy Shops in der Weststadt eine erste, einfache Version der Stolpersteinwand gesehen, die Vera Bonsen mit Fotokopien, die auf Pappe geklebt waren, entwickelt hatte. Dadurch kam der Kontakt zur Künstlerin zustande. Für Rabbiner Janusz Pawelczyk-Kissin ist mit der Gedächtnis-Wand "die Verbindung zu unserer alten Gemeinde, unseren Vorgängern, hergestellt". Dass die Gemeinde anfangs von der Idee der Stolpersteine nicht begeistert war, sei "kein Geheimnis". Er selbst habe sich aber allmählich zu einem Freund dieses Konzepts entwickelt, das mit dem Objekt der Künstlerin eine Ergänzung erhalten habe.
Nach den Worten der Heidelberger Museumspädagogin Angelika Dirscherl soll die Wand in konzentrierter Form an all die Menschen erinnern, die unter furchtbaren Umständen aus ihrem Leben, ihrer Heimat herausgerissen wurden. Vera Bonsen habe "ein aussagekräftiges und gleichzeitig zurückhaltendes Mahnmal gestaltet, das vielleicht gerade deshalb so berührend ist, uns nachdenken lässt über die Menschen, die einmal unter uns lebten, liebten, arbeiteten, zu uns gehörten".
Musikalisch eindrucksvoll umrahmt wurde die Feierstunde von Wladimir Rivkin mit drei Stücken auf seiner Violine, deren Klang in die wunderbare Architektur der Synagoge aufstieg.