Es sind kluge Zitate von Politikern, Schriftstellern, Philosophen, die sich in den Haushaltsreden der Gemeinderäte und sogar im Vorentwurf des Haushaltsplans von Kämmerer Manfred Kettner finden. Die Gründe dafür, eigene Denkmodelle mit Formulierungen kluger Meister zu untermauern, sind aber unterschiedlich. Foto: Pilz
Von Maren Wagner
Edingen-Neckarhausen. Ein Jugendtrauma offenbarte sich bei Uli Wetz in der Haushaltssitzung. Als der Einzelgemeinderat mit seiner Rede an der Reihe war, fiel ihm auf, dass fast alle Sprecher vor ihm berühmte Persönlichkeiten zitiert hatten, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Darauf war Wetz nicht vorbereitet. Er erzählte als Einleitung stattdessen eine Anekdote aus seiner Schulzeit, wie er stets Goethes Faust in der Hosentasche trug, um Zitate immer und überall einfließen zu lassen. Oft jedoch, sagte Wetz, passten die Formulierungen gar nicht in den Kontext.
Das Vorgehen, eigene Denkmodelle mit Formulierungen kluger Meister zu untermauern, hat nicht der Edingen-Neckarhäuser Gemeinderat erfunden. Dennoch ist auffällig, mit welcher Lust und Wucht die Lokalpolitiker Zitate anderer in ihre Haushaltsreden einfließen lassen.
An den Anfang seiner Rede stellte CDU-Sprecher Bernd Grabinger etwa eine Aussage des früheren Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel: "Anderen etwas Unbequemes zu empfehlen, ist immer wesentlich leichter, als es selber zu tun. Deshalb ist unsere Welt zwar reich an guten Ratschlägen, aber wesentlich ärmer an denen, die sie befolgen." Er mache sich immer Gedanken, welchen Inhalt er als Schwerpunkt in seiner Rede setzen wolle, sagt Grabinger. In diesem Jahr wählte er das Thema Sparen. "Dann recherchiert man im Netz und überlegt, wie man die Rede anfängt." Die CDU hat den Vorschlag eingebracht, im Haushalt eine Fünf-Prozent-Sperre zu setzen. Und da habe Rommels Formulierung gepasst. "Wir müssen sparen und tun uns damit in den letzten Jahren etwas schwer", sagt Grabinger.
Zum Abschluss seiner Rede wählte er ein Zitat von Ludwig Erhard, früherer Bundeskanzler und Vater der sozialen Marktwirtschaft: "Unser Tun dient nicht nur der Stunde, dem Tag oder diesem Jahr. Wir haben die Pflicht, in Generationen zu denken." Eine Formulierung, die auf die langfristige Sanierung des Haushalts abziele, sagt Grabinger. "Wir bekommen immer mehr Verpflichtungen aufgebürdet und müssen einen Ausgleich hinbekommen. Das geht nur über Jahre."
Direkt in die Haushaltsrede ließ Thomas Zachler (SPD) seine Zitate einfließen. In etwas abgeänderter Form wählte er eine Formulierung des Komponisten Gustav Mahlers: "Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers." Sie steht im Kontext der sanierungsbedürftigen Halle des Turnvereins Neckarhausen. Verantwortliche, Mitglieder und der Gemeinderat wollen am Standort in der Porschestraße festhalten. Die SPD stellt das in Frage. Das Zitat hat Zachler 2011 in einem Magazin gelesen, das sich mit Denkmalschutz beschäftigt. "Man kann an Traditionen festhalten, aber irgendwann muss es doch auch weitergehen", sagt er.
Das zweite Zitat stammt aus der Bibel, aus den Sprüchen Salomos: "Durch Weisheit wird ein Haus gebaut und durch Verstand erhalten." Gehört hat Zachler diese Formulierung im Kreistag bei einer Rede des ehemaligen Malscher Bürgermeisters Werner Knopf. In der Haushaltsrede steht der Vers an einer Stelle, in der Zachler den Bau von Häusern und Wohnung fordert, um dem Preisanstieg für Wohnraum etwas entgegenzusetzen. "Zitate lockern alles ein bisschen auf", sagt er, "aber sie müssen natürlich auch passen."
Ans Ende seiner Rede setzte Thomas Hoffmann (Offene Grüne Liste) zwei Zitate. Beide befassen sich mit der Skepsis, Hoffmanns Kernthema. "Ich googele immer ein bisschen, aber ich hatte auch etwas Glück", sagt er. Zunächst griff er auf den Philosophen Arthur Schopenhauer zurück: "Skepsis ist, was die Opposition im Parlament. Sie ist ebenso wohltätig wie notwendig." Die Formulierung bezieht sich auf die OGL, die kleinste Fraktion im Gemeinderat. "Dadurch sind wir immer ein bisschen in der Opposition gegenüber den großen Fraktionen", sagt Hoffmann, "beim Radwege-Ausbau zum Beispiel sind sich alle einig, dass sie ihn nicht wollen. Wir aber wollen ihn."
Das zweite Zitat stammt von Pearl S. Buck, einer US-amerikanischen Schriftstellerin: "Die Begeisterung ist das tägliche Brot der Jugend. Die Skepsis ist der tägliche Wein des Alters." Große Skepsis, sagt Hoffmann, habe er, was die kommenden Jahre angehe. "Wenn Sie sich das dritte Investitionsprogramm anschauen, mit einer Verdoppelung der Verschuldung, dann bin ich sehr skeptisch, wie wir uns da herauswinden können." Auch die anstehenden Haushalte betrachtet er mit Sorge: "Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir da nächstes Jahr mitgehen sollen."
Doch nicht nur die Gemeinderäte greifen auf Zitate zurück. Drei davon finden sich auch im Vorentwurf des Haushaltsplans von Kämmerer Manfred Kettner. Auf Seite 2, direkt nach der Satzung, zitiert er den Politologen Lothar Schmidt: "Wünsche und Interessen verfälschen die Erkenntnis." Auf Seite 36, unter der Gesamtverschuldung, steht eine Formulierung des US-amerikanischen Milliardärs Jean Paul Getty: "Sparmaßnahmen muss man dann ergreifen, wenn man viel Geld verdient. Sobald man in den roten Zahlen ist, ist es zu spät." Und bei der mittelfristigen Finanzplanung findet sich ein Satz des Autors Michael Rumpf: "Selbst im Märchen wird uns die Zahl unserer Wünsche beschränkt."
21 Haushaltspläne hat Kettner bereits entworfen, auf Zitate greift er erst seit zwei oder drei Jahren zurück. "Ich dachte, sie wären ein dezenter Hinweis an den Gemeinderat, was die Finanzsituation betrifft." Im vergangenen Jahr hatte er einen Kalender Büro, bei dem auf jedem Blatt ein Zitat stand. Einige davon sind im Haushaltsplan verewigt.
Uli Wetz war im Gemeinderat aber nicht der einzige, der auf Zitate verzichtete. Auch Hans Stahl, Sprecher der UBL, vermied sie. Allerdings nicht wegen eines Jugendtraumas: "Ich zitiere mich lieber selbst, als mich mit fremden Federn zu schmücken", sagt er. Einmal, erinnert sich Stahl, habe er einen lateinischen Satz einfließen lassen. "Aber nie ein Zitat."