Gitti Scholl betreibt ein Kosmetikstudio in Hardheim. Sie musste ihr Studio bereits zum zweiten Mal schließen. Fotos: Adrian Brosch
Walldürn/Hardheim. (adb) Mit den Fachkosmetikern schlägt ein weiterer Berufsstand Alarm: Die Corona-Pandemie bedroht durch die Schließungsmaßnahmen des zweiten Lockdowns auch diese Branche.
Heinz Gerber, Pressesprecher des Bundesberufsverbands der Fachkosmetiker in Deutschland (Frankfurt), stellt klar, dass schon während des ersten Lockdowns in der Branche "wenig bis gar kein Verständnis" geherrscht habe, insbesondere da Kosmetikerinnen seit Jahrzehnten strenge Hygieneregeln befolgen und nahezu immer mit Handschuhen und Mundschutz arbeiten. "Mit einer gestaffelten Terminvergabe, zusätzlichen Hygienemaßnahmen für die Kunden und dem Tragen eines Gesichtsvisiers und einer FFP2-Maske hätte man kein einziges Institut schließen müssen", sagt Gerber und fügt an, dass bereits dieser Lockdown viele Betriebe in Existenznöte gebracht habe.
Gewachsen sei auch der Unmut über die Ungleichbehandlung, die es etwa Friseuren gestattete, im November weiterhin zu öffnen, während Kosmetikbetriebe weiter zur Untätigkeit gezwungen waren. "Ebenso kamen Hilfen kaum oder zu spät an oder reichten nicht zur Deckung der Betriebskosten aus", fährt Gerber fort und bezeichnet die Informationspolitik als "einzige Katastrophe, wenn man bedenkt, dass wir uns als privater Verband täglich mit Anfragen und Hilferufen konfrontiert sahen oder sogar von Handwerkskammer und Gesundheitsämtern, die uns nach dem Stand der Dinge und bezüglich geltender Regeln anriefen".
Wie es weiter gehe, könne man nur bedingt sagen: "Viele haben bereits aufgeben müssen, und weitere werden folgen. Der viel zitierte Rückhalt für die Maßnahmen tendiert sowohl bei den Kosmetikerinnen als auch bei den meisten Kunden gegen Null", fasst Gerber zusammen. November-Hilfen, die oftmals erneut nicht ausreichten, wurden großteils erst jetzt oder noch nicht ausgezahlt. "Eine Perspektive gibt es nicht. Viele Angestellte befinden sich seit letztem März in Kurzarbeit. Die zwischenzeitliche Öffnung hat so gut wie nie dafür gesorgt, dass die Kunden die Institute stürmten. Viele blieben weg, da sie durch die ständig verbreitete Panik Angst vor einer Ansteckung hatten", so der Experte. Keiner könne sagen, wie viele Insolvenzen derzeit bereits beantragt worden wären, wenn diese nicht von der Politik künstlich verschoben würden.
Zur Zukunft habe man eine klare Ansicht: "Es ist keine zu vorsichtige Schätzung, wenn man davon ausgeht, dass bei einem Lockdown, der nach der Vorstellung der Kanzlerin und deren immer gleichen Expertenrunde bis mindestens Ostern dauern soll, ein Drittel oder gar die Hälfte der mehr als 60.000 Unternehmen im Kosmetikhandwerk nicht überleben wird", bilanziert Gerber ernüchtert. "Wir als Verband haben erheblich mehr Kündigungen wegen Geschäftsaufgaben zu verzeichnen als in den letzten fünf Jahren zusammen. Und da werden weitere folgen – allein diejenigen, die vor den Scherben ihrer Selbstständigkeit stehen und andere Sorgen als die Kündigung ihrer Verbandsmitgliedschaft haben."
Aus dem Alltag berichtet Birgit Holzmann, die zwei Studios in Walldürn und Buchen betreibt. Sie bietet neben Permanent-Make-up und kosmetischen Gesichtsbehandlungen auch Maniküre, Pediküre, Haarentfernung und Make-up-Schulungen an. "Mit der Corona-Hilfe konnten zumindest die laufenden Kosten gedeckt werden. Für jemanden, der seinen Lebensunterhalt vom Geschäft bestreiten muss, war das sicher schon schwer", informiert sie. Je länger der Zustand anhalte, umso problematischer werde es: "Es wird zur Aufgabe etlicher Geschäfte kommen", so Holzmann. Die Kundschaft könne die Schließung nicht nachvollziehen: "Viele warten sehnsüchtig darauf, dass wir wieder öffnen können. Natürlich will jeder einen der ersten Termine. Zu vielen unserer Kunden besteht ein enges, freundschaftliches Verhältnis. Diese sozialen Kontakte liegen somit ebenfalls brach", betont Holzmann.
Und wie werden die Hilfen der Politik beurteilt? "Es wäre zu wünschen, dass zumindest beantragte Hilfen zeitnah ausgezahlt würden. Die Novemberhilfe kam Ende Dezember, die Dezemberhilfe Anfang Januar. Allerdings jeweils nur ein Abschlag! Der Rest? Januar und Februar in weiter Ferne?", fragt Birgit Holzmann, die mit ihrer Mitarbeiterin Eva-Maria Link umfassende Hygienekonzepte ausgearbeitet hatte und investierte, um den Kunden einen sicheren Aufenthalt bieten zu können. "Wer nicht auf eigene Reserven zurückgreifen kann, wird langsam in Probleme geraten. Für Januar kann man noch nichts beantragen. Wenn wenigstens die Anträge November und Dezember bald geprüft und der ausstehende Rest bezahlt werden würde, wäre uns etwas geholfen. Es kommt ja schon der nächste Monat", merkt sie an und plädiert für ein langfristiges Konzept, bei dem berücksichtigt würde, wo und wodurch sich die Personen infizieren. "Diese Branchen, ob Kosmetik, Friseure, Gastronomie oder Einzelhandel, kann ich mir kaum als Ansteckungsquelle vorstellen. Wenn jeder sich an die vorgeschriebenen Auflagen hält, hätte es nicht zu so einem Infektionsgeschehen kommen dürfen. Man sieht ja, dass trotz der Schließung im November und Dezember die Infektionszahlen nicht wirklich nach unten gegangen sind", hält sie fest.
Ähnlich sieht das Gitti Scholl, die ihr Studio in Hardheim bereits 1969 in der früheren Drogerie ihres Vaters Heinz Bernhard eröffnet hatte und seit 1990 im Obergeschoss des Erfaparks wirkt. "Für den ersten Lockdown hatte ich Verständnis, zumal die Gesundheit vorgeht", bemerkt sie. Dass sie Kosmetika auf Wunsch zur Kundschaft lieferte, habe sich guter Resonanz erfreut. Auch der zweite Lockdown sei nachvollziehbar, wenngleich man die vorübergehende Schließung der Branche unter Berücksichtigung sämtlicher Hygieneregeln hätte umgehen können.
Letztlich könne man die Situation "nur aussitzen", müsse jedoch Verständnis für die Politik haben: "Die Regierung versucht alles, was in ihrer Macht steht – vergleichbare Situationen gab es ja bislang nicht", erklärt Gitti Scholl. Ein dritter Lockdown hingegen sei als große Gefahr für viele Existenzen anzusehen: "Es gibt Kolleginnen, die beispielsweise alleinerziehend sind und ihren Lebensunterhalt mit dem Kosmetikgeschäft decken müssen. Trotzdem müssen wir mit Zuversicht in die Zukunft blicken – Corona findet ein Ende!", meint Scholl.
Birgit Holzmann betreibt Kosmetik-Studios in Walldürn und Buchen. Sie musste ihre Studios bereits zum zweiten Mal schließen. Foto: Adrian Brosch