Von Annette Steininger
Hirschberg. Landespolitik betrifft die Menschen auch direkt vor Ort, daher hat die RNZ fünf Hirschberger Themen ausgewählt und die Landtagskandidaten Uli Sckerl (Bündnis 90/Die Grünen), Julia Philippi (CDU), Sebastian Cuny (SPD) und Alexander Kohl (FDP) dazu befragt. Sie äußern sich zu den Verkehrsproblemen in Großsachsen, Sanierungsstau und Bürgerentscheiden.
Ein Problem, das Hirschberg seit Jahren umtreibt, ist die Verkehrssituation in der Ortsdurchfahrt von Großsachsen. Sehen Sie hier eine Möglichkeit, von Landesseite aus bei einer Lösung zu unterstützen, und wie sollte diese aussehen?
Uli Sckerl (Bündnis 90/Die Grünen): Ich setze mich schon lange für eine wirksame Entlastung der Ortsmitte Großsachsens durch einen Autobahnanschluss "Weinheim Süd" ein, für den die Kreisstraße 4133 als Zubringer gut genutzt werden kann. Die formalen Argumente gegen diesen zusätzlichen Anschluss sind nicht stichhaltig, weil wir selbst in unserer Region eine Reihe von Autobahnanschlüssen mit geringeren Abständen voneinander haben. Entscheidend sind die Entlastungswirkung und der Flächenverbrauch, denn die Entlastung wäre im Norden von Hirschberg am effektivsten, während gleichzeitig ein Zubringer auf einer vorhandenen Trasse den geringsten Flächenverbrauch bedeuten würde.
Julia Philippi (CDU): Dass ich eine Ortsumfahrung für die richtige Lösung halte und hier gemeinsam mit der CDU Hirschberg schon lange am Ball bin, ist, glaube ich, kein Geheimnis. Tempo 30 innerorts, sogar auf der Bundesstraße, kann einfach nicht die einzige Lösung zur Verkehrsberuhigung sein. Allerdings ist es nicht ganz einfach, damit bei einem Verkehrsminister durchzudringen, der am liebsten gar keine neuen Straßen bauen will.
Sebastian Cuny (SPD): Wichtige Verkehrsprojekte kann weder eine Partei noch ein Abgeordneter alleine durchsetzen. Das haben wir beim "Branichtunnel" oder der "Neckarbrücke" gesehen. Ich werde in Stuttgart mit starker Stimme die Hirschberger Initiative für eine Ortsentlastungsstraße in Großsachsen unterstützen.
Alexander Kohl (FDP): Viele Vorschläge, auch von der FDP Hirschberg, liegen dazu auf dem Tisch, getan hat sich bisher nicht viel. Daher hat die FDP-Kreistagsfraktion im Kreistag beantragt, die gesetzliche Möglichkeit des Bürgerforums für diese Problematik zu nutzen. Darin sehe ich in einer interkommunalen Zusammenarbeit den Startschuss zur Lösung des Verkehrsproblems, zu der dann auch das Land seinen Beitrag leisten muss.
Hirschberg wird Ende des Jahres seine Pro-Kopf-Verschuldung verdreifacht haben – und steht mit dieser Situation nicht alleine da. Sollte das Land Baden-Württemberg die Kommunen gerade in der Krise noch mehr unterstützen?
Uli Sckerl (Bündnis 90/Die Grünen): Das Land unterstützt im Ländervergleich seine Kommunen mit großem Abstand vor allen anderen Ländern, selbst vor Bayern, am meisten. In der Coronakrise haben wir die Gemeinden in Baden-Württemberg bisher mit insgesamt vier Milliarden Euro Förderleistungen und Entlastungszahlungen vor allem für die Steuer- und Gebührenausfälle entlastet, das hat auch Hirschberg spürbar genutzt. Diese Unterstützung wird 2021 im gleichen Umfang fortgesetzt werden.
Julia Philippi (CDU): Das Land Baden-Württemberg steht im ständigen Austausch mit den kommunalen Landesverbänden, um mit verschiedenen Maßnahmen die coronabedingten Defizite bei den Kommunen auszugleichen. So wurden im vergangenen Jahr die Ausfälle bei der Gewerbesteuer und bei der Einkommenssteuer erstattet, und es wurden zum Beispiel wegfallende Elternbeiträge für die Kinderbetreuung übernommen und der ÖPNV unterstützt. Die CDU setzt sich dafür ein, dass diese Unterstützung auch 2021 fortgesetzt wird, damit die Kommunen weiter handlungsfähig bleiben und in die Infrastruktur investieren können.
Sebastian Cuny (SPD): Die Städte und Gemeinden müssen gerade jetzt mit Investitionen den Konjunkturmotor stärken. Dabei muss das Land sie unterstützen und nachhaltige Prioritäten setzen: energetische Sanierungen für konkreten Klimaschutz vor Ort, Investitionen in die Mobilitätswende und die Digitalisierung sowie die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.
Alexander Kohl (FDP): Die Corona-Pandemie wird sich stark auf die Finanzen der Kommunen niederschlagen, die eine nicht dauerhafte Unterstützung auch durch das Land benötigen. Ich trete dafür ein, dass das Subsidiaritätsprinzip endlich wieder die Geltung erhält, das ihm zusteht, die Gemeinden damit mehr Spielraum, mehr Eigenverantwortung erhalten. Die Kommunen brauchen zudem klare, verlässliche Rahmenbedingungen und keinen undurchsichtigen Förderungsdschungel, der die Kosten von Maßnahmen in die Höhe treibt.
Die Sporthallen in der Gemeinde sind in keinem guten Zustand, der Platz ist zu knapp. Immer wieder hat sich die Kommune um Zuschüsse für einen Aus- beziehungsweise Anbau beworben, bislang vergebens. Sollte das Land auch mehr im Sportbereich fördern?
Uli Sckerl (Bündnis 90/Die Grünen): Das Land fördert seit Jahren mit hohen Summen den Sport. Vor wenigen Tagen wurde der Solidarpakt IV mit den Sportverbänden beschlossen: über 100 Millionen Euro Förderung jährlich, dazu ein Sonderprogramm von 40 Millionen Euro für den Sportstättenbau. Davon kann Hirschberg für den Ausbau seiner Sporthallenkapazitäten profitieren.
Julia Philippi (CDU): Dass das Land nicht nur die Vereine, sondern auch die Kommunen beim Bau und der Erhaltung von Sportstätten unterstützt, ist für mich selbstverständlich. Gerade erst wurde im Rahmen der Verlängerung und Aufstockung des Solidarpakts Sport für 2022 und 2023 auch jeweils 20 Millionen Euro zum Abbau des Antragsstaus für Vereinssportstätten bereitgestellt. Und für die Förderung der kommunalen Sportstätten – bei der im vergangenen Jahr über 80 Prozent der Anträge berücksichtigt werden konnten – stehen circa 17 Millionen Euro jährlich zur Verfügung.
Sebastian Cuny (SPD): Wir werden den Fördertopf für Neubau, Sanierung und Modernisierung von Sport- und Schulsportstätten aufstocken. Baden-Württemberg ist immer noch ein finanziell gesundes Land, das auch die finanziellen Aufgaben der Pandemie bei aktuellen Niedrigzinsen mit starkem Wirtschaftswachstum stemmen wird.
Alexander Kohl (FDP): Die FDP setzt sich seit jeher für die Förderung des Sports ein. Auch in der Corona-Pandemie sollte das Land mehr zulassen und nicht zentralistisch eingreifen, die Eigenverantwortung und Ortskenntnis der Kommunen stärken. Warum zum Beispiel Tennis in einer großen Halle als ein Sport mit Abstand in Corona-Zeiten in Baden-Württemberg nicht erlaubt ist, in Hessen aber schon, erschließt sich uns nicht.
Parallel zur Landtagswahl findet ja in Hirschberg ein Bürgerentscheid statt. Sollte es Ihrer Meinung nach generell mehr Bürgerentscheide geben?
Uli Sckerl (Bündnis 90/Die Grünen): Wir Grüne haben in den letzten Jahren die Hürden für Bürgerbegehren und –Entscheide abgesenkt und diese auch für Bauleitpläne und Bebauungsvorhaben ermöglicht. Ohne unsere Reformen der Gemeindeordnung könnte Hirschberg am 14. März gar nicht über die Erweiterung des Gewerbegebiets abstimmen. Wichtig ist mir die Stärkung der Bürgerbeteiligung im Alltag, denn bei allen wichtigen Vorhaben der Gemeinde soll eine Einbeziehung der Bürgerschaft von Anfang an zur Regel werden.
Julia Philippi (CDU): Wir leben in Deutschland vom Grundsatz her in einer repräsentativen Demokratie und sind damit auch bisher gut gefahren. Ich fände es – auch als Gemeinderätin – nicht richtig, die Verantwortung bei schwierigen Entscheidungen immer auf die Bürgerinnen und Bürger abzuwälzen. Aber ich finde es absolut richtig, dass sie sich per Bürgerbegehren oder Bürgerentscheid auch zwischen den Wahlen zu Wort melden können, wenn die von ihnen beauftragten Repräsentanten aus ihrer Sicht falsch entscheiden.
Sebastian Cuny (SPD): Demokratie lebt vom Mitmachen. Deshalb wollen wir das Gesetz zur Volksabstimmung überarbeiten, um Volksbegehren zu erleichtern. Beispielsweise soll ein Begehren noch vor Beginn der Unterschriftensammlung formal geprüft werden können, um den Initiatoren und Rathäusern schon frühzeitig Klarheit zu geben.
Alexander Kohl (FDP): Die Ergänzung der parlamentarischen Demokratie bei Grundsatzfragen ist grundsätzlich zu begrüßen. Bürgerentscheide sollten aber nicht als Alibi benutzt werden, um jede demokratisch gefällte Einzelentscheidungen zu hinterfragen. Unsere Verfassung versieht die Gemeinderäte mit dem demokratischen Mandat, Entscheidungen im Sinne der Gesamtheit der Wählerschaft zu treffen, ohne Minderheiten zu benachteiligen. Die FDP fordert übrigens endlich Bürgerbegehren auf Landkreisebene einzuführen, der Gesetzentwurf der FDP dazu wurde von den Grünen abgelehnt.
Der Wohnraum in Hirschberg ist knapp, Quadratmeterpreise schießen in die Höhe. Welche Konzepte sehen Sie, um Wohnraum wieder bezahlbar zu machen?
Uli Sckerl (Bündnis 90/Die Grünen): Die grün-geführte Landesregierung fördert den Bau von sozialen und bezahlbaren Wohnungen mit rund 300 Millionen Euro jährlich. Wir haben die Mietpreisbremse eingeführt, die Kappungsgrenzen abgesenkt und entziehen Schritt für Schritt dem Mietwucher die Grundlage. Wir werden den Anteil preisgünstiger Wohnungen dadurch gerade in Ballungsgebieten wie der Metropolregion Rhein-Neckar deutlich steigern.
Julia Philippi (CDU): Dass der Wohnraum allein aufgrund der Quadratmeterpreise im Ballungsraum teurer ist als auf dem flachen Land, weit weg von Arbeitgebern und sozialer wie kultureller Infrastruktur, wird niemanden wundern. Aber die Kosten dessen, was wir auf die Fläche bauen, können wir als Politiker durchaus beeinflussen. Und damit meine ich explizit nicht ein Verbot von Einfamilienhäusern, sondern zum Beispiel die Entrümpelung der immer neu hinzukommenden Auflagen, die das Bauen unnötig teuer machen.
Sebastian Cuny (SPD): Beim Wohnen erleben wir Marktversagen. Deshalb muss die öffentliche Hand steuernd und gestaltend eingreifen. Mit einer Landeswohnbaugesellschaft wollen wir 500.000 neue Wohnungen schaffen und die Kommunen dabei unterstützen, eigenen Wohnraum zu bilden. Außerdem werden wir Familien beim Ersterwerb die Hälfte der Grunderwerbssteuer erlassen.
Alexander Kohl (FDP): Es bedarf einer Entrümpelung von Bauvorschriften, dann wird auch Bauen wieder billiger und für breitere Bevölkerungsschichten erschwinglicher. Private Baugenossenschaften können zusätzlich zu bezahlbarem Wohnraum beitragen. Außerdem wollen wir die Grunderwerbsteuer wieder auf 3,5 Prozent senken, um so die Nebenkosten des Immobilienerwerbs zu reduzieren.