Osterburken. (ahn) "Ich kann mir nicht vorstellen, wie eine einzelne Person die Erwartungen von fast 8000 Gläubigen in zwölf Gemeinden erfüllen kann", sagt Andreas Reize, Pfarrgemeinderatsvorsitzender der katholischen Seelsorgeeinheit Adelsheim-Osterburken-Seckach. Genau diese missliche Situation könnte allerdings bald eintreten. Da die beiden Pfarrer Andreas Schneider und Martin Drathschmidt ab nächsten Frühjahr nach Bühl versetzt werden (wir berichteten), ist nun die Befürchtung in der Seelsorgeeinheit groß, dass künftig nur noch ein Pfarrer von der Erzdiözese in Freiburg gestellt wird. An diese hat der Pfarrgemeinderat deshalb einen offenen Brief geschrieben, den 250 engagierte Gemeindemitglieder unterzeichnet haben.
Es ist ein tiefer Einschnitt: Der Weggang der beiden Pfarrer ist nicht nur verwaltungstechnisch kaum zu kompensieren. Denn wenn die Doppelstelle künftig wirklich nur noch mit einem Pfarrer besetzt wird, würde sich dies vor allem für die vielen Gläubigen in der Seelsorgeeinheit negativ auswirken – besonders aus einem Grund, wie Pfarrgemeinderat Philipp Galm, der sich ebenfalls aktiv um die Zukunft der Seelsorgeeinheit sorgt, berichtet: "Wenn ein einzelner Priester zwölf Gemeinden zu betreuen hat, kann das zentrale Element der Eucharistiefeier an Sonn- und Feiertagen nur noch selten und sporadisch in den einzelnen Orten angeboten werden."
Und die Idee, das Ganze mit Laien aufzufangen? "Diese könnten nur bedingt die Rolle des Pfarrers übernehmen", sagt Reize. "Ich erwarte neue große Lücken, die teilweise zu einem Sterben von überlebenswichtigen Funktionen führen können."
Die Reduzierung auf eine Pfarrstelle hätte also für die Seelsorgeeinheit "ganz enorme Auswirkungen", wie Galm betont. "Deshalb hoffe ich auch noch immer, dass dieses Szenario nicht eintreten wird. Wir brauchen hier unbedingt zwei Pfarrer."
Um dieses Szenario abzuwenden, fordern die Verantwortlichen in der Seelsorgeeinheit, dass bei der Zuteilung von Priestern "neben der Berücksichtigung der Anzahl an Katholiken dringend auch ein Flächen- und Gemeindefaktor her muss, der dann nach fairen Kriterien Priesterstellen zusichert", wie Tobias Münch sagt, der sich ebenfalls tatkräftig für den Erhalt beider Pfarrstellen einsetzt. "Blickt man in Städte oder direkt nach Freiburg, wäre dort durchaus geistliches Personal verfügbar, sodass man auch in ländlichen Seelsorgeeinheiten wie unserer im ,christlichen Hinterland‘ mit einem Durchmesser von rund 30 Kilometern künftig nicht mit Pfarrern sparen müsste."
Naturgemäß sieht Dr. Michael Hertl, Leiter der Stabsstelle Kommunikation und Medien bei der Erzdiözese Freiburg, die Sache anders: "Keinesfalls soll der ländliche Raum in irgendeiner Weise benachteiligt werden. Die Herausforderungen sind bistumsweit die gleichen. Bei der Zuweisung der vorgesehenen Stellen in einer Seelsorgeeinheit zu den verschiedenen pastoralen Diensten sind im ländlichen Raum vergleichsweise sogar mehr Priester eingesetzt als im städtischen Kontext."
"Durchaus gibt es auch ländliche Seelsorgeeinheiten in der Erzdiözese Freiburg, die bei vergleichbarer Katholikenzahl in letzter Zeit zwei hauptamtliche Priester vor Ort zugewiesen bekommen haben", so Galm. "Und das bei weniger Kirchen und zusätzlich vorhandenen, einsatzfähigen Priester-Pensionären. Diese besser versorgten Seelsorgeeinheiten befinden sich aber eben eher nicht im nördlichen Baden. Da wäre es nur fair, wenn wir hier mit zwölf Kirchen weiterhin zwei Vollzeit-Pfarrer erhalten würden."
Und Nachteile gibt es dann auf dem Land doch, wie Galm herausstellt: "Wir leben nicht in einer Stadt, wo ich von zuhause aus gleich zwei oder drei Kirchen zu Fuß oder mit Bus bzw. Straßenbahn erreichen kann. Wenn da in der einen Kirche kein Gottesdienst stattfindet, gehe ich eben zu einer anderen." Und dies sei in der großflächigen Seelsorgeeinheit Adelsheim-Osterburken-Seckach mit ihren zwölf Gemeinden eben nicht möglich.
Zwar versichert Hertl nun, "dass das Ordinariat über die Ausschreibung der Leitung der Seelsorgeeinheit hinaus dafür Sorge tragen wird, dass ein zweiter Priester in diese Seelsorgeeinheit angewiesen werden kann, auch wenn er aller Voraussicht nach nicht in der Seelsorgeeinheit wohnen wird." Doch ein "Kann" ist noch lange keine Zusage.
Und wie geht es dann im Frühjahr nach dem Weggang der bisherigen beiden Pfarrer weiter? "Für die vakante Pfarrstelle wird es ein Bewerbungsverfahren geben, sodass möglichst bald wieder ein leitender Pfarrer vor Ort sein wird", informiert Hertl.
"Selbst wenn die Stelle schnell ausgeschrieben wird, befinden wir uns hier allerdings in einer Gegend, wo es erfahrungsgemäß nicht viele Pfarrer hinzieht", so die realistische Einordnung Galms. "Insofern rechne ich – gerade in Zeiten eines generellen Priesterrückgangs – nicht damit, dass die Bewerber uns hier die Türen einrennen."
Die Folge wäre eine längere Zeit der Vakanz, in der "die Laienarbeit der Ehrenamtlichen intensiviert werden soll und muss", wie der Pfarrgemeinderatsvorsitzende ergänzt. "Die seelsorgerische Tätigkeit wird sich auf die vorhandenen Kräfte verteilen. Ich erwarte sehr große Abweichungen zwischen Anforderungen und dem real Leistbaren."
Doch zuvor steht erst einmal der Abschied von Pfarrer Schneider und Pfarrer Drathschmidt an. "Diese haben sich auf Wunsch des Ordinariats für die Stellen in Bühl zur Verfügung gestellt, d. h., sie haben sich bewusst für neue Aufgaben entschieden und dem Stellenwechsel zugestimmt", berichtet Hertl auf RNZ-Anfrage.
"Das mag durchaus sein", so Galm. "Aber: Diese Zustimmung zu den Wechselplänen der Erzdiözese ist ganz klar vor dem Hintergrund zu sehen, dass eine Versetzung unserer Pfarrer anstand und dann letztlich unumgänglich war. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass die beiden um eine Versetzung gebeten hätten."
Dies deckt sich mit den Aussagen der beiden Pfarrer, die gegenüber der RNZ versicherten, dass sie noch gerne länger in der Seelsorgeeinheit Adelsheim-Osterburken-Seckach geblieben wären (wir berichteten).
Bei aller Kritik an der Personalpolitik der Erzdiözese wollen die Verantwortlichen der Seelsorgeeinheit in einen konstruktiven Dialog treten. "Wir suchen das Gespräch und sind an einer sachorientierten und fairen Lösung zwischen Diözese und Pfarrgemeinderat interessiert", so Galm. "Nur gemeinsam können wir eine nachhaltige Lösung zur Zufriedenheit aller Beteiligten erarbeiten", ist sich auch Reize sicher. Deshalb steht weiterhin seine Einladung, die er bereits im offenen Brief an die Erzdiözese formuliert hatte: "Ich lade Sie in das Bauland ein, zusammen mit dem Gremium des Pfarrgemeinderates die Diskussion vor Ort fortzusetzen."
Info: Der offene Brief ist online unter www.se-aos.de einsehbar.