Noch sind die Stufen zum Hohenstaufen-Gymnasium verwaist, in den letzten zwei Ferienwochen kommen wieder Schüler, um Wissenslücken zu schließen. Foto: Peter Bayer
Von Peter Bayer
Eberbach. Noch immer sind im Ländle Ferien! Doch nicht für alle Schüler. In Zeiten von Corona ist eben alles ein bisschen anders. So sollen Zehntausende baden-württembergischer Schüler in den Sommerferien Wissenslücken schließen, die in der Corona-Pandemie entstanden sind. Das Kultusministerium bietet dazu kostenlose Nachhilfe in den Ferien an und spricht dabei von "Lernbrücken". Es ist ein freiwilliges Angebot, das in Eberbach von rund 120 Schülern vom Gymnasium und der Realschule genutzt wird.
Gemeint sind mit den "Lernbrücken" Lern- und Förderkurse in den letzten beiden Wochen der Sommerferien. Sie sollen schwächeren Schülern ermöglichen, den Stoff aufzuholen und gut vorbereitet ins nächste Schuljahr zu starten. Es geht vor allem um Schüler, die in Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen aufholen müssen. Die Klassenlehrer entscheiden gemeinsam mit den Fachlehrern, welche Schüler Förderunterricht nötig haben. Die Teilnahme der Schüler ist freiwillig, ebenso die der Lehrer.
"Es ist eine sehr kurzfristige Geschichte, kurz vor den Sommerferien schwierig zu organisieren", sagt Markus Hanke, Rektor der Realschule. Dennoch wird das Angebot gut angenommen. 55 Kinder der Klassen 5 bis 9 wollen ihre Wissenslücken in den Kernfächern Mathematik, Deutsch und Englisch etwas schließen. Bei rund zwei Dritteln von ihnen wurden die Eltern angesprochen, weil die Lehrer bei den Schülern Nachholbedarf sehen. Nicht alle, bei denen es erforderlich wäre, machen mit, etwa, weil der Urlaub schon gebucht ist. Ein Drittel nehme aber auch auf Eigeninitiative der Eltern hin teil.
Vier Lehrkräfte seiner Schule werden – voraussichtlich zwischen 9 und 12 Uhr – im gewohnten Schulgebäude die 55 Kinder in vier Gruppen unterrichten. Für Hanke eine "gute Lösung", mit der eine Durchmischung von Schülern vermieden wurde. Riesenschritte dürfe man bei jeweils drei Stunden in den zwei Wochen aber nicht erwarten, dämpft er zu große Erwartungen. Der Schulleiter freut sich, dass sich die Lehrer freiwillig gemeldet haben. "Ich hätte keinen dazu verpflichtet", sagt er. "Einmal im Jahr brauchen die Lehrer Abstand, um danach mit vollem Akku wieder zu arbeiten", verteidigt er die langen Sommerferien. Zumal die Online-Betreuung aufwendiger gewesen sei als der normale Unterricht.
Im Hohenstaufen-Gymnasium werden circa 60 Schüler in den letzten Ferienwochen freiwillig die Schulbank drücken. Sie folgen damit Empfehlungen ihrer Lehrkräfte. "Mathematik führt das Ranking an", sagt Schulleiterin Anja Katzner. Hier gebe es bei den meisten Defizite. "Die Lücken, die wir jetzt noch schließen können, entlasten Schüler wie Lehrer gleichermaßen. Es ist eine Investition ins nächste Schuljahr", sagt Katzner. Die wenigsten Schüler für die Lernbrücke kommen aus den Klassen fünf und zehn, die überwiegende Mehrheit aus dem "mittleren Bauch", den Klassen sieben bis neun. Neben Mathe unterrichten die 13 Lehrer und Referendare vor allem in Latein, aber auch Englisch und Französisch sowie etwas Deutsch.
Keinen Bedarf gibt es offenbar an den übrigen Schulen. "Wir haben fast alle Schüler erreicht, digital und analog", sagt Udo Geilsdörfer. Deshalb werde es an der Gemeinschaftsschule keine Lernbrücke geben. "Natürlich haben wir Schüler mit Defiziten, aber die sind nicht Corona bedingt." Von Seiten der Eltern oder Schüler sei auch nicht nachgefragt worden.
Im Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) wurde die Möglichkeit den Eltern vorgestellt, Anmeldungen habe es keine gegeben. "Wir können auch nicht zusichern, dass der Unterricht an unserer Schule mit eigenen Lehrern stattfindet", sagt Schulleiterin Ursula Schild. Die Einteilung mache letztlich das staatliche Schulamt Mannheim.
In der Dr.-Weiß-Grundschule sah eine Lehrerin bei zwei Schülern entsprechenden Bedarf, so Konrektorin Tanja Ehrhard. Als den Eltern allerdings mitgeteilt wurde, dass die Schüler regional zusammengefasst und die Eltern für deren Transport selbst verantwortlich seien, zogen diese die Zusagen zurück. Anfragen von Seiten der Eltern habe es keine gegeben, so Ehrhard.
Insgesamt gäbe es landesweit eine hohe Nachfrage nach "Lernbrücken" in den Sommerferien, so Kultusministerin Susanne Eisenmann: "Mit den Lernbrücken erreichen wir genau die Kinder und Jugendlichen, für die eine intensive Förderung auch besonders wichtig ist." An mehr als 1900 allgemeinbildenden Schulen und mehr als 160 beruflichen Schulen im Land werden insgesamt rund 5030 "Lernbrücken" (allgemeinbildende Schulen: rund 4520; berufliche Schulen rund 510) eingerichtet. Insgesamt rund 61.500 Schülerinnen und Schüler (allgemeinbildende Schulen: 53.850; berufliche Schulen: 7650) nehmen daran teil und nutzen die Möglichkeit, Lerninhalte zu wiederholen und gezielt an Lernschwierigkeiten zu arbeiten.
Insgesamt sind mehr als 6550 Personen dem Aufruf gefolgt und haben sich freiwillig für den Einsatz in den "Lernbrücken" gemeldet. Darunter sind knapp 5100 ausgebildete Lehrkräfte, rund 200 Lehramtsanwärter und Referendare, rund 730 Lehramtsbewerber sowie 520 weitere pädagogisch geeignete Personen. "Dieses beachtliche Engagement schätzen wir und sind sehr dankbar", so Eisenmann. "Der Fernlernunterricht war für manche Schüler mit Schwierigkeiten verbunden; sie konnten in dieser Phase nicht die Lernfortschritte erzielen, die sie im regulären Unterricht erreicht hätten. Hier setzen die Kurse an und schlagen damit eine Lernbrücke ins neue Schuljahr", sagt Ministerin Eisenmann und fügt an: "Es ist aber klar und unbestritten, dass es mit diesem Angebot alleine nicht getan ist. Schwerpunkt im neuen Schuljahr muss und wird deshalb sein, Inhalte zu wiederholen und zu vertiefen."
Das Rahmenkonzept für das Schuljahr 2020/2021 sieht deshalb vor, dass die Schulen für jede Klasse bzw. Lerngruppe bis zum Schuljahresende dokumentieren, welche Inhalte nicht vertieft behandelt werden konnten. Damit kann im neuen Schuljahr daran angeknüpft und der Lernstand berücksichtigt werden. Darüber hinaus gibt es für den Fernunterricht im neuen Schuljahr klare Vorgaben. Wichtig ist, dass die Kommunikation zwischen Lehrkraft und den Schülern zuverlässig und regelmäßig erfolgt und die Schüler auch Rückmeldungen zu ihren Aufgaben erhalten. Dies müssen die Lehrer dokumentieren.