Von Rüdiger Busch und Tanja Radan
Buchen. Der örtliche Handel zählt zu den großen Verlierern der Coronakrise: Während die Läden schließen mussten – und wohl bald schon wieder schließen müssen – boomte der Onlinehandel wie nie zuvor. Doch es gibt erfreuliche Ansätze: Immer mehr Menschen wird bewusst, dass sie es mit ihrem Einkaufsverhalten selbst in der Hand haben, wie ihre Stadt in Zukunft aussehen wird. Darüber, über die Großbaustelle in der Marktstraße und über die Zukunftsaussichten der Buchener Fußgängerzone haben wir uns im Rahmen unserer Serie "Innenstadt im Wandel" mit dem Vorsitzenden Marko Eichhorn und seiner Stellvertreterin Simone Farrenkopf von der Aktivgemeinschaft unterhalten.
Die Vorweihnachtszeit ist für den Handel enorm wichtig. Wie läuft das Weihnachtsgeschäft im Corona-Jahr?
Eichhorn: Sehr bescheiden. Sogar die Gutscheine der Aktivgemeinschaft, die sonst vor Weihnachten immer ein Renner sind, werden kaum nachgefragt.
Farrenkopf: Als Schuhgeschäft haben wir nicht so das typische Weihnachtsgeschäft. Unsere Hauptsaison ist das Frühjahr. Was aber auffällt: Hausschuhe finden reißenden Absatz: Die Leute wollen es sich zuhause gemütlich machen. Dafür sind seit dem Teil-Lockdown deutlich weniger Menschen in der Stadt unterwegs. Erst dieser Tage hat mich eine auswärtige Kundin angesprochen: Sie war erschrocken, wie leer es in der Stadt ist.
Bürgermeister Burger sagte im RNZ-Interview, dass viele Bürger in der Corona-Krise den Wunsch haben, verstärkt lokal einzukaufen. Können Sie das bestätigen?
Farrenkopf: Ja! Nach dem ersten Lockdown sind wir bis Mitte Oktober gut durchs Jahr gekommen. Die Kunden haben uns die Treue gehalten, und sie sind gerne gekommen. Anders als in den großen Zentren herrscht in Buchen kein dichtes Gedränge, es gibt ausreichend Platz, um Abstand zu halten, und das haben die Kunden honoriert.
Eichhorn: Während und nach dem ersten Lockdown war eine große Unterstützung spürbar, sowohl von der Bevölkerung als auch vonseiten der Stadt. Ich denke da zum Beispiel an den Webshop "I love Buchen" und an viele weitere Aktivitäten.
Farrenkopf: Teresa Dittrich und Sarah Wörz von der Stadt haben sich da ganz viel einfallen lassen. "Genieß dei Buche" oder das "Schützenmärktchen" waren tolle Aktionen, die von den Bürgern sehr gut angenommen wurden.
Wie fällt bei Ihnen die Bilanz des Corona-Jahres aus?
Eichhorn: Für mich war es ein katastrophales Jahr. Und auch die meisten Kollegen haben deutliche Einbußen zu verzeichnen.
Farrenkopf: Wer nicht gerade Lebensmittel, Masken oder Desinfektionsmittel verkauft, hat Einnahmeverluste – bei vielen im zweistelligen Bereich. Die Folgen des ersten Lockdowns schleppen wir durchs ganze Jahr. Da so viele Veranstaltungen ausgefallen sind, blieben auch die zugehörigen Einkäufe wie neue Schuhe anlässlich eines großen Festes aus. Die Situation der Händler beim jetzigen Lockdown light hat ein Kollege schön umschrieben: "Wir verhungern bei offener Ladentür!"
Der lokale Handel muss sich seit Jahren gegen Online-Giganten behaupten. Hat sich der Konkurrenzdruck durch Corona weiter verschärft?
Eichhorn: Eindeutig ja. Die Großen profitieren, und die Kleinen müssen schauen, wo sie bleiben. Aber klar ist: Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Das Internet ist nicht nur Konkurrent, sondern für manchen kleineren Händler auch eine Chance, von diesem riesigen Markt zu profitieren. Wir brauchen nämlich ein zweites Standbein.
Farrenkopf: Man muss es auf jeden Fall ausprobieren. Deshalb bin ich über meinen Schatten gesprungen: Seit dem ersten Lockdown sind wir auf dem Portal schuhe.de gelistet, so dass wir unsere Schuhe inzwischen auch über Amazon verkaufen. Ich habe an diesem Montag beispielsweise mehr Schuhe verschickt als im Laden verkauft. Die Pakete gingen auch in größere Städte wie beispielsweise nach Hamburg, wo an Schuhläden ja kein Mangel herrscht. Das zeigt: Die Menschen wollen derzeit nicht rausgehen. Nichtsdestotrotz genießt das Ladengeschäft erste Priorität.
Der zweite harte Lockdown steht kurz bevor: Was halten Sie als Händler davon?
Eichhorn: Um die Zahlen in den Griff zu bekommen, sind Verschärfungen notwendig. Ein kurzer, harter Schnitt wäre auch aus wirtschaftlicher Sicht besser als eine Salami-Taktik, die sich lange hinzieht.
Nicht nur Corona hält manchen vom Stadtbummel ab, sondern auch der Ausbau der Marktstraße und die einhergehenden Einschränkungen. Wie haben Sie die Bauphase erlebt?
Eichhorn: Es ist in der Tat mitunter schwer zu unterscheiden: Liegt es an Corona oder an der Baustelle? Ich kann allen Beteiligten nur ein großes Kompliment aussprechen: Die Arbeiten sind gut und zügig verlaufen. Und wir hatten Glück im Unglück, dass beides zusammengekommen ist und wir nun gute Rahmenbedingungen für ein hoffentlich besseres Jahr 2021 haben.
Farrenkopf:Das stimmt: Es wäre nicht auszudenken, wenn wir ein Jahr Einschränkungen wegen Corona hätten und im nächsten Jahr dann die Baustelle. So haben wir 2021 eine schöne Innenstadt mit einer hohen Aufenthaltsqualität, mit einem tollen Pflaster, einer Sitzgelegenheit um den Brunnen: Alles wird schöner und einladender!
Wie bewerten Sie generell die Entwicklung der Innenstadt?
Farrenkopf: Ebenfalls sehr positiv. Dass es kaum noch Leerstände gibt, ist wunderbar. Hut ab vor denen, die in dieser Zeit neue Geschäfte oder Dienstleistungsbetriebe eröffnet haben.
Wie wird die Buchener Innenstadt Ihrer Meinung nach in zehn Jahren aussehen?
Farrenkopf: Ich bin Optimistin, von daher hoffe ich, dass es auch dann noch eine lebendige Innenstadt mit Geschäften und gastronomischen Angeboten gibt. Das hängt aber stark vom Verhalten jedes Einzelnen ab: Die Kunden haben es in der Hand. Und wir Händler müssen die Menschen zuhause vom Sofa abholen und ihnen etwas bieten, für das es sich lohnt, in die Stadt zu kommen.
Eichhorn: Ich würde mir in der Marktstraße Tagesgastronomie und Außengastronomie wünschen. Das würde die Stadt beleben, es würden mehr Menschen flanieren und davon würden letztlich natürlich auch wir Händler profitieren.
Farrenkopf: Wir sind in Buchen in der glücklichen Lage, dass wir über eine gute und vielfältige Gastronomie verfügen. Aber für den Wohlfühlfaktor wäre ein Café oder Bistro direkt im Herzen der Stadt mit einem schönen Außenbereich wirklich wünschenswert.
Eichhorn: Die Innenstadt wird es weiter geben, sie wird sich nur verändern. Schon jetzt fällt auf, dass es verstärkt Dienstleister in die Marktstraße zieht. Aber ich bin davon überzeugt, dass es auch in Zukunft noch Geschäfte in der Stadt geben wird.