Von Felix Hüll
Eberbach. Die veränderten Rahmenbedingungen wirken sich auch auf die Streetwork der Eberbacher Mobilen Jugendarbeit (MJA) aus – vor allem der Verlust des Kontakts mit Gleichaltrigen macht den Jugendlichen Probleme. Ihre MJA-Ansprechpartner helfen bei Hausaufgaben, Familienproblemen und bieten (digital) jede Menge Anregungen und Ablenkungen. Über Details informiert Betreuer Moritz Limprecht:
Wie kam denn bei den Jugendlichen das Übersetzen der Anstands- und Hygieneregeln an? Und wie haben Sie "überprüft", ob und wie das ankam?
Wir haben zu Beginn der Infektionswelle die Piktogrammhinweise (www.infektionsschutz.de) in DIN A 3 ausgedruckt und laminiert in den sanitären Anlagen und der Küche der Jugendräume ausgehängt. Viele Jugendliche haben die Hygienemaßnahmen eingehalten und später auch die Abstandsregeln. Wir hatten zwischenzeitlich den "Corona-Check" mit dem Ellenbogen eingeführt. Die Jugendlichen waren sehr kreativ, und es gab auch andere Begrüßungen, zum Beispiel mit dem Fuß.
Die aktuellen Maßnahmen der Landesregierung haben wir immer zeitnah über unsere Social-Media-Kanäle jugendadäquat erklärt. Den Jugendlichen ging es dabei sicher wie vielen anderen auch, dass sie von der Flut an neuen Informationen etwas erschlagen wurden.
Wie viele Jugendliche hatten Sie so im Fokus beim Streetwork, und zu wie vielen haben Sie jetzt noch, Kontakt?
Streetwork und "digitale Jugendarbeit" lassen sich nur schwer vergleichen. Bei Streetwork (vor Corona) finden (sofern die Jugendlichen nicht bereits bekannt sind) ein lockerer Kontakt und vorsichtige Beziehungsanbahnung statt. Wir informieren über unsere Arbeit und machen klar, dass es nicht unser Auftrag ist, Jugendliche aus dem öffentlichen Raum zu vertreiben und stellen unser Beratungsangebot vor.
Wir sprechen aber auch über mögliche Situationen die zu Konflikten mit Anwohnern führen können. 2019 kam es zu über 300 Kontakten im öffentlichen Raum. Streetwork ist aber neben Cliquen-/Gruppen-, Gemeinwesen- und Einzelfallarbeit nur eine der vier Säulen der Mobilen Jugendarbeit. Fürs "Digitale" müssen zumindest die Social-Media-Kontaktdaten verfügbar sein. Jugendliche geben die natürlich (und auch ganz zu Recht) nicht bereits nach ein paar Kontakten preis. Hier waren schnell kreative Ideen gefragt. Ich denke das ist uns ganz gut gelungen, indem wir flexibel reagiert haben. Intensiverer Kontakt besteht aktuell zu 38 Jugendlichen.
Was sind derzeit die größten Probleme, die diese Jugendlichen drücken?
Uns erreichten vermehrt Klagen, dass das Pensum an Aufgaben, dass die Schüler sich eigenständig erarbeiten mussten, teils sehr hoch ist. Besonders in den Abschlussklassen. Und nicht alle haben die notwendigen technischen Voraussetzungen. So haben wir einen "Druckservice" eingerichtet, Aufgaben ausgedruckt und sie in den Briefkasten geworfen. Das kann aber nur eine Notfalllösung sein.
Welche Lösungswege sehen Sie?
Bedarfsorientiert haben wir bei den Schulaufgaben unterstützt, soweit das möglich ist. Wir können keine Lehrer ersetzen. Es werden individuelle Tagespläne erarbeitet oder Skills entwickelt, die helfen können, wenn Jugendlichen "die Decke auf den Kopf fällt". Ein offenes Ohr für die Belange der Jugendlichen zu haben zeichnet unsere lebensweltorientierte Arbeit auch aus.
Hatten Ihre "Adressaten" Corona-Erfahrungen mit Ordnungskräften?
Generell haben wir das Gefühl, dass die Verfügungen im Großen und Ganzen eingehalten werden. Allerdings gibt es auch immer wieder Personen – nicht nur Jugendliche! – die manches nicht ernst nehmen. Einzelne unserer Jugendlichen treffen sich zu zweit, wie dies im Rahmen der Allgemeinverfügung ja möglich ist.
Schule wird ab 4. Mai nur nach und nach wieder anfangen – was heißt das für Ihre Schützlinge und Ihr Angebot, da zu sein ohne da zu sein?
Wir werden weiter so gut es geht Angebote machen und auch bei den Hausaufgaben unterstützen. In Absprache mit der Stadtverwaltung gibt es nun auch "Beratungsspaziergänge" mit ausreichendem Abstand und entsprechenden Hygienemaßnahmen, um mit Jugendlichen ihre Situation zu besprechen, die ja durchaus belastend sein kann. Der Gesundheitsschutz für die Jugendlichen und für uns muss auf jeden Fall gewährleistet sein. Aber in dieser Ausnahmesituation mit Kontaktsperren kann es zu Ängsten, Schlafstörungen oder Lagerkoller kommen. Gerade für Jugendliche sind die Gleichaltrigen, die Peergroup, von immenser Bedeutung.
Machen Sie Hausaufgabenbetreuung mit Zoom, Webex oder WhatsApp-Telefonie? Welche Erfahrungen haben Sie alle gemacht?
Wir haben mittlerweile verschiedenste Videodienst-Tools ausprobiert. Zoom ist eines der Größten. Es gibt aber auch andere Anbieter. Wichtig: es muss kostenfrei sein und ohne Installation funktionieren. Auch das Thema Datensicherheit ist relevant. Gleichzeitig müssen wir uns auch an den Nutzungsgewohnheiten der Jugendlichen orientieren. Wir nutzen die bestehenden WhatsApp- und Telegram-Gruppen oder Instagram-Kanäle, um uns mit ihnen auszutauschen.
Welche Grenzen sind Ihnen gesetzt?
In ersten Versuchen ein "virtuelles JUZ" zu etablieren hat sich gezeigt, dass Jugendliche hier sehr vorsichtig agieren. In solchen Videokonferenzen ist technisch auch ein Mitschneiden möglich. Und auch wie in einem physischen Jugendraum entscheiden Jugendliche oft anhand der Besucher, ob sie sich dort aufhalten wollen, oder nicht. Wir haben darauf reagiert und unser Angebot, mehr zu den Eins-zu-Eins-Betreuungen und persönlichen Videotelefonaten hin umgestellt.
Welche Tutorials gegen Lagerkoller haben Sie angefertigt? Können die auch Andere außerhalb des JUZ-Publikums ansehen?
Wir haben ein Workout-Programm erstellt, das mit "Bodyweight-Exercises" (Übungen mit dem eigenen Körpergewicht) arbeitet. Jetzt, wo die Sportvereine, das Gym und das Fitnesscenter geschlossen sind, ist das für Jugendliche eine Möglichkeit, sich zu Hause sportlich zu betätigen. Hierzu wurden auch einzelne Tutorials über YouTube erstellt. Öffentlich einsehbar sind diese aber nicht. Sie werden per Link an die interessierten Jugendlichen verschickt. Hier geht es hauptsächlich um das Aufrechterhalten des Kontakts über andere Kanäle. Wer kurzweiligen und sehr lustigen Zeitvertreib mit Freunden ausprobieren möchte, kann sich bei https://skribbl.io/ künstlerisch betätigen.
Gab’s schon Konzerte, Spielerunden oder andere Videokonferenz-Events?
Die Planungen für den Auftritt mehrerer DJs im Kulturzentrum Depot 15/7 am 21. März waren abgeschlossen. Aber dann hat uns das Virus einen Strich durch die Rechnung gemacht. Unsere Planungsgruppe aus jungen Erwachsenen ist sehr kreativ, und Not macht bekanntlich erfinderisch. Ein erstes "Konzert" per Livestream ist aktuell in Planung.
Kann man bei dieser Art der netzmobilen Jugendarbeit mitmachen? Welche Kontaktdaten gibt es dafür?
Eberbachs Mobile Jugendarbeit ist über verschiedene Kanäle erreichbar. Allerdings richtet sich ihr Angebot ausschließlich an Jugendliche, coronabedingt aktuell auch in gewissem Umfang an Eltern, für die sich die Situation zuhause mit ihren Kindern im Jugendalter schwierig gestaltet. Diese erreichen uns via 0176/120 138 72 oder per E-Mail mja_eberbach@postillion.org.
Was macht Eberbachs Jugend Ihrer Kenntnis nach jetzt, um dem Corona-Erwachsenen-Stress auszuweichen?
Einige Jugendliche sind tatsächlich mit den Schulaufgaben aus- oder sogar überlastet. Generell vertreiben sich die Jugendlichen ihre freie Zeit wie viele andere Menschen auch mit Sport, Netflixserien oder Pflegen ihre Social-Media-Profile und -Kontakte intensiver als sonst.
Wir machen auch die Erfahrung, dass gerade in einzelnen Familien, in denen es manchmal kriselt, der Familienverbund durch die Situation zusammenwächst. Da findet etwa ein Familiennachmittag auf der Terrasse mit bestelltem Eis statt.
Das ist auch für uns sehr schön, wenn wir so was erfahren, denn das wirft einen Lichtblick auf diese schwierige Krisensituation. Das ist aber nicht überall die Regel. Durch die Situation entstehen sicher auch verschiedenste Belastungen.