Jan Pascal Stieber (l.) und Alexander Kilian von „Café del Mundo“ haben die Anzahl der Akteure beim Dreh im Odenwälder Freilandmuseum in Gottersdorf mit kreativen Mitteln so gering wie möglich gehalten. Fotos: Catharina Treber / Jan Pascal
Gottersdorf/Buchen. (adb) Zur Kulisse eines szenischen Musikvideos mutierte dieser Tage das Odenwälder Freilandmuseum: Im historischen Ambiente ließen Jan Pascal Stieber und Alexander Kilian – besser bekannt als "Café del Mundo" – ihr erstes Video drehen. Das Museum erwies sich vor allem im zeitlichen Kontext als treffliche Wahl: Das Video, das drei Wochen lang intensiv geplant wurde, gehört zum Lied "Letter from Home" und zeichnet ein Bild Süddeutschlands etwa im Sommer 1945.
Diese Zeit weist durchaus Parallelen zur aktuellen Corona-Pandemie auf, aus der die Gesellschaft noch nicht entlassen ist: "Die nonverbale Aussage des Videos besteht darin, dass sich manche Einschränkungen der aktuellen Pandemie wie die derzeit begrenzte Reisefreiheit und die materielle Reduktion der Nachkriegszeit ähneln, dennoch aber überall Freude wartet. Sie will nur kreativ entdeckt werden, zumal auch unsere Heimat doch wunderschön ist", erklärt Jan Pascal Stieber. Auch wird ein Plädoyer für den klassischen, handschriftlichen Brief gehalten – WhatsApp-Nachrichten landen schließlich nicht für die Nachwelt in Kartons auf dem Speicher.
"Es ist das erste narrative, szenisch dargestellte Musikvideo, das wir selbst realisieren ‚müssen‘", lässt Jan Pascal Stieber wissen und erinnert an die aktuelle Situation, die zu mehr Kreativität aufrufe. Produziert wird das Video für den "Café del Mundo"-YouTube-Kanal – aus gutem Grund, wie er erklärt: "Dort verzeichnen wir aktuell ein zehnfach höheres Aufkommen wie gewohnt."
Allerdings müsse man ein wenig improvisieren: "Da wir noch immer nur vereinzelt Konzerteinnahmen verzeichnen können, dies aber unsere Haupteinnahmequelle darstellt, geschieht das alles unter der Prämisse ‚Make the most of nix‘. Das bedeutet, wir sind auf gewogene Menschen angewiesen und damit auf die kreative Mitarbeit unseres geschätzten langjährigen Teams", stellt er klar. Dass man in der Vergangenheit etwa bei fiktionalen Drehs mit dem ZDF in Andalusien entsprechende Erfahrungen sammeln konnte, ermutigte die Musiker zur Eigeninitiative. Kamera und Regie führt Alexander Kilian.
"Maßgebliche Ermutigung und tatkräftige Unterstützung erhielten wir von Catharina Treber aus Wiesbaden, die selbst die Rolle der Postbeamtin spielt. Sie ist Produktionskollegin einer großen Sendeanstalt und bringt rund zwei Jahrzehnte Erfahrung im szenischen Drehen mit", verrät Stieber. Ein weiterer Dank gebührt Museumsleiterin Margareta Sauer. "Sie überließ uns das Museum für das künstlerische Arbeiten, so floss eines ins andere", betont er und kommt auf die besondere Requisite zu sprechen.
Catharina Treber spielt im Musikvideo eine Postbeamtin. Im echten Leben hat sie rund 20 Jahre Erfahrung im szenischen Drehen.Wenn ein Video in der Vergangenheit spielt, muss es diese auch realistisch präsentieren. So hat eine Walldürner Zweiradfirma das alte NSU-Fahrrad wieder in einen fahrbereiten Zustand versetzt, während die Hamburger Stylistin Stefanie Schmidt die Ausstattung einbrachte. "Letzte Details wie den originalen Füllfederhalter ermöglichte das Online-Auktionshaus Ebay", freut sich Stieber. Auch technisch gab es keine Probleme: "Lichttechnik und Bühnennebel besorgte uns der Buchener Veranstaltungstechniker Häfner, für die Unterbringung und Versorgung am Ort erhielten wir freundlichste Unterstützung vom Ferienhof Schieser. Make-up und Maske führte Corona Friedrich aus München via WhatsApp aus. Zum einen wegen der Kostenersparnis, zum anderen wegen der Beschränkungen hielten wir so die Akteure am Drehtag auf ein absolutes Minimum beschränkt", erklärt der Musiker.
Die Zeit im Freilandmuseum und das Museum als solches freilich hinterlassen Eindrücke von besonderem Charisma und bleibendem Wert: "Dieses wunderbare Museum ist der perfekte Ort für historische Darstellungen. Ein inspirierendes Kleinod, seit jeher für mich persönlich Naherholungsgebiet. Die sofort mitschwingende Leiterin Margareta Sauer trug maßgeblich zum Gelingen des Projekts bei", hebt Jan Pascal Stieber hervor und spricht von einem faszinierenden Habitus der Örtlichkeit.
"Hier werden die Erzählungen meines Großvaters (Jahrgang 1922) zu wertvollen und konkreten Bildern", fasst er seine Beobachtungen zusammen. Dazu trage auch das Video bei – schließlich sei der Dreh nicht nur eine besondere künstlerische und musikalische Erfahrung, sondern auch eine Retrospektive für Herz und Geist. "Man fühlt sich in die Zeit und unternimmt eine innere Reise, von der man bereichert wieder in die Gegenwart zurückkehrt", betont er. Auch unter diesem Aspekt ließe sich ein Musikvideo eher als "berührende Kunst" denn als "musikalischer Kurzfilm" beschreiben.
Der Dreh nahm aufgrund des doch recht wechselhaften Wetters zwei Tage in Anspruch, ehe die "Nacharbeit" am Videoschnittarbeitsplatz begann. Hier wirkt Alexander Kilian: "Als Kameramann und Regisseur schneidet er in unserem Fall auch selbst und weiß beim Filmen schon genau, welche Szenen später moniert werden", führt Stieber aus. Schließlich ist der Qualitätsmaßstab hoch: "Unser Anspruch ist, TV-sendefähiges Material zu produzieren", lässt er zum Ende des Gesprächs anklingen. Einen ersten Trailer zum Musikvideo gibt es bereits auf YouTube im Kanal "Café del Mundo (official)".