Am Südrand der Weststadt wird ein neues Baugebiet erschlossen. Die Stadt will dabei weniger Geld einnehmen als möglich - um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Foto: Kreutzer
Von Günther Grosch
Weinheim. Aus einer freiwilligen Aufgabe wird eine verbindliche Pflicht: Es ist ein ambitionierter wie richtungsweisender Programmvorschlag, den der Gemeinderat im Verlauf seiner jüngsten Sitzung mehrheitlich verabschiedet hat - bei Stimmenthaltung von Weinheimer Liste und FDP. Um einer Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum die Tür zu öffnen, müssen Investoren großer Neubauprojekte mit mehr als 1000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche und "überall dort, wo durch ein Bebauungsplanverfahren Änderungen der Nutzung auf einer Fläche ermöglicht werden", künftig zehn Prozent der Wohnfläche für Sozialmietwohnungen und noch einmal zehn Prozent für "preisgedämpftes Wohnen" zur Verfügung stellen.
Was auch die Stadt Weinheim selbst als Eigentümerin der Grundstücke im Neubaugebiet Allmendäcker trifft. Durch den Beschluss droht der Stadt beim Verkauf dieser Grundstücke ein Minus von rund 3,5 Millionen Euro. Ähnliches gilt für den Rhein-Neckar-Kreis beim Verkauf der Flächen des GRN-Betreuungszentrums (früher: Kreispflege) im Sanierungsgebiet "Westlich Hauptbahnhof".
Hintergrund des Beschlusses ist, dass auf der aktuellen Warteliste 615 Antragstellern stehen. Sie warten darauf, dass eine der 338 städtischen Wohnungen frei wird. "Auf dem freien Markt besteht für diese Menschen kaum eine Chance, eine Wohnung zu einem für sie erschwinglichen Mietpreis zu bekommen", so CDU-Fraktionssprecher Holger Haring. Der Haken an der Sache: Der Zustand dieser Wohnungen befindet sich in einem "unter-durchschnittlichen bis erbärmlichen Zustand".
Auf der anderen Seite gibt es bei der Baugenossenschaft Weinheim und der Familienheim Rhein-Neckar etwa 200 Wohnungen, die einer Belegungs- und Mietpreisbindung unterliegen. Aber auch hier endet die Bindungsfrist in knapp sechs Jahren. 209 Wohnungen, welche die Stadt 2013 an die Familienheim veräußert hat, verfügen über eine Belegungs- und Mietpreisbindung bis 2033. Der derzeitige Mietpreis beträgt bei Sozialwohnungen derzeit durchschnittlich 6,40 Euro pro Quadratmeter. Bei "preisgedämpften Wohnungen" liegt er bei bis zu 7,40 Euro.
Das "Ja" der SPD begründete Rolf Emenlauer mit dem Hinweis, dass derzeit sogar rund 1500 Männer, Frauen und Familien aufgrund ihres niedrigen Einkommens vergeblich nach einer bezahlbaren Wohnung Ausschau halten. Er plädierte zugleich dafür, die Mietpreisbindung auf 25 Jahre zu erhöhen, um "schrittweise für mehr Gerechtigkeit in der Stadtgesellschaft zu sorgen". Einer öffentlichen Förderung von Wohnungsbau redete auch Gerhard Mackert (FW) das Wort. Gäbe es nicht die Baugenossenschaft, müsste man selbst eine städtische Wohnungsbaugesellschaft gründen. Deshalb sei es vertretbar, wenn die Stadt bei ihren eigenen Grundstücken auf einen Teil ihrer Verkaufserlöse verzichtet.
40 Prozent der Bundesbürger müssten 30 Prozent ihres Einkommens alleine für ihre Mieten aufwenden, so Andreas Marg (GAL). Deshalb sei anstelle der 20 Prozent auch eine Vorgabe von 25 Prozent des Raumvolumens gerechtfertigt. Für ihn wie auch für Michael Lehner führt trotz Baugenossenschaft kein Weg an der Gründung einer eigenen städtischen Wohnungsbaugesellschaft vorbei.
Nur dadurch könne, wie bei der Vergabe neuer Flächen auf Erbpachtbasis, die Entwicklung "aktiv gesteuert" werden, so der strategische Hintergedanke der beiden Kommunalpolitiker. Lehner warnte: Die Vorgaben könnten Investoren abschrecken. Daneben meldete der Sprecher der Weinheimer Liste aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes juristische Bedenken an. Skepsis, dass das Modell funktioniert, herrschte bei Wolfgang Wetzel (FDP) vor. Die Vorgabe von 20 Prozent stelle einen umfassenden Eingriff in die Wirtschaftlichkeit künftiger Bauvorhaben dar. Sein weiterer Vorschlag: "Den Siedlungsdruck auf die Ortsteile verteilen."
"Kapital sucht Anlagemöglichkeiten": Kein Desinteresse von Investoren fürchtet Carsten Labudda (Die Linke). Weinheim wolle "keine Ghettos für Arme und Reiche." Er brachte eine "Leerstandsabgabe auf Altbestände" ins Gespräch, wie es sie in Tübingen gibt.