Teilnehmer der Velowino 2017: Die junge Tour mit alten Rädern erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Doch dann kamen Corona und ein „Nein“ aus dem Odenwald. Foto: Dorn
Von Philipp Weber
Weinheim/Region. Die Radfahrer und ihre alten Drahtesel bleiben dieses Jahr weg, die Vintage-Radtour Velowino ist abgesagt. Wegen der Corona-Lage war die fünfte Ausgabe der Tour mit dreistelliger Teilnehmerzahl zunächst vom 21. Juni auf den 27. September verschoben worden. Doch auch der Ersatztermin wurde gestrichen, das nächste Oldtimertreffen für Radler findet nun erst im Juni 2021 statt. Der Veranstalter macht die Corona-Pandemie, aber auch Streckensperrungen in Heiligkreuzsteinach für die Absage verantwortlich. Das Nein aus dem Odenwald hätte Umplanungen und weitere zeitaufwendige Genehmigungsverfahren erforderlich gemacht, sodass am Ende auch noch die Zeit knapp geworden wäre.
Dass ein Stattfinden der Tour mit Start und Ziel in Weinheim der Zweiburgenstadt und ihren Gastronomiebetrieben gutgetan hätte, ist wohl keine allzu gewagte These. Für die RNZ war dies Grund genug, nachzuhaken. Wer genehmigt so eine Tour? Und warum wollte Heiligkreuzsteinach keine Radler? Hier sind die Antworten.
> Das sagt das Regierungspräsidium: Genehmigungsbehörde ist im Falle der Velowino das Regierungspräsidium (RP) in Karlsruhe, was auch mit dem länderübergreifenden Charakter der Tour zu tun hat. RP-Sprecherin Irene Feilhauer erklärt auf RNZ-Anfrage die Rechtslage: Demnach unterliegen Veranstaltungen wie die Velowino einem Genehmigungsverfahren, dessen gesetzliche Grundlagen sich in der Straßenverkehrsordnung wiederfinden. Laut Paragraf 29 kann eine Erlaubnis erst erteilt werden, wenn die beteiligten Behörden und Stellen keine Bedenken geltendmachen. Genau das aber ist in Heiligkreuzsteinach passiert.
Mit dem ursprünglich für Juni anvisierten Velowino-Termin habe es noch keine Probleme gegeben, auch nicht in Heiligkreuzsteinach, so Feilhauer. Da der Veranstalter die Tour jedoch auf den 27. September verschoben hatte – die Coronaregelungen vom Juni hätten die diesjährige Ausgabe der Tour sonst von vorneherein ausgeschlossen –, musste das Regierungspräsidium ein neues Anhörungsverfahren starten. Zwischen den beiden Anträgen des Veranstalters lag immerhin rund ein halbes Jahr. So seien das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis, der Stadtkreis Mannheim, die Stadt Weinheim und das Regierungspräsidium in Darmstadt erneut angeschrieben worden. Heiligkreuzsteinach wurde nicht direkt vom RP kontaktiert: Es ist Aufgabe der Landratsämter, die betroffenen Gemeinden in ihren Zuständigkeitsbereichen anzuhören. Deren Stellungnahmen gehen ans Landratsamt zurück und von dort aus zum RP, im Sinne einer Gesamtstellungnahme.
Im Zuge dieses zweiten Verfahrens habe Heiligkreuzsteinach mitgeteilt, dass man dem Antrag nicht zustimmen kann. "Bei einer Ablehnung für einen Teil der Strecke, so wie in diesem Fall, erhält der Veranstalter die Möglichkeit, für diesen Teil eine geänderte Streckenführung zu übersenden", betont die Karlsruher Behörde. Ein Einspruch führe keineswegs automatisch zu einer Absage durch das RP. "Vielmehr wird alles dafür getan, dass trotz einer Streckenänderung die Veranstaltung stattfindet", so Feilhauer. Allerdings müsse die Änderung den betroffenen Behörden erneut zur Anhörung übermittelt werden.
Bürgermeisterin Sieglinde Pfahl. Foto: Alex> Das sagt Heiligkreuzsteinachs Bürgermeisterin: Sieglinde Pfahl, Verwaltungschefin der Odenwaldgemeinde, will auf keinen Fall als Spielverderberin dastehen. Die Kommune hätte in den letzten Jahren viel getan, um die Velowino zu unterstützen. Zunächst hätten Vereine aus dem Ort Verpflegungsstände für die Radfahrer unterhalten. Auch als das Interesse der Vereine letztes Jahr nachließ, habe die Kommune den Tour-Planern keine Steine in den Weg gelegt.
Dazu muss man wissen, dass viele Velowino-Fahrer gar nicht durch diesen Ort radeln. Es sind vier Strecken im Angebot. Und zum Beispiel die beliebte "gemütliche" Route, auf der regelmäßig auch sehr unkonventionelle Räder zu sehen sind, führt die Bergstraße entlang beziehungsweise ins Neckartal. Der Trip in den Odenwald ist etwas für sportlich ambitionierte Radler. Doch warum die Absage?
Auch die habe etwas mit der Corona-Lage zu tun, so die Bürgermeisterin: "Wir sind beinahe überfallen worden", blickt sie auf die vergangenen Monate zurück. Da Reisen ins Ausland schwierig bis unmöglich waren, seien die Erholungssuchenden in Orte wie Heiligkreuzsteinach geströmt, nicht selten auf zwei Rädern.
Grundsätzlich seien Rad- und Motorradfahrer willkommen, so Bürgermeisterin Pfahl. Allerdings sind in der Kommune nun schon eine ganze Reihe schwerer Unfälle zu bilanzieren: Bereits 2019 war ein Radfahrer im Ort schwer verunglückt, was nicht nur schreckliche Verletzungen, sondern auch eine rechtliche Auseinandersetzung nach sich zog. Eine regelrechte Unfallserie war diesen Sommer zu beklagen: Zwei Motorrad- und ein Autofahrer fanden auf der Landstraße 535 den Tod. Die Kommune und der Rhein-Neckar-Kreis reagierten mit mehreren Maßnahmen.
Angesichts dieser Gemengelage habe man sich "schweren Herzens" entschlossen, dem Antrag der Velowino-Macher dieses Jahr nicht stattzugeben, so die Verwaltungschefin. "Wir haben dem ersten Antrag des Tour-Veranstalters noch zugestimmt", bezieht sie sich auf den ursprünglich geplanten Termin im Juni. Doch dann habe sich die Lage dramatisch geändert, und dieser Ausnahmesituation habe sie Rechnung tragen müssen. "Wir haben ja auch eine Verantwortung dafür, dass die Leute gesund nach Hause kommen."
Die Bürgermeisterin räumt allerdings ein, dass ihr nicht klar war, welche weitreichenden Konsequenzen ihr "Nein" nach sich zieht. "Von der Absage der ganzen Tour-Ausgabe habe ich erst erfahren, als der Veranstalter sie publizierte", sagt sie. Damit habe sie nicht gerechnet: Schließlich bestehe ja die Möglichkeit, bei der Streckenführung nachzuarbeiten. Und außerdem sei wirklich nur ein kleiner Teil der Radler durch ihren Ort gekommen. Die Gemeinde sei bis zuletzt stets eine verlässliche Velowino-Partnerin gewesen. Dies werde auch so bleiben, wenn wieder Touren stattfinden und Interesse besteht.