Mittlerweile sind diese Häuser von weiterer Bebauung umringt. Nur einen Steinwurf nach Norden entfernt entsteht das nächste Hardheimer Neubaugebiet „Trieb II“. Foto: Adrian Brosch
Von Adrian Brosch
Hardheim. Weiterentwicklung ist eine Frage der Zeit: Aktuell wächst Hardheim mit dem Neubaugebiet "Trieb II" sukzessive weiter nach Norden. Vor rund drei Jahrzehnten stand das Thema ebenfalls im Raum und wurde eindrucksvoll verwirklicht: Das Resultat dieser Überlegungen ist das heute selbstverständlich zu Hardheim gehörende Neubaugebiet "Klingenweg-Breitenstein" zwischen Uhlandstraße und Querspange.
Bereits seit geraumer Zeit hatte man sich im Gemeinderat mit der Frage beschäftigt, wie man Herr über die akut bestehende Wohnungsnot werden könnte. Das Gebiet unter der heutigen Querspange, das seinerzeit noch aus rein landwirtschaftlich genutztem Wiesen- und Ackerland bestanden hatte, erwies sich frühzeitig als Favorit für eine Neubausiedlung. Der Bereich habe sich laut Altbürgermeister Ernst Hornberger angeboten, weil er fast ausschließlich in Eigenbesitz der Gemeinde gewesen sei. Ursprünglich hatte man die früher in Streubesitz befindlichen Grundstücke der Reihe nach erworben, weil der Standort für den Bau eines Gymnasiums vorgesehen gewesen sei. Dies aber habe sich zerschlagen. "Es war nicht mehr genehmigungsfähig", erinnert sich Hornberger. Auch einen "Wohnbauschwerpunkt" konnte man nicht bekommen – das Gebiet oberhalb der Querspange war seinerzeit noch als "militärisches Freihaltegebiet" gekennzeichnet, was aus Ländersicht eine Wohnbebauung ausschloss.
Altbürgermeister Ernst Hornberger. Foto: Adrian Brosch"Die Gemeinde hat die Fäden daraufhin selbst in die Hand genommen", erklärt Hornberger. So wurde der Bereich gut 15 Jahre lang rein landwirtschaftlich genutzt, bis 1988 die notwendigen Erdarbeiten für eine Erschließung begannen. Dabei ließ die Gemeinde drei bereits bestehende Straßen (Lessingstraße, Herderstraße und Wielandstraße) nach oben hin erweitern und den Klingenweg, dessen heutige Verlängerung seinerzeit noch ein reiner Wirtschaftsweg gewesen ist, ausbauen. Die Immanuel-Kant-Straße wurde als neue Verbindung unterhalb der Querspange erschlossen. Den Namen zur Ehre des berühmten deutschen Philosophen der Aufklärung legte der Gemeinderat Ende 1990 fest.
Inmitten der Vorbereitungen zeichnete sich jedoch die Wendezeit mit ihren "möglichen" Auswirkungen ab, die in den anfänglichen Planungen zunächst nicht abschätzbar war. Die Folge: Der Bebauungsplan wurde 1989 geändert: Statt exklusiver Einzelhausbebauung verfolgte die Gemeindeverwaltung – von Bund und Land über das Wohnbauprogramm gefördert – das Ziel sozialen Wohnungsbaus, um neuen Mitbürgern rasch Wohnraum bereitzustellen. Die Neuausrichtung geschah nicht ohne Grund: Nachdem Ende 1988 die ersten Spätaussiedler nach Hardheim gekommen waren, verschärfte sich die Wohnungsnot zusätzlich. Eine gemeinsam mit den Kirchen konzertierte Aktion, ungenutzte Wohnräume vorübergehend bereitzustellen, war nicht von Erfolg gekrönt, was andere Lösungen erforderte.
Die Mehrfamilienhäuser im Klingenweg konnten vor 30 Jahren zur Zeit der Wende bezogen werden und linderten die akute Wohnungsnot in Hardheim. Foto: Adrian BroschIn den neu errichteten Wohnungen fanden neben "Ur-Hardheimern" viele Menschen verschiedenster Nationalitäten eine neue Heimat: In der Hauptsache waren es wie ursprünglich vermutet Russlanddeutsche, die dort einzogen und sich entgegen manch voreiliger Befürchtung in Hardheim gut einlebten und sich integriert haben. Wesentlich dazu beigetragen hatten zuverlässige Arbeitsgruppen und Ansprechpartner der katholischen und evangelischen Kirche. Dazu trug ein gut besuchtes Straßenfest bei, das Diakon Franz Greulich in Zusammenarbeit mit der Kolpingsfamilie organisiert hatte: Dabei servierten die Russlanddeutschen Spezialitäten und Getränke aus ihrer Heimat. Als Sprecher fungierte Johann Staudinger (1928–2008), der im stetigen Kontakt mit der Gemeindeverwaltung stand. In der Musikschule hatten Personen mit abgeschlossener musikalischer Ausbildung eine freiberufliche Anstellung auf Honorarbasis bekommen und somit rasch gesellschaftlichen Anschluss in ihrer neuen Heimatgemeinde gefunden.
Auch der Wohnungsmarkt entspannte sich merklich: 1991 waren bereits 60 Wohneinheiten geschaffen worden. Nach und nach wurden bis 1994/95 noch Neubauten errichtet. Geplant waren insgesamt gut 350 neue Wohnungen. Das neue Baugebiet erfreute sich hoher Beliebtheit: "Die Nachfrage nach Bauplätzen [...] war enorm, sodass mittlerweile keine Bauplätze mehr zur Verfügung stehen", resümierte eine erste rückblickende Zusammenfassung der Gemeindeverwaltung vom August 1992.
Vergleicht man die Zeitfenster miteinander, so stünde eine nächste Erweiterung Hardheims in rund drei Jahrzehnten an. Nun freilich bleibt die rhetorisch zu verstehende Frage, in welche Himmelsrichtung eine mögliche räumliche Expansion der Erftalgemeinde dann erfolgen könnte – schließlich ist Weiterentwicklung immer eine Frage der Zeit.