Weinheims etablierte Hoteliers ärgern sich darüber, dass die Verwaltungsspitze den Hotelstandort an der Mannheimer Straße und ein mögliches Projekt am Waidsee weiter (mit-)forciert. Foto: Kreutzer
Von Philipp Weber
Weinheim. Es ist eine Bitte, aber eine dringende: Die etablierten Weinheimer Hoteliers rufen die Fraktionen dazu auf, den Beschluss über einen Investorenwechsel für den Hotelstandort Mannheimer Straße auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Sie argumentieren mit der Tatsache, dass die anhaltende Corona-Krise zu kaum gekannten Umwälzungen in der Hotelbranche führt. Die Entscheidung fällt am Mittwochabend, 3. Februar.
Schon jetzt kämpften viele Hoteliers ums Überleben, so die Hotelchefs in einer Online-Schalte gegenüber Medienvertretern. Sie bitten darum, das Projekt an der Mannheimer Straße nicht weiter zu forcieren – bis einigermaßen absehbar ist, welche Perspektiven der Branche bleiben.
> Die Ausgangssituation: Der Entscheidung von Mittwoch sind bereits mehrere mehrheitliche Ratsbeschlüsse zum Thema vorausgegangen. 2018 erkannte der Gemeinderat den Bedarf an weiteren Hotelbetten im gehobenen Segment an – und wählte den Standort an der Mannheimer Straße. Gut ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt von OB Manuel Just votierte die Mehrheit Ende 2019 für eines von zwei konkreten Hotelkonzepten.
Die Verwaltung will der damals siegreichen Freudenstädter Firma das Projekt nun aber entziehen und die ehedem unterlegene Firma Tröndle zum Zuge kommen lassen. Aus der Beschlussvorlage geht hervor, dass es bereits Gespräche zwischen der Firma Freudenberg – der gehört ein Großteil des heutigen Parkplatz-Geländes – und Tröndle gab. Dass der Technologiekonzern das Hotelprojekt mit großer Hartnäckigkeit (mit-)forciert, haben die Hoteliers mit Interesse zur Kenntnis genommen. Immerhin hat der Konzern erst kürzlich kommuniziert, dass er am Stammsitz Arbeitsplätze abbauen wolle.
Ein vorhergehender Ratsbeschluss erging bereits in der Coronazeit: Der Gemeinderat votierte im Herbst einstimmig für ein neues Tourismuskonzept, mit dessen Hilfe Weinheim interessanter werde.
> Der Standort Drei-Glocken-Quartier: Er bezeichne das frühere Drei-Glocken-Center schon heute als "Quartier", erklärt Inhaber Michael Rihm im RNZ-Gespräch. Ansonsten findet er sich und seine Position in der Beschlussvorlage der Verwaltung wieder: "Dies ist nicht der Zeitpunkt, um sich in Abenteuer zu stürzen", begründet er den Verzicht auf die im Frühjahr angekündigte Hotelentwicklung zwischen Bahnhofstraße und B 3. Die Corona-Krise habe etliche Branchen in Schieflage gebracht. Als Inhaber einer Geschäftsimmobilie wisse er, wovon er spricht. Da sein Gebäude-Areal mittlerweile ein Kreisimpfzentrum beherbergt, bekommt er mit, dass die Impfkampagne weniger schnell voranschreitet, als viele sich das wünschen. Kurz: Seine Pläne für Wohnungen, (dauerhafte) medizinische Angebote und Quartiergeschäfte erhalte er aufrecht, vom Hotel nimmt er jedoch Abstand.
> Die Position der eingesessenen Hoteliers: Charly Ofenloch (Marktplatzhotel), Wolfgang Grinberger (Ottheinrich) und Jörn Weißberg (NH-Hotel) wissen nur zu gut, dass der Gemeinderat zuletzt nicht ihren Wünschen entsprochen hat. Dennoch seien sie erneut auf Vertreter von Politik und Stadtgesellschaft zugegangen – und seien dort keineswegs allein auf Unverständnis gestoßen, betonen Ofenloch und seine Mitstreiter, von denen noch einige weitere das Pressegespräch verfolgten. Viel Zeit sei nicht geblieben, die Hotelunternehmer hätten aus den Medien erfahren, dass der Standort Mannheimer Straße erneut auf der Agenda steht.
"Ich glaube gar nicht mehr daran, dass dieser Standort stirbt", so Weißberg. Er würde sich aber wünschen, dass man den eingesessenen Betrieben Zeit gibt, sich zu erholen. Natürlich wissen auch die Hoteliers, dass der Neubau an der Mannheimer Straße nicht von heute auf morgen entsteht. Aber auch die Genesung der Hotelbranche und eine mögliche Neuausrichtung brauchten Zeit. Denn er glaube auch nicht daran, dass die Hotellerie nach Abflauen der Corona-Pandemie wieder so wird wie vor der Zeit des Virus, so Weißberg. Die derzeitige Situation macht den Hoteliers Sorgen. Etliche Hochzeiten sind abgesagt, andere Veranstaltungen auch.
"Wir pfeifen auf dem letzten Loch", sagt Grinberger, der zu deutlichen Formulierungen neigt. Zumal viele Hotelunternehmer auch in den kommenden Jahren zu leiden hätten, wenn diverse (Überbrückungs-)Kredite zurückgezahlt werden müssen. Was das Thema Tourismus anbelangt, hält sich der Optimismus der Hoteliers ebenfalls in Grenzen. Viele Ideen zu den "Alleinstellungsmerkmalen" Weinheims seien weniger neu als das zuletzt beschlossene Tourikonzept, sagen sie. Und "gute" Tipps – etwa regionale Weine ausschenken – würden an den passenden Orten zwar umgesetzt, stießen aber kaum auf Resonanz. Immerhin gab es im Sommer 2020 so etwas wie einen kleinen Tourismusboom in einigen Hotels, in manchen Lobbies lösten die Flipflops für kurze Zeit die Halbschuhe ab. Doch letztlich bleibe Weinheim ein Industriestandort mit einigen hübschen Ecken – eben etwas für die Durchreise, aber nicht für einen Zwei-Wochen-Aufenthalt, fürchten die Hoteliers.
Und das, bwohl die Hotelbranche derzeit allerorts leidet und Umwälzungen entgegensieht. Foto: Kreutzer