Referentin Mechthild Goetze-Hillenbrand von der Stiftung Lesen schwang bei ihrem Vortrag am Mittwochabend den "Geschichtenzauberstab". Foto: Dorn
Von Anja Stepic
Hirschberg-Leutershausen. Es regnete, und niemand wollte rausgehen und Brötchen holen. Da hat Mechthild Goetze-Hillenbrand mit ihrer kleinen Enkeltochter Pfannkuchen gebacken. So welche wie Pippi Langstrumpf in dem Buch, das sie dazu vorgelesen hat. "Wenn sie später das Buch einmal selbst liest, wird Sie immer den Geschmack dieser Pfannkuchen auf der Zunge haben", da ist sich die Referentin der Stiftung Lesen ganz sicher. Auf Einladung der beiden Hirschberger Büchereien und der Martin-Stöhr-Grundschule verriet sie einem gespannten Elternpublikum, wie man Kinder fürs Lesen begeistern kann.
Geschichten-Spaziergang oder Schokoladenprobe
"Daran hapert es leider häufig", muss auch Rektorin Sabine Keuthen-Brandt immer wieder feststellen und kann sich als erklärter "Bücherwurm" gar nicht so recht vorstellen, woran das liegt. "Viele Kinder kommen in die Schule und haben noch nie erlebt, dass Lesen etwas Tolles ist", sagt Goetze-Hillenbrand. Spätestens mit der Schule aber bekommt Lesen etwas Anstrengendes, dann geht es um das rein technische Lesenlernen.
Das Zauberwort für mehr Lesebegeisterung sei eigentlich ganz einfach, meint Goetze-Hillenbrand. "Man muss Lesen zum Erlebnis machen", sagt sie und schwingt dazu ihren "Geschichtenzauberstab". Sie selbst kann noch heute ein Gedicht von Goethe auswendig, das ihre Mutter ihr als Kind immer beim Abendspaziergang aufgesagt hatte. Es war das aktive Erleben der Worte, das ihr jene Zeilen so nachhaltig eingebrannt hat. "Machen Sie ein Abenteuer draus! Einen Geschichten-Spaziergang oder eine Schokoladenprobe", empfiehlt sie. Gerade Jungs suchten oft Wettkämpfe und Herausforderung.
Manchmal helfe auch eine kleine List: "Lassen Sie die Kinder alle schwierigen Wörter aus einem Buch heraussuchen." Dabei müssten sie ja auch lesen. "Und erklären Sie nicht so viel", lautet ein weiterer Tipp. Nur so könnten Kinder lernen, selbst über unbekannte Wörter und ihre Bedeutung nachzudenken. Besser sei es, mit den Kindern gemeinsam ein Wort nachzuschlagen, zumal es noch nie so viele tolle Kinderbücher gab wie heute.
Trotzdem erleben Kinder heute vieles nur noch in der virtuellen Welt. Das sei aber kein Grund, die Neuen Medien zu verteufeln, meint Goetze-Hillenbrand. "Wir sind ja selbst fasziniert davon, und sie bringen auch viel Nutzen", meint sie. Man könne beides wunderbar mischen. So gebe es einige sehr empfehlenswerte Bilderbuch-Apps, mit denen man sich ein Buch auch als Film abspielen lassen kann. Zwischendurch werden Spiele gespielt und Rätsel gelöst. Und doch bieten Bücher so viel mehr. "In ein Buch einzutauchen, braucht aber Zeit, noch besser Langeweile", sagt sie. Und genau die haben Kinder in ihrem straffen Tagesablauf heute kaum noch. "Ein Buch zu lesen, ist viel tief gehender als eine App anzusehen", sagt Goetze-Hillenbrand. In vielen Familien werde aber viel zu wenig vorgelesen. Dass es nur am Zeitfaktor hängt, glaubt Goetze-Hillenbrand nicht. Sie vermutet eher Unsicherheit bei den Eltern, nicht gut genug vorzulesen. Viel wichtiger aber sei, eine Geschichte gemeinsam zu erleben. Vorlesen dürfe auch nicht mit Druck geschehen, sondern mit Freude. "Belohnungen fürs Lesen sind absolut falsch", findet Goetze-Hillenbrand. Die Kinder würden dann nur noch lesen, weil sie dafür etwas bekommen, nicht mehr aus Freude. "Das Buch ist schon oft totgesagt worden, aber es wird immer noch gelesen", lautet Goetze-Hillenbrands hoffnungsvolles Fazit.
Darum der Tipp für ratlose Eltern: Lieber nur ein Kapitel vorlesen, das aber richtig spannend gestalten. Dann könnte es passieren, dass das Kind unbedingt wissen möchte, wie es weitergeht - und von ganz alleine anfängt, weiterzulesen.