Immer wieder richtete Chorleiter Helmut Steger seinen Blick zu den Besuchern und animierte sie zum Mitsingen. 2008 wurde das ungewöhnliche Hirschberger Konzerterlebnis ins Leben gerufen und ist nach wie vor ein Erfolg. Foto: Dorn
Von Marco Partner
Hirschberg-Leutershausen. Bei einem Adventskonzert sind die Rollen für gewöhnlich klar verteilt. Vorne, auf der Bühne: die Sänger und Musiker, die mit ihren Stimmen und an ihren Instrumenten brillieren. Auf der anderen Seite: das schweigende Publikum, das meist nur ruhig dasitzt, vielleicht leise mitsummt, sich sonst aber nur durch Beifall äußern kann. Bei der "Langen Nacht der Advents- und Weihnachtslieder" in der alten Synagoge aber wurde diese Rollenverteilung am Freitagabend wieder einmal bewusst durchbrochen.
Immer wieder richtete Chorleiter Helmut Steger seinen Blick zu den Besuchern, animierte zum Mitsingen, studierte mit ihnen Lieder wie "Lieb’ Nachtigall, wach’ auf" ein, ließ den Gesang aus dem Publikum mit den Stimmen der Sopranisten und Tenöre auf der Bühne verschmelzen. Und die sonst nur passiven Zuhörer wurden zu aktiven Konzertteilnehmern.
"Wir haben hier eine tolle Besetzung", sagte der Leiter von Musik in Hirschberg zur Begrüßung, und schloss damit den ganzen Raum mit ein. Nicht nur die begnadeten Sänger Heidruns Kordes (Sopran), Eva Braunstein (Mezzosopran), Susi Bayer (Alt), die beiden Tenöre Martin Lehr und Joachim Junghans und Ulrich Dannenbaum (Bass). Oder die begabten Musiker Barbara Mauch-Heinke (Violine), Michael Spengler (Gambe) und Jens Schlichting (Klavier). Sondern auch Leute wie du und ich.
Wie Gerd und Charlotte Wolber aus Schriesheim. Die kannten das 2008 ins Leben gerufene Hirschberger Mitsing-Konzert bislang nur vom Hörensagen. "Ich bin da, um mitzusingen, auch wenn ich nicht alle Lieder kenne. Andere kenne ich dafür in- und auswendig", erklärte Gerd Wolber vor Konzertbeginn. Weihnachten und Lieder, diese Verbindung ist für den Schriesheimer unzertrennlich. "Ich mag es, wenn Lieder so gesungen werden, dass sie eingehen, dass sie ein fröhliches Gemüt erzeugen. Singen bildet Gemeinschaft."
Und diese sollte bei diesem Konzert aus eigener Kraft sehr stark sein. Zum Beispiel, als die lateinischen Lieder "Benedite il Signor" und "Personent hodie" geprobt, die Sitzreihen in Bass-, Tenor- Alt-, und Sopranstimmen eingeteilt wurden und nicht nur die Profis auf der Bühne, sondern auch die Chor-Gäste die Tonleiter von der untersten bis fast zur höchsten Stufe erklommen. "Das schafft ihr locker", regte Steger immer wieder dazu an, die Stimmbänder zu dehnen, die eigenen Talente auszutesten. "Viele sagen, sie können nicht singen. Aber das ist Quatsch. Musik ist nicht nur Unterhaltung, sie hat auch ein Eigenleben. Diese versuchen wir zu erwecken", so der Chorleiter.
Und wer kein Latein kann? Dem drückte Steger einfach ein paar Lederhülsensamen zum Mitmusizieren in die Hand. Bis hin zur Tanzstunde entwickelte sich die lange Musiknacht. Manchmal aber konnten sich die Zuschauer dann doch einfach nur berieseln lassen. Einfach nur Publikum sein und den Profis lauschen. Wie bei der Telemann-Kantate "Machet die Tore weit", der Bach-Inszenierung "Allemande" an der Gambe oder Gottfried Wolters "Schöne Rosenblume". Immer wieder aber zwitscherte auch die "Nachtigall" durch den Bau. Ein Lied, das auch Gerd Wolber seit seiner frühen Kindheit kennt - und deshalb gerne lautstark mit einstimmte.
Für Wohlklang fern der Musik sorgte zudem Arne Rosenau, der nachdenkliche Zeilen des Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch zum Besten gab. Und auch draußen, vor der Synagoge, sollte die dreistündige Musiknacht während den Pausen mit Glühwein und Leckereien versüßt und der gemeinsame Konzertbesuch der Musiker auf und fern der Bühne intensiviert werden.