Die Heidelberger Stadtausgabe am 4. Oktober 1990: 500 Besucher kamen am Tag zuvor zum Dankgottesdienst in die Providenzkirche (Foto rechts). Auf der Straße feierten nur wenige– wie auf dem Bild links am Bismarckplatz. Foto: RNZ-Repro
Von Sarah Hinney
Am 3. Oktober 1990 trat die frühere DDR der Bundesrepublik Deutschland bei. Damit war die Teilung Deutschlands nach 41 Jahren überwunden – und das ganze Land bekam einen neuen Feiertag. Wie hat Heidelberg auf diesen Tag reagiert und was haben die Bürgerinnen und Bürger damals über die Wiedervereinigung gedacht? In unserer Serie "75 Jahre RNZ" blicken wir zurück auf unsere Lokalberichterstattung rund um den Tag der Deutschen Einheit vor 30 Jahren.
> Heidelberger sind nicht in Feierstimmung, RNZ am Dienstag und Mittwoch, 2./3. Oktober 1990: "Die Heidelberger feiern den Tag der Deutschen Einheit offenbar nicht mit Korkenknallen und lautem Hurra", so der Einstieg in eine Umfrage, die die RNZ am 2. Oktober 1990 abdruckt. Im Gegenteil – einer der der Befragten findet die Vereinigung zwar "schön", meint aber, man solle das "nicht unnötig mit Festen aufblasen". Auch ein weiterer Leser lehnt das "Tamtam um den 3. Oktober ab". Nicht mal über den Feiertag freuen sich alle. Ein Mann gibt an, er wäre lieber zur Arbeit gegangen.
Reinhold Zundel, von 1966 bis Juni 1990 Heidelbergs Oberbürgermeister, zeigt sich damals im Gespräch mit der RNZ ebenfalls nicht in Feierlaune. Zundel hatte seit seinem Rücktritt wenige Monate zuvor ehrenamtlich am Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung der damaligen DDR und am Aufbau der kommunalen Arbeitgeberverbände mitgearbeitet. Er spricht mahnende Worte: So sei das Ausmaß der Pflicht, das "uns mit dieser Vereinigung die Geschichte auferlege, längst nicht voll erkannt". Und jeder Pfennig, der an diesem 3. Oktober für Raketen ausgegeben werde, dafür zu schade. Mit dem Geld solle besser drüben geholfen werden. Jubelfeuerwerke könne man dann veranstalten, wenn in drei oder vier Jahren auch die finanzielle, wirtschaftliche und soziale Angleichung gelungen sei, so Zundel. Rückblickend ist die Zeitspanne, die der Ex-OB damals nennt, freilich noch viel zu optimistisch. Ökonomisch kam der Angleichungsprozess Mitte der 90er Jahre ins Stocken und auch heute – 30 Jahre später – liegt die ostdeutsche Wirtschaft noch weit unter dem Niveau der Westdeutschen. Auch bei Löhnen und Renten gibt es längst keine "Einheit".
> 500 Menschen kommen zum Dankgottesdienst, RNZ am Donnerstag, 4. Oktober 1990: Ganz ohne Feiern läuft der Tag der Deutschen Einheit in Heidelberg dann aber doch nicht ab – es sind allerdings die leisen Töne, die 500 Menschen zum Dankgottesdienst in die Providenzkirche locken. Die Kirche ist restlos überfüllt am 3. Oktober, und Pfarrer Berthold Schneider fordert dazu auf, "eng zusammenzurücken". Ein Rat, der in Coronazeiten umgehend zusammenzucken lässt, aber schon damals freilich auch im übertragenen Sinne gemeint ist und sich nicht allein auf die in der Enge in den Kirchenbänken bezieht. Die Nacht zuvor haben die meisten Heidelberger vor dem Fernseher oder schlafend verbracht, schreibt die RNZ. Nur etwa 40 Menschen waren um Mitternacht mit Fahnen und Trompeten zum Bismarckplatz gezogen. Und rund 300 Menschen trafen sich am Marktplatz, ließen Sektflaschen rumgehen und zündeten Feuerwerkskörper. Und viele bedauern dann am historischen 3. Oktober 1990 wohl doch, dass die Stadt keine offizielle Veranstaltung organisiert hat. Immerhin eine Feier gibt es aber, wenn auch "ohne Pomp und Säbelrassel" und ohne Parade – denn diese fällt dem schlechten Wetter zum Opfer. Die multi-nationalen Nato-Stäbe der "Central Army Group" und der 4. Alliierten Taktischen Luftflotte hatten ins Heidelberger Nato-Hauptquartier eingeladen, um mit amerikanischen, deutschen und kanadischen Soldaten sowie Verbindungsoffizieren weiterer europäischer Länder und vielen Zivilisten den Tag der Deutschen Einheit zu begehen. Erst 13 Jahre später sollte sich die Nato dann endgültig aus Heidelberg verabschieden.