Die jüngsten Besucher freuten sich unter anderem über die „Rio Grande“-Wildwestbahn. Foto: Dorn
Von Günther Grosch
Weinheim. Solche (wahren) Geschichten sind nur in der Vorweihnachtszeit möglich: Lea ist fast vier Jahre alt und kann zum Leidwesen ihrer Eltern weder tagsüber noch zur Schlafenszeit auf ihren Schnuller verzichten. Von seinen irdischen Helfern erfuhr davon auch der Weststadt-Nikolaus. Und weil am Samstag "zufällig" auch Lea auf den Kurt-Schuhmacher-Platz bei der Eröffnung des Weststadt-Zeltdorfes anwesend war, sprach sie der Nikolaus darauf an. Ob sie ihm im Tausch gegen ein Geschenkpäckchen ihren Schnuller schenken und künftig auf das "Nuckeln" verzichten könnte?, fragte der weißbärtige Alte. Was ihm Lea dann auch versprach. Und so wühlte der Nikolaus in seinem Sack und ließ Leas Augen mit einem Päckchen strahlen.
Von weither, aus dem portugiesischen Lirios, angereist war Paolo Anacleto. Seit 37 Jahren führt der Glasbläser die Tradition seines Vaters und Großvaters fort und zeigte den neugierigen Marktbummlern, wie man in nur wenigen Minuten mit Mund, geschickten Händen und einem Bunsenbrenner aus recycelten Reagenzgläsern bunte Schwäne, Schnecken oder Schlangen zaubert.
"Macht euch bereit. Bis Weihnachten ist es nicht mehr weit", hatten die kleinen Besucher aus der Kita "Kindernest" das diesjährige Marktreiben stimmkräftig eröffnet und das Mehl in der "Weihnachtsbäckerei" kräftig stauben lassen. Und auch der "Spatzen"-Kinder- und Jugendchor der Evangelischen Gemeinde in der Weststadt sowie "Mimi, das Mädchen mit dem weißen Kontrabass" ließen sich nicht lange zu einem Auftritt auf der großen Bühne bitten.
Aus dem portugiesischen Lirios war Glasbläser Paolo Anacleto zum Weihnachtsmarkt angereist. Foto: DornEs ist mittlerweile der 13. Weihnachtsmarkt, den der Verein "Pro West" mit tatkräftiger Unterstützung vieler Weststadt-Firmen und der Siedlergemeinschaft auf die Beine stellte. Die traditionell von den Siedlern gestellte Weihnachtstanne symbolisiere den Zusammenhalt der Weststädter, lobte Pro-West-Vorsitzende Stella Kirgiane-Efremidou.
Dem mochte Oberbürgermeister Manuel Just, erstmals in offizieller Mission vor Ort, nicht nachstehen. Zwei Dinge seien ihm in seiner knapp halbjährigen Amtszeit aufgefallen, so Just unter dem Beifall der Umstehenden: Obwohl der Kurt-Schuhmacher-Platz städtebaulich "stark verbesserungsbedürftig" ist, finde er es beeindruckend, wie die Weststädter das Areal zumindest am ersten Adventswochenende "in ein Schmuckstück verwandeln".
Dass die Einnahmen nicht nur die eigene Kasse der Beteiligten füllen, sondern auch sozialen Zwecken des Vereins "Pro West" zufließen, war ihm ein weiteres Lob wert. Damit werde das Bild "in Tagen, wo Weihnachten oftmals dem Kommerz zum Opfer fällt", korrigiert. Und: "Sie alle leben in vorbildlicher Weise den sozialen Gedanken vor."
Den Aspekt des christlichen Gedankens offenbarte das gleichfalls in der Weststadt angesiedelte "Centro Italiano", das neue Figuren für die im vergangenen Jahr vermisste Krippe besorgt hatte. Heißer Ouzo mit Honig beim griechisch-deutschen Freundschaftsverein Philia vermischte sich beim Rundgang über den mit 18 Ständen bestückten Markt mit Glühweinduft und dem gebrannter Mandeln.
800 Gewinne lockten bei der großen Tombola. Von der "Rio Grande"-Wildwestbahn und den von der nostalgischen "El Paso-Lokomotive" gezogenen Wagen magisch angezogen sahen sich die jüngeren Weihnachtsmarktbesucher. Selbstgefertigte Vogelhäuschen, Insektenhotels und "Leuchtflaschen" mit funkelnden LED-Lichtern als Innenleben gab es bei Michael und Katrin Gartner zu erwerben.
Das „Centro Italiano“ hatte neue Figuren für die im vergangenen Jahr vermisste Krippe besorgt. Foto: DornUnd auch die fleißigen Strick- und Näh-Damen des Handarbeitskreises der Evangelischen Gemeinde in der Weststadt und deren Vorsitzende Elke Pauler, Christel Prosche und Gisela Walter zählen von Anfang an zum festen Inventar des Weihnachtsdorfes. Die regelmäßigen wöchentlichen Treffen des Bastel- und Handarbeitskreises seien vor allem für die alleinstehenden Frauen wichtig, "die ansonsten zu Hause vereinsamen würden", sagte Pauler.
Der zweite Tag des Weihnachtsmarktes am Sonntag stand im Zeichen des Besuchs von Blüten- und Stadtprinzessin Julia I., der Prämierung des schönsten Standes und einem Auftritt des Gospelchors der Peterskirche. Und auch Erster Bürgermeister Torsten Fetzner ließ es sich wieder einmal nicht nehmen, zum stimmungsvollen Abschluss im Schein Hunderter Lichter mit den Besuchern gemeinsam Weihnachtslieder anzustimmen: "Es ist für uns eine Zeit angekommen, die bringt uns große Freud’".