Schäferin Andrea Maihöfer lässt ihre 300 Schafe bei Götzingen weiden. Unser Foto zeigt sie mit ihrem Hund Anni und einigen Götzingern, die sie besucht haben: (v.l.) Ortsvorsteherin
Daniela Gramlich, Klaus Öppling, Theo Jaufmann und Erhard Stieber. Foto: Walter Jaufmann
Götzingen. (jm). "Schafe zur Linken, das Glück wird dir winken ..." meinte einst ein heute mangels Schafherden in der Landschaft weitgehend in Vergessenheit geratenes Sprichwort. Doch wer in diesen Tagen in Götzingens Fluren unterwegs ist, mag sich wundern und sich daran erinnern. Bei älteren Einwohnern dürfte der Anblick einer Schafherde von über 300 Tieren vermutlich nostalgische Erinnerungen wecken an die Zeit, als Schäfer Valentin Weimer mit seinen Schafen in der Götzinger Gemarkung ein ganz selbstverständlicher Anblick war, hier und da seinen Pferch aufschlug und aufgrund seiner Beobachtungen der Natur und Erfahrungen mit den Tieren für die Landwirte vielfach als "Wetter-Prophet" gefragt war.
Für etwa 14 Tage weilt zur Zeit Schäferin Andrea Maihöfer in Götzingen, um die etwa zehn Hektar Wildblumenwiesen zu beweiden, die ja bekanntlich unter ganz besonderen Voraussetzungen angelegt wurden und auch nach strengen Vorgaben im Interesse von Natur- und Artenschutz nachhaltig und langfristig zu unterhalten und zu pflegen sind.
Maihöfer war von Mai dieses Jahres bis September mit ihren Tieren zur Sommerweide auf dem Standortübungsplatz der Bundeswehr in Wolferstetten bei Külsheim "zuhause". Ende September brach sie mit ihrer Herde von dort auf und hat nach Aufenthalten in mehreren Gemeinden nun ihre naturfreundlichen tierischen Landschaftspfleger in Götzingen im Einsatz.
Bald wird sie mit ihren Schafen weiterziehen, über die Winterweide in Schorndorf bis nach Albstadt, dem Hauptsitz der Schäferei mit rund 600 Schafen.
Dort angekommen, haben die Tiere, überwiegend der Rasse Merino-Landschaf angehörend, eine Strecke von über 300 Kilometern zurückgelegt. Im Frühjahr geht es, dann allerdings per Lkw, wieder zurück auf die Sommerweide in Wolferstetten.
Ein Gespräch mit der Schäferin, die seit 23 Jahren mit ihren Schafen durch die Lande wandert, lässt erahnen, wie elementar dieser Beruf den Alltag und das Leben prägt. Zu erfahren ist aber auch, welche Bedeutung dieser Zweig der Landwirtschaft noch immer hat und mit welchen Problemen er zu kämpfen hat.
Speziell die Wanderschäferei erfordert viel Leidenschaft und Idealismus von den "guten Hirten", steht aber vor extremen Herausforderungen.
Unbestritten ist die Bedeutung der Schafhaltung und besonders die Wanderschäferei für die Landschaftspflege sowie die Erhaltung und Ausbreitung der Artenvielfalt. Auch die Landwirtschaft zieht daraus Nutzen, wenn beispielsweise die Schafe beim Beweiden mit ihrem "goldenen Tritt" die Mauslöcher auf den Wiesen verschließen.
Kopfzerbrechen bereiten den Schäfern die immer intensivere Bewirtschaftung in der modernen Landwirtschaft mit bis zu drei Mahden der Wiesen, die vermehrte Ausbringung von Gülle, durch die viele Flächen für die Beweidung ausfallen, aber auch das immer häufigere Auftreten des Wolfes sowie die stark zunehmenden Freizeitaktivitäten beeinträchtigen die Schäferei.
Besonders hart treffen diese Veränderungen die Wanderschäferei, die bereits stark zurückgegangen ist und überhaupt nur noch in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen betrieben wird. Inzwischen ist sie eigenwirtschaftlich nicht mehr zu betreiben, sie ist vielmehr von Zuschüssen und Subventionen abhängig.
So bleibt letztlich nur zu hoffen, dass im Interesse der Naturpflege und der Landwirtschaft allen veränderten Strukturen zum Trotz noch recht lange Schäferinnen und Schäfer mit ihren Herden über die Wiesen und Felder ziehen werden, nicht zuletzt auch zur Freude und zum Nutzen der Menschen – schließlich gehören Schafe zu den ältesten Nutztieren und Begleitern des Menschen.