Alle vier Stunden bekommen die Fund-Frischlinge Babymilch. Die Arbeit teilen sich Petra und Christian Mayer sowie ihre Kinder Johanna und Phillip untereinander auf. Foto: Dorn
Hirschberg-Großsachsen. (ze) Zwei Wildschweine sind in Großsachsen bei Christian und Petra Mayer eingezogen. Die kleinen Frischlinge toben über die Wiese beim ehemaligen Obsthof Mayer und graben diese nach und nach mit ihrem noch kleinen Rüssel um. "Mitte Februar hat uns ein Bekannter wegen eines Frischlings angerufen, dessen Mutter von der Bahn überfahren worden war", berichtete Petra Mayer, wie sie zu den Wildschweinen kamen. Daraufhin habe man sich in der Familie besprochen und entschieden das kleine, damals etwa zwei Wochen alte Wildschwein aufzunehmen.
Keine zwei Wochen später erhielten die Mayers erneut einen Anruf wegen eines weiteren verwaisten Frischlings. "Der lief den Spaziergängern im Exotenwald hinterher", sagte Petra Mayer. Auch dieses Jungtier nahmen sie auf, und vor einigen Tagen gesellte sich ein dritter Frischling dazu. Dieser starb allerdings kurz darauf. "Er war noch sehr jung. Als er zu uns kam, hatte er noch die Nabelschnur an sich hängen." Ohne Mutter aufzuwachsen, sei für kleine Wildschweine besonders in den ersten Lebenstagen schwer. Denn in dieser Zeit könnten sie noch nicht richtig laufen und würden nur bei der Mutter liegen, die sie wärmt und regelmäßig mit Muttermilch versorgt. Statt Muttermilch bekommen die Frischlinge Babymilch – und das alle vier Stunden. Diese Arbeit teilt sich die Familie Mayer untereinander auf, und so sind auch die Kinder Phillip und Johanna in die Aufzucht eingebunden.
Dabei hat die 16-jährige Johanna eine Art Mutterrolle übernommen. "Das macht Spaß und ist eine schöne Abwechslung zum Homeschooling", findet sie. Dass die Frischlinge durch diese Betreuung groß und stark werden, zeigt die Gewichtszunahme der Kleinen in den letzten Wochen. Als sie nach Großsachsen kamen, wogen sie etwas mehr als ein Kilogramm. Nun wiegt die älteste, Hildegard genannt, bereits rund 3,5 Kilogramm, und auch die jüngere Lore nähert sich der Drei-Kilogramm-Marke.
Die Frischlinge bei den Mayers sind nicht die einzigen jungen Wildschweine in der Region, die derzeit bei Menschen aufwachsen. Christian Mayer weiß noch von weiteren Frischlingsaufzuchten, etwa in Schriesheim. Dass so viele verwaiste Frischlinge aufgefunden werden, sei ungewöhnlich, so Christian Mayer. Er führt dies auf die vielen Waldbesucher zurück, die dem Corona-Alltag in der Natur zu entfliehen versuchen. Dabei würden Spaziergänger und Mountainbiker nicht nur die Wege benutzen, sondern sich kreuz und quer durch die Wälder bewegen, haben Petra und Christian Mayer beobachtet, denn als Jäger sind sie häufig im Wald unterwegs. Sogar nachts würden sich Menschen mit Stirnlampen im Wald aufhalten. "Das Wild hat einfach keine Ruhe mehr", weiß Petra Mayer. Entgegen der landläufigen Meinung würden derart aufgescheuchte Wildschweine ihre Jungen aber nur verteidigen, wenn sie in die Enge getrieben werden. Ansonsten würden sie flüchten und ließen die Jungtiere zurück, die dann verwaist aufgefunden würden. "Wenn jetzt noch die Rehe und Hasen ihre Jungen bekommen, kann das noch schlimmer werden", befürchtet Petra Mayer. Daher appellieren die Mayers an die Waldbesucher, sich so zu verhalten, dass sie das Wild nicht aufscheuchen.
Bei sich behalten werden die Mayers die Wildschweine nicht. Wenn sie etwa ein halbes Jahr alt sind, kommen sie in das Wildtiergehege im Dossenwald bei Mannheim-Rheinau. "Bevor wir die Frischlinge bei uns aufgenommen haben, war es wichtig, einen Platz für die Wildschweine zu haben, wenn sie etwas größer sind", erklärte Petra Mayer. Doch der Platz im Mannheimer Gehege sei begrenzt, und es könnten dort wohl kaum noch mehr Wildschweine aufgenommen werden. Denn pro ausgewachsenem Tier sollten etwa 2000 Quadratmeter zur Verfügung stehen, weiß Christian Mayer.