Jorge Ferrero (am Steuerrad) nahm auch schon an einigen Weltmeisterschaften teil. Foto: Ferrero/Repro: Hofmann
Edingen-Neckarhausen. (joho) Denkt man an das heimische Gewerbe in Edingen-Neckarhausen, so kommt einem ein Segelmacher wohl eher nicht in den Sinn. Und doch ist hier seit 2013 mit Jorge Ferrero ein solcher ansässig. Und dass die Gemeinde damit auch einen Hochsee-Regatta-Segler, mehrfachen argentinischen Meister und WM-Teilnehmer in den Reihen hat, ist wohl auch wenig bekannt.
Und so ist der bescheidene Argentinier in seiner Heimat eher als hervorragender Segler denn als Segelmacher renommiert. Er hat als Skipper oder Steuermann an einer ganzen Reihe berühmter Regatten in Uruguay (erster Platz Rolex-Classic-Week 2013) und Argentinien teilgenommen, bei denen er mit acht ersten, zwei zweiten und drei dritten Plätzen auf den Treppchen stand.
Ein Highlight im Jahr 2020 war sicherlich die Teilnahme an der Offshore-Race-Regatta von Buenos Aires nach Rio im Februar, bei der Ferrero mit seinem Team den vierten Platz belegte. Aber auch in Europa heimste der Argentinier mehrere Regatta-Siege und Platzierungen ein, unter anderem erste Plätze bei der Rund Bornholm 2015 und der Rund Sjaelland 2016 in Dänemark sowie einen zweiten Platz im Jahr 2018 bei der "Voiles de Saint Tropez"-Regatta mit einem französischen All-Star-Team aus Olympia- und Americas-Cup-Seglern. Jorge Ferrero nahm auch an einigen Weltmeisterschaften teil, bei denen er es 2016 auf einen beachtenswerten siebten Platz schaffte.
Aber das liegt ihm wohl im Blut, denn auch Jorges Ferreros Großvater war ein leidenschaftlicher Segler, und Vater Pedro ging sogar mit dem argentinischen Team fünf Mal bei der Olympiade an den Start. Klar, dass seine drei Kinder – Jorge Ferrero hat noch zwei Schwestern – mit dem Segelsport groß geworden sind. "An den Wochenenden ging es immer in die Segelschule", erinnert sich der 43-Jährige.
Jorge Ferreros Lebensweg hätte allerdings einen anderen Verlauf nehmen sollen. Nach dem technischen Abitur an einer Schule der Ford-Werke ergatterte er ein Stipendium des amerikanischen Autogiganten für ein Studium zum Wirtschaftsingenieur, das er mit dem Bachelor abschloss. Nun hätte ihm eine Karriere bei Ford offen gestanden. Aber er entschloss sich, seinen Vater zu unterstützen, der in Buenos Aires eine Filiale der amerikanischen Firma Hood-Sailmakers leitete. Hier stieg er als Manager bis in die Führungsebene auf.
Seine Frau Beatrix lernte er in Buenos Aires kennen, die dort an einer deutschen Schule als Lehrerin arbeitete. In Südamerika wurde auch der heute neunjährige Sohn Luca geboren. Im Jahr 2013 wurde der Entschluss gefasst, nach Edingen in Beatrix alte Heimat umzusiedeln. Hier wurde auch seine heute sechsjährige Tochter Paula geboren.
In Deutschland fand Ferrero schnell einen Platz im "Imagine-Sailing-Team" mit dem Heimathafen in Greifswald. Seit 2014 segelt er jährlich mehrere Regatten mit dem Team von der Ostsee und kümmert sich um die Segel und das Zubehör der Segelyacht TP 52. Im Rhein-Neckar-Kreis entdeckte der Profisegler viele kleine, feine Vereine. Die Wochenenden im Sommer verbringt der Segelmacher gern am Kollersee im Segelverein der Kollerskipper, wo er mit seiner Familie in einer Segeljolle über den Altrhein kreuzt und die Kinder erste Versuche in einer Kinder-Segeljolle wagen.
"Zunächst wollten wir nur für ein paar Jahre in Deutschland leben", so Ferrero. Aber dann sei das Angebot von "Hood Sails" gekommen, dass er in Deutschland bleiben und von dort aus arbeiten könne. Und so meldete er sein Gewerbe "Hood Sails – Sailing Solutions" an. 2020 übernahm er auch die Vertretung der Mutterfirma "Quantum Sails".
Seitdem ist der Argentinier mit Standort in Edingen von Rostock über Lübeck, England und Holland bis zum Mittelmeerraum für seine Kunden unterwegs – heute natürlich coronabedingt eingeschränkt. Vor Ort werden die Kundenwünsche erfasst und das benötigte Segeltuch vermessen. Anschließend erfolgen Entwurf und Gestaltung mittels eines Programms am Computer. Dann gehen die Dateien an den Hersteller "Quantum Sails", der das Segel in Griechenland, Spanien, Frankreich oder Sri Lanka und Malaysia produzieren lässt. Zur Qualitätskontrolle landen die Segel dann im wahrsten Sinne des Wortes wieder in Edingen, wo der Segelmacher sie nach einer persönlichen Qualitätskontrolle an die Kunden ausliefert.
Beim RNZ-Besuch war gerade wieder ein neues Segeltuch eingetroffen, das der Segelmacher genauestens in Augenschein nahm. Schließlich soll es künftig ohne Risse und andere Schäden für den verlässlichen Vortrieb einer Segelyacht sorgen. Falls ein Kunde schon ein Segel besitzt, das nur kleine Schäden hat, kann Ferrero diese auch reparieren.
Allerdings plagen den Segelmacher zur Zeit andere Sorgen, denn die Wohnung im Vogelskorb ist einfach zu klein für die Familie und sein Gewerbe. Deshalb sucht er seit Längerem in Edingen und Umgebung eine Werkstatt, Halle oder einen Lagerraum für seine Produkte.