Windpark "Kornberg"

"Der Standort ist komplett ungeeignet"

Die Bürgerinitiative erneuert ihre Kritik an den Windparkplänen am "Kornberg" und reicht den Gemeinden zugleich die Hand

02.02.2018 UPDATE: 03.02.2018 06:00 Uhr 5 Minuten, 13 Sekunden

Eine eindrucksvolle Aufnahme: Die kondensierte Luftströmung im Nachlauf signalisiert den turbulenten Nachlauf der Windkraftanlagen. Foto: BelAir Aviation

Von Rüdiger Busch

Hardheim/Höpfingen. Als Reaktion auf das Interview der RNZ mit Zeag-Geschäftsführer Harald Endreß hatte die Bürgerinitiative für Gesundheit und Naturschutz (BGN) dieser Tage zum Gespräch eingeladen und sich dabei sachkundige Unterstützung geholt: An der Seite des BGN-Vorsitzenden Dieter Popp und des Artenschutzbeauftragten Steffen Berberich saßen Dr. Christian Kuhn und Claus Kapferer vom Vorstand des Flugsportclubs Odenwald Walldürn, Walter Müller vom Landesverband baden-württembergischer Bürgerinitiativen gegen Windkraftanlagen in Natur- und Kulturlandschaften und Hans-Jörg Jung vom baden-württembergischen Luftfahrtverband. Ihre zentrale Botschaft: Trotz anderslautender Beteuerungen des Investors Zeag Energie AG sei der geplante Windpark "Kornberg" nicht genehmigungsfähig, da das betreffende Gebiet für die Nutzung als Windkraftstandort absolut ungeeignet sei.

Gleichzeitig reichten die Vertreter der BGN den Gemeinden und den Ratsfraktionen die Hand: "Unser Gegner sind nicht die Gemeinden, sondern die Zeag!" Nachfolgend die wichtigsten Aussagen zu den verschiedenen Schlagworten:

Energiewende

> Popp: "Obwohl große Teile des Main-Tauber-Kreises, des Neckar-Odenwaldkreises und in Hohenlohe bereits regelrecht mit Anlagen zugepflastert wurden, beträgt der Anteil des Stroms aus mittlerweile fast 600 Windkraftanlagen in Baden-Württemberg nicht einmal zwei Prozent der gesamten hiesigen Bruttostromerzeugung. Wie man auf Grund dieser nüchternen Fakten von einer ,Energiewende’ sprechen kann, ist uns ein Rätsel. Inzwischen verschenken wir bereits einen sehr großen Teil des erzeugten Windstroms bei Überproduktion ins benachbarte Ausland und zahlen dafür sogar noch Geld - alleine 2016 waren es 643 Millionen Euro. Viele Studien zeigen eindeutig auf, dass der weitere Ausbau der Windkraft erst dann Sinn ergibt, wenn der Strom auch gespeichert werden kann."

Auch interessant
Windpark "Kornberg": "Das Projekt aufzugeben, kommt für uns nicht infrage"
Windpark "Kornberg": Wegweisendes Urteil für Windpark-Gegner
Windpark "Kornberg": Bürgerinitiative für Gesundheit und Naturschutz zog Bilanz
Windpark Kornberg: Harsche Kritik für das Fledermausgutachten
Windpark "Kornberg": Bürgerinitiative übt heftige Kritik am Gutachten
Windpark "Kornberg": Stoppen Uhus das Vorhaben? (plus Video)
: Zwischenziel erreicht: Baugenehmigung für Hardheimer Windräder bislang verhindert
: Windpark Kornberg soll Ende 2017 ans Netz gehen

Schallschutz

> Popp: "Auch hier müssen wir der Zeag widersprechen, denn der Schall kommt nicht von den Getrieben, sondern von den Rotorblättern, wenn sie am Mast vorbeidrehen. Erfreulicherweise wächst die Erkenntnis der Immissionsschutzämter des Bundes und der Bundesländer, dass es nicht mehr sachgerecht ist, die Lärmentwicklung von Windrädern nach der bisher gültigen Norm aus dem Jahr 1998 zu bewerten. Wir verweisen hier auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf, das bestätigt, dass sich ein neuer Stand der Technik durchgesetzt hat."

Artenschutz

> Berberich: "Harald Endreß’ Aussage, dass das Büro Beck beim Artenschutzgutachten sehr gute Arbeit geleistet habe, finden wir mehr als befremdlich. Bestenfalls für seinen Hauptauftraggeber Zeag hat er sehr gute Arbeit geleistet. Unsere eigenen Beobachtungen wie die kartierten 70 Horste werden allesamt von der unteren Naturschutzbehörde des Landratsamtes sowie auch vom Regierungspräsidium vollumfänglich bestätigt. Das Gutachten Becks weist erhebliche Mängel auf, es fehlen unter anderem Bruthorste von Rotmilan, Schwarzmilan, Kolkrabe, Wespenbussard und Uhu. Zudem wurden Flugrouten des Rotmilans bewusst unvollständig kartiert. Wir haben überhaupt kein Verständnis dafür, dass das Büro Beck ein weiteres Mal als Hausgutachter der Zeag auftritt, obwohl die letzten Ausarbeitungen mehr als mangelhaft waren. Wir werden daher auch bei den kommenden Nachuntersuchungen jede Maßnahme und jedes Vorgehen genauestens überwachen, da wir niemandem mehr vertrauen können. Der Schichtplan hierfür ist bereits erstellt."

> Müller: "Die umfangreiche Mängelliste lässt nur einen Schluss zu: Das Büro Beck ist fachlich nicht geeignet, die als Entscheidungsgrundlage im Genehmigungsverfahren benötigten Naturschutzgutachten objektiv, neutral, unvoreingenommen, ergebnisoffen und mit der gebotenen Sorgfalt zu erstellen."

"Gefälligkeitsgutachten"

> Müller: "Die Häufung der Fehler zeigt, dass es sich nicht nur um Einzelfälle handelt. Auch bei anderen Windkraftbrennpunkten - etwa in Braunsbach oder Krautheim - spielen sich Zeag und das Büro Beck gegenseitig die Bälle zu. Er kann ungestraft Gefälligkeitsgutachten erstellen: Das sind für mich Zustände wie in einer Bananenrepublik. Unsere Forderung: Wegen fachlicher Inkompetenz darf das Büro für Artenschutzgutachten nicht mehr beauftragt werden. Denn egal, zu welchem Fazit Beck in einem Gutachten kommt - das Vertrauen der Gegenseite hat er ein für allemal verspielt"

> Popp: "Über eines sollte jeder einmal nachdenken: Weshalb hält die Zeag so an Gutachter Beck fest? Die Beweislage, dass er ein Gefälligkeitsgutachten erstellt hat, ist erdrückend. Warum tat er dies und warum macht er dies immer und immer wieder? Diese Fragen werden beide, Zeag und Beck, gegebenenfalls vor Gericht beantworten müssen."

Mögliche Folgen

> Popp: "In Braunsbach wurde ein Windrad aufgrund naturschutzrechtlicher Beeinträchtigungen wieder stillgelegt (die RNZ berichtete, Anm. d. Red.). Dreimal darf geraten werden, um wen es sich bei Projektierer und Gutachter handelt: Natürlich Zeag und Beck! Kaum vorstellbar, wenn unsere Bürger ihr hart erarbeitetes und für die Altersreserve erspartes Geld am Kornberg investieren und die Anlagen dann aufgrund falsch erstellter Gutachten nicht betrieben werden können. Abgesehen vom finanziellen Schaden jedes Bürgers stehen am Kornberg dann sechs Baumonumente, deren Rückbaukosten überhaupt nicht ausreichend gedeckt sind."

Flugsicherheit

> Jung: "Die gesetzlichen Regelungen stammen noch aus einer Zeit, als es noch keine Windräder gab. Deshalb versuchen wir, auf Bundesebene Änderungen durchzusetzen. Die Universität Tübingen hat in dieser Woche eine interessante Pressemitteilung veröffentlicht: Demnach wurden erstmals großräumige turbulente Nachläufe hinter Offshore-Windparks nachgewiesen. Solche auch Wirbelschleppen genannte Nachläufe werden vom Bundesverband der Windenergie immer bestritten. Den Forschern gelang der Nachweis von Nachläufen bis zu 70 Kilometern."

> Kapferer: "Die Luftfahrtbehörde beim Regierungspräsidium ist nach wie vor der Ansicht, dass vier der geplanten Anlagen nicht genehmigungsfähig sind. Für uns ist es daher völlig unverständlich, weshalb die Zeag trotzdem an dem Vorhaben festhält."

> Dr. Kuhn: "Die vorgesehenen Anlagen gefährden unmittelbar den Flugbetrieb am und um den Flugplatz Walldürn, an dem pro Jahr rund 15.000 Flugzeuge starten und landen. Dabei geht es nicht nur um die große Kollisionsgefahr, sondern auch um die Gefahr des Kontrollverlustes durch Ausweichmanöver und durch den ,Wirbelschleppeneffekt’. Besonders gefährdet sind kleinere und leichtere Flugzeuge sowie unerfahrene und ortsunkundige Piloten. Besonders relevant ist auch die Gefahr für Rettungshubschrauber. Bei der Planung fand keine bzw. keine ausreichende Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten des Flugbetriebs statt. Es ist schon sehr verwunderlich, dass bislang noch niemand auf uns zugekommen ist - schließlich wurde der Zeag von Seiten der Luftfahrtbehörde die Auflage gemacht, ein eigenes Gutachten erstellen zu lassen."

Schadensersatz

> Popp: "Beim Thema Schadenersatz kann man in der Aussage von Herrn Endreß eine versteckte Drohung erkennen. Diese richtet sich nach seinen Worten eindeutig gegen die Gemeinden. Unter vorgehaltener Hand wäre sicher mancher Entscheider froh, wenn die Sache endlich beendet werden würde. Wir finden, es herrscht derzeit eine Pattsituation: Die Gemeinden können nicht mehr zurück, da sie das Heft aufgrund der vorschnell geschlossener Nutzungsverträge längst aus der Hand gegeben haben. Bei einem Abbruch ihrerseits wären sie schadenersatzpflichtig. Die Zeag kann und will nicht zurück, denn bei einem Rückzug würden sie auf Schadenersatzforderungen gegenüber den Gemeinden verzichten. Deshalb sucht die Zeag verbissen nach Lösungen, um trotzdem bauen zu können."

Befürchtungen

> Popp: "Da die Zeag die Gemeinden durch die Knebelverträge total in der Hand hat, wird man bestimmt auch versuchen wollen, die vom Hardheimer Gemeinderat beschlossene Höhenbegrenzung auszuhebeln. Wir haben nämlich ein Ingenieurbüro beauftragt und nachrechnen lassen; mit dem Ergebnis, dass sich die Anlagen am Kornberg - wenn überhaupt - nur dann rechnen, wenn nach dem neuesten Stand der Technik gebaut wird. Dieser ist bereits deutlich höher als die ursprünglich genannten 206 Meter, nämlich 230 Meter oder sogar noch mehr."

Fazit

> Müller: "Alle Planungen rund um den ,Kornberg’ müssen wegen unüberbrückbarer Genehmigungshindernisse sofort ad acta gelegt werden, um zu verhindern, dass weiteres Geld der Allgemeinheit verschleudert wird."

> Kuhn: "Wir fordern die Zeag auf, umgehend von dem geplanten Standort ,Kornberg’ abzusehen, da dieser nachweislich nicht geeignet ist."

> Popp: "Alle von uns bisher vorhergesagten Bedenken sind eingetroffen. Sei es das Gefälligkeitsgutachten von Beck, die Änderung der Berechnung für Schallemissionen, vorschnelle Verträge der Gemeinden oder die Erweiterung der Entfernung zu angrenzenden Ortschaften. Wir werden gemeinsam mit unseren Freunden vom Flugsportclub in Walldürn aber alles dransetzen, die Anlagen am Kornberg aus den bereits ausführlich dargelegten Gründen zu verhindern. Nach Rücksprache mit unserem Anwalt sind wir fest entschlossen und bereit, den Klageweg zum Schutz unserer Heimat und vor allem unserer Bürger zu bestreiten. Die Zeag ist andernorts für ihr kompromissloses Vorgehen bekannt und rammt einen Pflock nach dem andern in den Boden, dies sollte inzwischen jedem klar sein. Wir appellieren an beide Gemeinderatsgremien und auch den GVV nochmals eingehend, all diese Risiken und Verschlechterungen für unsere Heimat, unsere Natur und vor allem unsere Bürger nicht in Kauf zu nehmen!"

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.