Das Weinheimer Rathaus mit Flagge. Foto: Carsten Blaue
Weinheim. (web) Der erste Schritt in Richtung Zukunftswerkstatt ist beinahe geschafft. Sollte der Gemeinderat kommende Woche der einstimmigen Empfehlung des Ausschusses für Technik, Umwelt und Stadtentwicklung (ATUS) folgen, kann sich die Stadt nach Dienstleistern umsehen. Diese sollen den rund zwei Jahre dauernden Prozess planen und moderieren.
Losgehen soll es im kommenden Jahr. Vorgesehen sind unter anderem Ausstellungen, eine Auftaktveranstaltung, Themengruppen, ein öffentliches Forum, Diskussionen mit zufällig ausgewählten Bürgern, eine Onlinebeteiligung und eine Abschlusspräsentation. Am Ende soll feststehen, wo und wie die Themen Wohnen, Arbeiten, Freiraum und Mobilität ihren Platz in der Zweiburgenstadt finden. Die abschließende Entscheidung würde dann der Gemeinderat fällen. Auf Grundlage eines solchen Beschlusses könnte die Stadt auch den Flächennutzungsplan (FNP) aus dem Jahr 2004 fortschreiben.
Bereits im Verlauf der Ausschusssitzung am Mittwoch positionierten sich die Fraktionen. Elisabeth Kramer (GAL) forderte, den Klimaschutz an die erste Stelle zu rücken: "Ziel sollte eine klimaneutrale und menschenfreundliche Stadt sein." Daneben komme ihr das Thema Bodenschutz zu kurz, monierte sie mit Blick auf die Vertreter von Bauern und Bürgerinitiativen im Publikum.
Außerdem forderte sie einen Beirat, der den Gemeinderat auf dem Laufenden hält, sowie ein Forum für die Vertreter von Interessengruppen. Sonst könnten Letztere den Prozess "von der Seite" stören, anstatt konstruktiv mitzuarbeiten. Auch die Jugend brauche ihre Vertretung.
Günter Bäron (Freie Wähler) stellte klar, dass die Zukunftswerkstatt keine geregelte Bauleitplanung ersetze. Sie sei aber eine Chance, Betroffene zu Mitwirkenden zu machen und Konfliktpotenzial einzugrenzen. Ziel sei "eine florierende Stadt, die auf möglichst hohe Akzeptanz trifft".
Wenn Firmen aus dem Weinheimer Technologiepark nach Bensheim wechseln, müsse dies hellhörig machen. Wie mehrere andere Redner auch plädierte er gegen einen Beirat. Der Gemeinderat müsse regelmäßig Zwischenstände bekommen. Auch mit seiner Forderung nach einer Kostenschätzung stand Bäro nicht allein da.
So forderte auch Holger Haring (CDU), die Kosten im Auge zu behalten und die Kommunalpolitik auf dem Laufenden zu halten: "Damit wir reagieren können, bevor die Abschlussvorlage kommt." Er hoffe, dass die Stadt künftig ihre Potenzialflächen nutzt und mithilfe der Zukunftswerkstatt Entscheidungen trifft.
Aus Sicht von Stella Kirgiane-Efremidou (SPD) schreibt die Stadt derzeit an einem neuen Kapitel der Bürgerbeteiligung. Sie forderte, dabei Soziales, Integration und Kultur zu berücksichtigen. Gerade diese Themen bräuchten im wahrsten Wortsinn Platz. Die Zukunftswerkstatt dürfe indes nicht zu einer zweijährigen Blockade führen, immerhin habe man auf OB Just und seine Ideen schon fast ein Jahr lang warten müssen.
"Das ganze Vorhaben steht und fällt mit dem Dienstleister", stellte Matthias Hördt (Die Linke) fest. Er war nicht der Einzige, der an die Bürgerräte erinnerte, die vor mehr als sieben Jahren über Gewerbe in Breitwiesen oder Hammelsbrunnen diskutiert hatten. Unter den Kritikern einer gewerblichen Erschließung der Breitwiesen sei damals der Eindruck entstanden, die Moderatoren seien voreingenommen.
Auch Wolfgang Wetzel (FDP) kam auf die Skepsis zu sprechen, die neue Gewerbe- und Wohngebiete auslösen. Man müsse sich fragen, ob die Grundlagen für den FNP von 2004 richtig waren. Immerhin sei bislang viel weniger Fläche verbraucht worden, als an Bedarf prognostiziert worden war. Außerdem müsse die Politik die Prognosen mit den Vorstellungen der Bevölkerung in Einklang bringen.
OB Just hielt dagegen: Zum einen sei 2004 nicht absehbar gewesen, wie viele Konversionsflächen frei werden. Zum anderen sei der Siedlungsdruck weiter hoch: Weinheim müsse sich fragen, ob es seinen Beitrag leisten will. "Obgleich wir uns beim Flächenverbrauch auf der Zielgeraden befinden." Er plädierte dafür, Klima, Kultur oder Integration als Querschnittsthemen einfließen zu lassen: "Dies bietet sich bei konkreten Fragestellungen an, etwa wo wir künftig Großkonzerte veranstalten."
Ganze Konzepte oder Berichte in die Zukunftswerkstatt zu integrieren, erscheine ihm jedoch als langwierig. In der Kostenfrage wollte er sich nicht festlegen, ebenso wenig wie Sven-Patrick Marx, Leiter des Amts für Stadtentwicklung.
Schließlich ließen sie sich eine ungefähre Schätzung in Höhe von 150.000 bis 200.000 Euro entlocken. Klar ist für OB Just, dass die Zukunftswerkstatt für alle offen sein muss - gerade für die Jugend. "Und weder ich noch Weinheim sind für Stillstand bekannt", sagte Just - und bekam spontanen Applaus.