Tagesmütter kommen oft noch nicht mal auf den gesetzlichen Mindestlohn. Foto: Kreutzer
Von Nicoline Pilz
Hirschberg. Ist es sozial gerecht? Ist es familienfreundlich? Das sind Fragen, die aktuell Hirschbergs Tagesmütter und Eltern umtreibt, die ihre Kinder in der Tagespflege betreuen lassen. Fragen, die aufkamen, nachdem Tagesmütter am 19. November ein Schreiben aus dem Rathaus erhielten. Darin kündigt Bürgermeister Manuel Just an, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung am 27. November darüber beraten wird, ob der zum 1. Januar 2010 freiwillig eingeführte kommunale Zuschuss zur Tagespflege von 1,50 Euro pro Betreuungsstunde und Kind gekürzt oder gar ganz gestrichen wird.
"Das würde bedeuten, dass wir im Monat rund 900 Euro weniger hätten. Das können wir nicht auffangen und müssten es an die Eltern weitergeben", sagen Regina Kolb und Ellen Kulikowsky im Gespräch mit der RNZ. Jens Kremer, ein Vater mit Kind in der Tagespflege, hat ausgerechnet, dass Familien durch die drohende Streichung pro Kind mit rund 150 bis 250 Euro mehr im Monat belastet würden. Zuzüglich weiterer Zahlungen ans Jugendamt in Höhe von 200 bis 300 Euro monatlich, gestaffelt nach Kinderanzahl.
"Das muss man erst mal leisten können und sich als Familie finanziell anders strukturieren", meint Angelique Münkel, die von Regina Kolb auch ihr zweites Kind betreuen lässt. Eine bewusste Entscheidung. Eltern schätzen an den Tagesmüttern ihre hohe Flexibilität auch außerhalb von Krippenzeiten sowie die Abrechnung nach Stunden. Ein Krippenplatz käme sie deutlich teurer. "Krippen wie der Postillion und die Tagespflege sind gleichermaßen notwendig für die Gemeinde", findet Kremer. Man wolle sie nicht gegeneinander ausspielen. Aber sie fragen sich schon, weshalb Hirschberg nun Krippeneinrichtungen stärker bezuschussen will, wenn Kommunen wie Weinheim ihre Tagespflege weiter mit 1,50 Euro fördern wollen.
Allerdings leisten das Städte und Gemeinden freiwillig, denn die Tagespflege ist eine Angelegenheit des Kreises. Dieser hat die Bezuschussung der Tagespflege zuletzt im Juli um einen Euro auf 6,50 Euro angehoben. Im Januar 2019 erhalten alle Tagesmütter und -väter dann einen Euro mehr, wenn sie "Randzeiten" am frühen Morgen oder am Abend und in der Nacht bedienen. "Das trifft auf uns hier gar nicht zu und dürfte nicht in die Berechnungen der Gemeinde einfließen", sagt Regina Kolb.
Die CDU-Fraktion stellte ebenfalls im Juli einen Antrag, dass die Gemeinde die Auswirkungen des Beschlusses für Hirschberg aufzeigen und eine Bewertung des Zuschusses der Kommune vornehmen möge. Nun macht die Verwaltungsvorlage zur Sitzung am Dienstag deutlich, dass Hirschberg eine auskömmliche Finanzierung der Tagespflege künftig in die alleinige Verantwortung des Kreises legen will, um aus der Co-Finanzierung entlassen zu werden.
Gegenüber dem Land können die Kommunen keinen Rückerstattungsanspruch für die freiwillige Bezuschussung der Tagespflege geltend machen. Anders als der Kreis, der bis zu 68 Prozent der laufenden Geldleistungen für die Tagespflege vom Land zurückerhält. Daher will sich Hirschberg auf seine kommunale Aufgabe konzentrieren, Krippenplätze zu schaffen und zu subventionieren. Aus den Verwaltungsvorlagen geht auch hervor, dass der Gemeinderat nichtöffentlich einem Mietvertragsentwurf für eine Krippe in der ehemaligen Post in der Friedrich-Ebert-Straße zugestimmt hat.
"Eine Umverteilung", sagt Hauptamtsleiter Ralf Gänshirt. Hier habe zuletzt, anders als bei Einführung der Förderung der Tagespflege, ein Ungleichgewicht bestanden, argumentiert die Verwaltung. Für Eltern ist die Tagespflege inzwischen deutlich günstiger als ein Krippenplatz, für die Kommune hingegen fallen hier höhere Kosten an. In diesem Jahr bezuschusste Hirschberg die Tagespflege mit 73.000 Euro; zurzeit betreuen elf Tagesmütter insgesamt 40 Kinder. Die Eltern dieser Kinder macht die kurzfristig angekündigte Streichung, die in nicht-öffentlicher Sitzung des Verwaltungsausschusses bereits mehrheitlich beschlossen ist, wütend. Und hilflos.
Tagesmüttern wie Regina Kolb und Ellen Kulikowsky geht es nicht anders. "Wir müssen monatlich 1100 Euro für Krankenkasse und Rente aufwenden. Dazu kommen die Steuern." Den gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde erreichen sie nur mit Hirschbergs Zuschuss.
Mit einem Schreiben und einer Unterschriftenliste wollen sie sich nun an die Gemeinderäte und an den Bürgermeister wenden. Sie sollen noch einmal über die finanzielle Sicherheit für Tagesmütter und Familien nachdenken. "Das, was wir machen, ist ein Hilferuf", sagt Angelique Münkel. Eltern und Tagesmütter wollen daher in der Gemeinderatssitzung am Dienstag Präsenz zeigen.
Info: Gemeinderatssitzung am Dienstag, 27. November, 19 Uhr (!), im Rathaus mit Entscheidung über den Tagesmütter-Zuschuss und Einbringung des Haushaltsplans 2019.