Buchen. (rüb) Ein Mangrovenwald mitten im Odenwald? Natürlich nicht, aber es sieht beeindruckend aus, was der Biber hier am Hollerbach, direkt hinter dem Hollersee, erschaffen hat. Der aufgestaute Bach sorgt dafür, dass die Bäume komplett im Wasser stehen. Inzwischen ist der Biberdamm so breit, dass die angrenzende Wiese großflächig überflutet ist. Und da sind wir auch schon bei der Schattenseite der Schaffenskraft des putzigen Nagers: So positiv sein Wirken für die Natur, für die Entstehung neuer Ökosysteme ist – gleichzeitig führen seine Fähigkeiten als Landschaftsgestalter immer wieder zu Konflikten mit betroffenen Landwirten. Die Stadt sucht deshalb das Gespräch mit dem Grundstücksbesitzer und dem Pächter der Wiese.
Bereits vor einem Jahr waren beim Hollersee Aktivitäten des Bibers festzustellen gewesen. Damals hatte er seinen Damm oberhalb der Fußgängerbrücke gebaut. Doch dann war er erst einmal verschwunden: "Nach einem Hochwasser, bei dem im Hollerbach auch weitere Biberdämme geschleift wurden, war er plötzlich weg", berichtet Joachim Bernhardt. Der Forstdirektor a. D. ist einer von aktuell drei Biberberatern im Landkreis."Wir stellen fest, dass der Biber meist nur für kurze Zeit verschwindet und dann zurückkehrt", erklärt der Experte.
So war es auch diesmal: Der damals noch recht kleine Damm sorgte schon Anfang August erstmals dafür, dass die Wiese überflutet wurde. Seither ist der Damm immer weiter Richtung Wiese gewachsen. Inzwischen ist er bestimmt 20 Meter breit, und die Folgen sind unübersehbar. Denn der Biber gestaltet sein Lebensumfeld nach seinen Bedürfnissen um. Und dafür braucht er stehendes Wasser. Um sich vor Feinden zu schützen, die bei sinkendem Wasserstand in seinen Bau eindringen könnten, der sich am Damm befindet, legt der Biber solche Stauseen an.
Ein von den Mitarbeitern des städtischen Bauhofs am Biberdamm vorgenommener Eingriff – ein sogenannter Bypass, der dafür sorgt, dass das Wasser teilweise abfließt – brachte nicht die erhoffte Wirkung: "Abends waren die Arbeiten abgeschlossen, am nächsten Morgen hatte der Biber den Damm schon wieder repariert", berichtet Fachdienstleiter Marcus Wörner von der Stadt. Joachim Bernhardt weiß: "Der Biber lässt sich solche Eingriffe nicht gefallen." Und der fleißige Nager ist dem Menschen immer ein Stück voraus: "Wir verlieren, wenn wir gegen den Biber arbeiten!"
Als Biberberater arbeitet Bernhardt im Spannungsfeld zwischen den streng geschützten Tieren und den nachvollziehbaren Wünschen der Betroffenen, die Auswirkungen des Bibers zu verringern. Lässt man die negativen Folgen für den betroffenen Landwirt für einen Moment außer acht, dann ist es einfach nur schön, was das kleine Tierchen hier am Hollersee geschaffen hat: "Mit dem Biber kehrt die Natur zurück", erklärt Bernhardt, der auch Naturschutzbeauftragter des Kreises ist. Durch das Aufstauen des Wassers entsteht ein neues Ökosystem, Lebensraum für Arten, die es vorher hier nicht gab und denen der Mensch überall den Platz zum Leben nimmt. Der Biber gibt ihn ihnen zurück.
"Wir können froh sein, dass wir den Biber haben: Er ist ein famoser Baumeister, der die Natur zurückbringt." Er fördert aber nicht nur die Artenvielfalt, sondern er sorgt mit seiner Art der Landschaftsgestaltung auch dafür, dass sich die Strömungsgeschwindigkeit der Gewässer reduziert, und er betreibt auch Hochwasserschutz – kostenlos und auf ganz natürliche Weise.
Die Schattenseite – die Folgen dieser Eingriffe für den Grundstücksbesitzer und den Landwirt, der die Wiese gepachtet hat – darf man jedoch nicht einfach außer acht lassen. Solche Konflikte zu lösen, ist die Hauptaufgabe von Joachim Bernhardt und den beiden weiteren Biberberatern im Kreis. Idealerweise sollte man betroffene Flächen aus der Nutzung nehmen, indem sie abgekauft würden oder durch einen Grundstückstausch.
Ein Gespräch zwischen Vertretern der unteren Naturschutzbehörde, der Stadt und den Betroffenen sei geplant, so Marcus Wörner. "Dabei wollen wir klären, wie weiter verfahren werden soll: Wir hoffen auf gute Gespräche und eine einvernehmliche Lösung!"
Auch wenn es diese Lösung geben sollte, wird der Bauhof mit dem Biber weiter Arbeit haben: "Da der Hollersee ein Naherholungsgebiet mit viel Publikumsverkehr ist, müssen wir die Aktivitäten des Bibers genau beobachten." Das größte Nagetier Europas bringt nämlich durchaus auch mögliche Gefahren für Leib und Leben mit sich: "Wenn er Bäume annagt, die in Richtung der Wege fallen könnten, müssen wir aktiv werden." Manche werden dann vorsorglich gefällt, wie gerade erst vor wenigen Tagen direkt am Weg geschehen. Andere werden mit Draht umwickelt, damit der Biber nicht weiter an ihnen nagen kann.
Ein Steinwurf vom Weg entfernt sind gerade zwei dicke Baumstämme zu sehen, die deutliche Biberspuren aufweisen: "Die lassen wir ihm, da sie nicht auf den Weg fallen können", erklärt Marcus Wörner. "Schließlich braucht er ja auch eine Beschäftigung!"
Übrigens: Der Biber am Hollersee ist wohl nicht der einzige, der im Hollerbach heimisch geworden ist. Richtung Hollerbach hat Joachim Bernhardt weitere sieben oder acht Dämme gezählt. "Möglicherweise handelt es sich um ein zweites Biberrevier", meint der Fachmann.
Die Biberberater:
Joachim Bernhardt
Telefon: 06281/557117
E-Mail: jobernhardt@web.de
Martin Kuhnt
Telefon: 06282/248452
E-Mail: biberberater@kuhnt.eu
Markus Volk
Telefon: 06261/841074
E-Mail: markus.volk@neckar-odenwald-kreis.de