Die andauernde Ausnahmesituation mit Corona wirkt sich auch auf einen Reitclubs wie den „Hoher Odenwald“ in Strümpfelbrunn aus. Noch laufen die Angebote. Foto: privat
Von Elisabeth Murr-Brück
Strümpfelbrunn. Erziehung: ein langer, steiniger Weg, eine Abfolge von Erfolgen und Rückschlägen. Aufräumen und Ordnung halten, Disziplin, Rücksicht. Das Leben ist schließlich kein Ponyhof. Schade, der wäre eine gute Schule. Rebecca Rode ist Vorsitzende des Reitclubs Hoher Odenwald in Strümpfelbrunn. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist dort ein erklärter Schwerpunkt. Bereits mit drei Jahren können die Kleinsten mit dem Reitunterricht anfangen.
Ganz selbstverständlich und nebenbei lernen sie, dass man sich im Umgang mit dem Tier an Regeln halten muss und dass Striegeln, Putzen, Ausmisten einfach dazu gehört. Das wird nicht hinterfragt und oft sogar mit Lust und Begeisterung gemacht.
Und: keine Angst vor großen Tieren! Valentino, das Pferd von Valentina Menges, der Zweiten Vorsitzenden, hat ein Stockmaß von immerhin 1,70 Meter; die Maßeinheit für Pferdegrößen ist der Abstand vom Boden bis zu dem kleinen Buckel zwischen Hals und Rücken, Respekt einflößend, auch für Große. Aber Valentino ist "ein ganz Braver". Voltigieren nennt man die Turn- und Bewegungsübungen auf dem Pferd, eine beliebte Herausforderung für Geübte, Reit-Anfänger werden so mit dem Tier vertraut gemacht. Danach können sie an die lange Leine, die Longe, mit der die Reitlehrer das Pferd führen. Wenn die Kinder dann frei reiten können, dürfen sie zu dritt oder zu viert in der Gruppe reiten.
Studien haben bestätigt, was Eltern auch so sehen: Reiten wirkt sich positiv auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus. Es stärkt das Selbstbewusstsein, Fitness und Beweglichkeit sowieso, schult Empathie, Disziplin, Konzentration und Verantwortungsbewusstsein. "Und man weiß ja, dass der Umgang mit Tieren für Kinder ein natürliches Bedürfnis und einfach was Tolles ist", sagt Rebecca Rode.
Fünf eigene Schulpferde hat der Verein derzeit. Lucy, an sich "eine richtige Zicke", kann mit Kindern total gut, erzählt Rode. Fast mütterlich passt sie die Kleinen auf, für Anfänger ist sie einfach perfekt. Der Allrounder Amigo, ein Haflinger, kann alles und macht alles.
Wer Dana reiten will, muss allerdings schon mehr als nur sattelfest sein. Mit dem Dressurpferd kann man auch an Turnieren teilnehmen. Erst kurz vor dem verschärften Lockdown kam Nele, die eigentlich an ihre Funktion als Schulpferd herangeführt werden sollte – aber dazu kaum Gelegenheit hatte. Pico ist ein Pony, rassetypisch relativ klein und eigentlich für die Kleinsten vorgesehen, die ihn nicht nur reiten, sondern auch führen und putzen könnten. Wenn denn wieder Normalbetrieb wäre.
Wie jeder Sportverein leidet der Reitclub in Strümpfelbrunn unter dem Lockdown: Kein Reiten, kein Unterricht, keine Turniere, keine Einnahmen. Nur kann man Pferde nicht einmotten und im Depot lagern wie Tennisschläger und Fußbälle. Sie brauchen Futter, Zuwendung und Bewegung. Und Betreuung, auch medizinische.
Regelmäßige Kontrolle durch den Tierarzt und den Pferdezahnarzt, auch wenn sie – noch – gesund sind oder wirken. So bildet sich an den Backenzähnen der Pferde oft Haken, das tut weh, erschwert das Kauen und kann weitere Krankheiten nach sich ziehen. Sattler und Hufschmied werden ständig gebraucht, Pferde-Physiotherapeutin Sarah Bucher aus Nüssenbach sorgt dafür, dass die Tiere fit bleiben. Zum Glück gibt es die so genannten Reitbeteiligungen, wo sich fortgeschrittene Reitschüler um jeweils ein Pferd kümmern. "Das war in dieser Situation enorm wichtig, weil der gesamte Vorstand die Arbeit ja ehrenamtlich macht", sagt Rebecca Rode. Da hängt ja viel dran. Das ist zeitintensiv. Es entlastet, wenn die Pferde geritten, der Stall ausgemistet wird.
Noch kann der Club von den finanziellen Reserven der letzten Jahre zehren, und weil auch die Reitlehrer ehrenamtlich arbeiten, ist die Lage noch nicht bedrohlich. Aber Rebecca Rode aber hat das Ergebnis einer Umfrage im Kopf, die die Deutsche Reiterliche Vereinigung erhoben hat: Danach befürchtet ein Drittel aller Reitschulen, dass sie den Lockdown nicht überleben werden.
Konkret bedeutet das, dass auch viele Pferde nicht überleben werden, wenn sie nicht woanders unterkommen. Knallhart kann das dann heißen: Endstation Salami.