Nahezu leere Innenstadt: Nicht nur in Buchen hoffen die Einzelhändler darauf, möglichst bald wieder öffnen zu dürfen – gern auch unter Auflagen. Foto: Martin Bernhard
Neckar-Odenwald.Kreis. (mb) In die Höhle des Löwen haben sich die beiden CDU-Bundestagsabgeordneten Nina Warken und Alois Gerig bei einem Gespräch mit teilweise aufgebrachten Einzelhändlern aus dem Neckar-Odenwald- und dem Main-Tauber-Kreis begeben. Die Politiker zeigten weitgehend Verständnis für die Kritik der Händler an der Zwangsschließung und forderten baldige Öffnungen in Verbindung mit dem verstärkten Einsatz von Masken und Schnelltests.
In der ersten halben Stunde des gut eineinhalbstündigen Online-Gesprächs informierte Thomas Bareiß, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, über Fördermaßnahmen und den aktuellen Stand der Dinge. Ziel müsse es sein, bestehende Strukturen im Einzelhandel zu erhalten. Man müsse die Zahlungsfähigkeit der Händler sichern, "damit es nach der Krise weitergehen kann". Deshalb bezuschusst der Staat die Händler mit 90 Prozent ihrer Fixkosten. Zudem sollen sie ihre Winterware steuerlich abschreiben können. "Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben", sagte Bareiß. "Wir müssen in den nächsten Wochen die Läden wieder öffnen."
Auch zu den November- und Dezemberhilfen für die Gastronomen äußerte sich der Staatssekretär. Diese erhielten drei Viertel ihres Umsatzes erstattet, anfangs allerdings nicht mehr als eine Million Euro im Monat wegen entsprechender EU-Vorgaben. Jetzt darf der Zuschuss auch höher sein. Dieser könne allerdings erst in den nächsten Tagen beantragt werden. Dass bei der Bezuschussung zwischen Gastronomie und Einzelhandel unterschieden werde, erklärte Bareiß damit, dass Hotels und Restaurants von den Corona-Maßnahmen besonders betroffen seien. Einzelhändler würden mit der Überbrückungshilfe III gut unterstützt. Diese könnten auch Catering-Betriebe beantragen sowie andere Mischbetriebe wie Brauereien und Vinotheken von Weinbauern. Auch Bareiß missfällt, dass Supermärkte Nonfood-Artikel wie Schnittblumen und Haushaltswaren verkaufen dürfen, während Fachgeschäfte geschlossen sind. "Unsere Städte sollen lebens- und liebenswert bleiben", forderte er.
Anschließend stellten sich Nina Warken und Alois Gerig den Fragen der Einzelhändler. Nina Warken hält eine Gleichstellung des Einzelhandels bei der Senkung der Umsatzsteuer für sinnvoll. Auch sie forderte, "bei aller gebotenen Vorsicht, Perspektiven zu bieten", zum Beispiel durch verstärktes Testen und Impfen. Alois Gerig pflichtete ihr bei: "Die vier Großen im Einzelhandel stopfen sich die Taschen voll und bewerben offensiv alle möglichen Produkte!"
Ein Textilhändler aus Bad Mergentheim kritisierte die Schließung der Fachgeschäfte generell: "Das kann man keinem vernünftigen Menschen erklären!" 90 Prozent der Kundenfrequenzen fänden im Lebensmitteleinzelhandel und in Drogeriemärkten statt. "Man hat den Innenstadthandel als Symbol geschlossen", sagte er, obwohl dort die Ansteckungsraten sehr gering seien.
"Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll", klagte eine Hutmacherin. Ihr würden durch den Staat nur die Fixkosten erstattet. Aber wovon soll sie leben, wie ihre Kreditraten zahlen? Mehrere Händler stellten fest, dass sogenanntes "Click & Collect", also online bestellen und die Ware abholen, bei älteren Menschen nicht funktioniere. Stattdessen sollte ein Einkauf nach Terminabsprache möglich sein. "Wir können einzelne Leute in das Geschäft lassen, ohne dass etwas passiert", versicherte die Hutmacherin. Dem stimmte Nina Warken zu. "Da wird sich nächste Woche im Gespräch mit der Kanzlerin etwas tun", stellte Gerig in Aussicht. "Der Druck ist enorm!"
Auch Meni Ala vom Wildpark Bad Mergentheim äußerte sein Unverständnis darüber, dass er seinen Park nicht öffnen darf, zur Not auch mit begrenzter Besucherzahl. "Das sind Dinge, über die man intensiv reden muss", sagte Alois Gerig. "Die Politik hat uns lange Zeit kein Gehör geschenkt", klagte eine Textilhändlerin aus Tauberbischofsheim. "Wo war die langfristige Strategie der Politik?", fragte sie. "Das Pulverfass ist kurz vor dem Explodieren!"
Gerig äußerte Verständnis für die Situation der Händler. "Natürlich ging alles zu langsam. Aber ich habe bisher noch nicht erlebt, dass die Politik so schnell gehandelt hat wie jetzt." Zwischenzeitlich hatte sich Minister Peter Hauk zu der Diskussion zugeschaltet. Er wies darauf hin, warum der zweite Lockdown vor Weihnachten verordnet wurde: "Alle Virologen haben gesagt, dass das in einer Katastrophe enden wird. Wir mussten die Zahl der Kontakte sofort verringern." Seit dem 3. Januar gingen die Zahlen allerdings zurück. "Es muss jetzt die Zeit der Erleichterungen kommen", forderte er. Die Krankenhäuser seien nicht überlastet. Man müsse den kleinen Einzelhandel in Verbindung mit Kundenterminvereinbarungen öffnen, sagte Hauk. Auch er sprach sich dafür aus, verstärkt mit Schnelltests und dem Tragen von Masken die Infektionsgefahr zu verringern.