Immer mehr Unternehmen wurden durch die Folgen der Corona-Pandemie gezwungen, Mitarbeitern Heimarbeit zu ermöglichen. So sollte in Werkstätten und Büros die Ansteckungsgefahr verringert werden. Aber was folgt daraus nach der Pandemie? Eberbacher Firmenvertreter geben dazu Auskunft. Foto: picture alliance
Von Felix Hüll
Eberbach. Die Zunahme von Heimarbeit aus Gründen der Infektionsvorbeugung befeuert Wandlungsprozesse der Arbeitswelt – und Eberbach bildet hier keine Ausnahme. Allerdings ist das Thema Home-Office für viele Unternehmen längst ein alter Hut – ebenso die Erkenntnis, dass sich nicht alle Tätigkeiten so einfach aus Werkstatt, Fabrikhalle und Büro in die eigenen vier Wände der Beschäftigten übertragen lassen.
"Unser Standort ist sehr produktiv. Wir haben eigene Fertigung, Forschung und Entwicklung. Da ist Home-Office nur eingeschränkt möglich. Problemlos geht das beim Vertrieb und im im administrativen Bereich", erklärt Stefan Herminghaus. Er ist der Leiter Personalwesen bei der Firma Oskar Dilo Maschinenfabrik KG.
"Wir berufen oft ad-hoc-Sitzungen der einzelnen Experten zu verschiedenen Abteilungen ein. Das geht leichter im Haus als am Bildschirm. Die abteilungsübergreifende Abstimmung ist bei uns sehr wichtig."
Von rund 270 Dilo-Mitarbeitern am Standort nutzen aktuell 20 bis 25 Personen Heimarbeit, die mit einem organisatorischen Zusatzaufwand verbunden war. Herminghaus: "Die IT-Infrastruktur musste optimiert werden und es waren noch Notebooks anzuschaffen."
"Zusatzaufwand? Nicht wirklich", antwortet Christina Streifel von der Firma Krauth Technology im Auftrag von Geschäftsführer Gerd Neureuter. "Mobile Arbeitsplätze waren bereits vor der Pandemie vorhanden. Wir hatten die erforderliche Technik im Haus und waren auch mit der Hardware gut ausgestattet. An Zusatzkosten sind lediglich zusätzliche Lizenzkosten für eine Kommunikationssoftware hinzugekommen. Diese wären jedoch in naher Zukunft sowieso aufgekommen."
160 Beschäftigte hat krauth technology in Eberbach. Etwa 30 Prozent (hauptsächlich aus dem gewerblichen Bereich) müssen am Standort bleiben. Alle anderen könnten auch von daheim aus arbeiten.
Schon seit über einem Jahr hat sich Gelita auf die Umstände mit Heimarbeit eingestellt. "Wir konnten ja nachverfolgen, wie das Virus um die Welt ging", sagt Michael Teppner, Global Vice President Marketing & Communication beim Eberbacher Collagenpeptidhersteller, der rings um den Globus mit 20 Standorten vertreten ist.
Teppner: "Als wir im März 2020 unsere Vorbeugemaßnahmen gegen Corona trafen gab es noch Länder, die sagten: wir haben das nicht." Sogenannte "Flex-Büros" hatte Gelita allerdings schon vor Corona. Jetzt aber gilt die Regel, dass so viele der weltweit 2600 Mitarbeiter wie nur möglich von zu Hause aus arbeiten sollen, "wir haben so eine Guideline von 20 Prozent". Am Standort Eberbach arbeiten von 900 Mitarbeitern 300 in der Gelita-Hauptverwaltung. Teppner: "Die Auftragserfassung muss da nicht in der Uferstraße 7 sein." In den Werken hat man durch Entzerren der Arbeitsabläufe und Schichtübergaben Lösungen gefunden, damit sich die Mitarbeiter dort so wenig wie möglich persönlich begegnen.
Durch die schon ein Jahr währende pandemiebedingte Erfahrung mit dem Thema hat Gelita einerseits "gesehen, was möglich ist", andererseits aber auch Schwächen ausgemacht: Gerade die "soziale Interaktion", die Begegnung von Kollegen untereinander, fällt bei der Heimarbeit weg und sollte bei Neureglung von Arbeitsabläufen nach Corona nicht unberücksichtigt bleiben.
Bei der Stadtverwaltung Eberbach läuft aktuell eine "Home-Office-Projektphase", an der im "Endausbau" 45 von etwa 70 Mitarbeitenden im Rathaus teilnehmen werden, berichtet Hauptamtsleiterin Anke Steck.
Grundsätzlich wurde diese Phase jedem Mitarbeiter mit einem Büroarbeitsplatz "Home-Office" angeboten, damit jeder, der möchte, Erfahrung mit dieser Art des Arbeitens sammeln kann. Mitte März wird in Abstimmung mit dem Personalrat das weitere Vorgehen beraten. Die Ergebnisse des derzeitigen "Feldversuchs" fließen mit ein. In dem angewandten Modell wechseln sich Präsenztage mit "Home-Office-Arbeitstagen" ab.
Die Rathausmitarbeiter verrichten am Bildschirm zu Hause "Backoffice"-Tätigkeiten. Als Ansprechpartner für die Bürger sind Mitarbeiter abwechselnd im Rathaus anwesend. So soll sichergestellt werden, dass das Dienstleistungsangebot des Eberbacher Rathauses uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann.
Auch nicht in allen Verwaltungsbereichen kann man Tätigkeiten in gleichem Umfang in Heimarbeit erledigen. Der Anteil von Home-Office-Arbeitszeiten und damit auch der "Anwesenheitsquote" im Rathaus hängt davon ab, welcher Tätigkeit nachzugehen ist bzw. wie sehr es notwendig ist, dazu auf Unterlagen zurückzugreifen, die noch "analog" etwa als Akten im Rathaus selbst aufbewahrt werden.
So können Bereiche mit intensiverem Publikumsverkehr wie etwa das Bürgerbüro, die Kontaktstellen für Soziales oder das Standesamt ihre Arbeit hinsichtlich der "Back-Office"-Tätigkeiten eher weniger rhythmisieren als etwa das Finanzwesen. In diesem spielt der direkte Kundenkontakt eine geringere Rolle, und es müssen dafür in der Regel auch keine Bestandsdokumente im Rathaus eingesehen werden. Steck: "Hinsichtlich der "Mobile-Devices" greifen wir zunächst größtenteils auf unseren Bestand zurück. Den haben wir durch Peripheriegeräte ergänzt." Hierfür wurde bislang ein mittlerer vierstelliger Betrag aufgewandt. Je nach der weiteren Entwicklung sind noch weitere Ausgaben zu erwarten.
Anke Steck ist davon überzeugt, dass die Corona-Pandemie dem Thema "Home-Office" einen dauerhaften "Schub" verleihen wird. In der Stadtverwaltung wolle man das Thema allerdings gemeinsam anhand der Bedürfnisse der Mitarbeiter sowie Kunden "behutsam entwickeln".
Weil derzeit in der Verwaltung Digitalisierungsprozesse "im Fluss sind", trägt dies ein Übriges zum Schub für Home-Office bei, was eine flexiblere Wahl des Arbeitsorts weiter fördern wird, so Steck.
Bei Krauth Technology könnte es nach Wegfall der Homeoffice-Erfordernis wegen der Pandemie geschehen, dass bisherige Arbeitsplatz-Einrichtungen möglicherweise verändert werden. Sobald sich die Situation beruhigt hat, wird das Managementboard über die zukünftigen Homeoffice Regelungen entscheiden, teilt Christina Streifel mit. In welche Richtung genau, lasse sich zum heutigen Zeitpunkt allerdings noch nicht sagen.
Und auch Stefan Herminghaus von der Firma Dilo erklärt: "Es ist jetzt noch zu früh, hier eine Aussage treffen zu können. Wir wollen das mit den Mitarbeitern erst noch diskutieren."