Vertreter der Ladenburger Grünen und der Landwirtschaft sprachen gemeinsam über den Artenschutz. Den Bauern stößt besonders auf, dass ihnen immer mehr Flächen weggenommen werden, unter anderem für das Neubaugebiet Nordstadt. Foto: Beckmann
Von Silke Beckmann
Ladenburg. "Herr Linnenbach, fühlen Sie sich bedroht?" Über die Antwort muss der Landwirt nicht lange nachdenken: "Das ist nicht übertrieben." Die "härteste Nuss" sei für ihn die Unsicherheit darüber, wie intensiv sich die Maßnahmen gestalten werden, besonders wenn durch den Ausbau eines Biotopverbundes und die Schaffung sogenannter Refugialflächen viel landwirtschaftliche Fläche entfalle. Die Rede ist vom Gesetzesentwurf, mit dem Baden-Württemberg auf das Volksbegehren "Artenschutz – Rettet die Bienen" reagiert. Können damit sowohl Landwirte als auch Naturschützer leben? Und wie wirkt sich das Ganze auf die Bürgerschaft aus?
Viele Fragen, die der Bauernverband und die Grünen im Domhof bei einer Podiumsdiskussion besprechen wollten. Die Resonanz von über 80 Besuchern, darunter viele Landwirte auch aus umliegenden Gemeinden, zeugte von breitem Interesse am Thema. Auf dem Podium standen Jürgen Frank (Bündnis 90/Die Grünen), seine Ortsverbands-Kollegen Marita Möller und Alexander Spangenberg sowie die Landwirte Stefan Linnenbach und Thomas Maas.
Als "kritisch" bezeichnete Bauernverbands-Vorsitzender Linnenbach seinen persönlichen Stand hinsichtlich der vorgesehenen Reduktion chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel (PSM) um bis zu 50 Prozent im Jahr 2030, auch mangels genauer Zahlen. Und er fragte sich, wie die Landwirte dann trotzdem optisch ansprechende Waren liefern können: "In Hessen und der Pfalz gelten diese Vorgaben nicht." Sind also nur Hochglanzfrüchte gefragt? Von dieser Denke müsse man ohnehin wegkommen, forderte ein Zuhörer, worauf Linnenbach konterte: "Das müssen Sie nicht uns sagen, sondern den Verbrauchern."
Auch dies ist ein wichtiger Punkt im Papier: "Wir als Konsumenten müssen umdenken", betonte Spangenberg und führte begleitende Vermarktungs- und Informationskampagnen in einem von "beinhartem Preiswettbewerb" regierten Land ins Feld, in dem der Anteil für Konsumausgaben vergleichsweise gering ausfällt. Sorge bereitet den Bauern vor allem der Wegfall landwirtschaftlicher Flächen, der nicht erst durch den Gesetzesentwurf greift: Fläche werde ihnen bereits durch Baugebiete und Ausgleichsmaßnahmen "ständig abgezogen", kritisierte Linnenbach – zum Beispiel die rund 17 Hektar der Nordstadt und die dafür geschaffene Ausgleichsfläche, eine Streuobstwiese am Hinteren Rindweg. Linnenbach: "Das sind Flächen, die Landwirten einfach gekündigt wurden. Deren Betrieb hat sich verkleinert, das war für viele sehr hart."
Alexander Spangenberg von den Grünen ist sich der "großen Schwierigkeiten" bewusst, die sich für Bauern durch schwindende Produktionsflächen ergeben: "Wir müssen uns überlegen, ob wir in der bisherigen Form weitermachen", konkret also auch: "Wollen wir eine Erweiterung der Nordstadt, ein neues Gewerbegebiet?" Das Häuschen im Grünen jedenfalls sei ein Auslaufmodell.
Kritik am politischen Kurs wurde seitens der Gäste geäußert. Hartmut Erny etwa, Landwirt mit großem Familienbetrieb im Raum Brühl, sprach die Bedrohung durch Globalisierung an. Steigenden Auflagen stünden sinkende Preise gegenüber. Der hiesige Rapsanbau etwa stehe wegen importierten billigen Palmöls auf der Kippe, ähnlich sehe es mit Zuckerrüben aus: "Alle Kulturen nehmen wir weg und wundern uns über den Artenrückgang", sagte Erny. Und Wolfgang Guckert, Vorsitzender des Kreisbauernverbands, äußerte sich zum "hier weitgehend gesättigten" Bio-Markt. Auf den aufzuspringen nutze ohnehin nicht immer etwas, wenn etwa der 15 Cent höhere Preis für Biomilch in Transportwege fließt oder Mastbullen mangels Bio-Metzgern trotzdem zu konventionellen Preisen abgegeben werden müssen.
Als für den ein oder anderen überraschend, erwies sich an diesem Abend eine offensichtlich fehlinterpretierte gegenseitig Wahrnehmung. Denn während Stefan Linnenbach von mehr negativen als schönen Begegnungen auf den Feldern sprach und ein weiterer Landwirt diese Empfindung der Ablehnung als "tagtägliche Erfahrung" teilte, widersprach ein dreifacher Vater heftig, der die Landwirte mit seinen Kindern ausgesprochen gerne bei der Arbeit beobachtet: "Ich weiß gar nicht, wie Sie zu dieser Einschätzung kommen."
Auch mit einer anderen Fehlannahme wurde aufgeräumt: Es werde zwar suggeriert, dass Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln entfallen, bemerkte ein Zuhörer, doch auf dem überwiegenden Teil landwirtschaftlicher Flächen würden ohnehin nur Futtermittel angebaut. Wobei im Maisfeld gar kein Leben herrsche. Dem widersprach Thomas Maas: Nach der Getreideernte biete der Mais die einzige Rückzugsmöglichkeit für Tiere. Und er sei, wie Stefan Linnenbach ergänzte, eine hier wirtschaftliche Pflanze, die auch gut mit den Temperaturen zurechtkomme.