Magdalena und Georg Schneider vermarkten zusammen den roten „Stiefkind“-Apfelsaft. Für rund zehn Paletten Schorle suchen sie noch Abnehmer, bevor das Haltbarkeitsdatum abläuft. Foto: Pilz
Von Nicoline Pilz
Edingen-Neckarhausen. Die Coronakrise trifft wohl fast jede Branche. An Landwirte denkt man dabei zunächst eher nicht. Aber bei Obstbauer Georg Schneider drohen Hunderte Liter der roten "Stiefkind"-Apfelsaftschorle abzulaufen, und bei anderen Landwirten stockt der Kartoffelverkauf. Die Ursache bei beiden: die geschlossene Gastronomie.
Georg Schneider vertreibt den Stiefkind-Apfelsaft zusammen mit seiner Tochter Magdalena Schneider. "Die Einschränkungen machen uns zu schaffen – alle Gastronomie-Kunden sind abgesprungen", schildert sie die Situation. 1974 brachte Alt-Gemeinderat Georg Schneider die rotbackige Zierapfelsorte von einem Praktikum in Frankreich mit. Er kreuzte sie mit gelbem Essapfel und nannte den Zögling mit französischen Wurzeln liebevoll "Stiefkind".
Doch nun schlägt die Pandemie zu, vor allem bei der Schorle. "Wir haben noch zehn Paletten Stiefkind-Schorle übrig, und die laufen im März ab", sagt Magdalena Schneider. Eine Palette enthält 40 Getränkekästen mit jeweils 24 Flaschen. Das macht 960 Flaschen pro Palette, sprich knapp 10.000 Fläschchen mit 0,33 Liter Saftschorle. Eine ganze Menge also. "Wenn wir es auskippen müssten, wäre das so schade", sagt Magdalena Schneider. Deshalb haben sich Vater und Tochter beim derzeitigen Sorgenkind "Stiefkind-Schorle" zu einen deutlichen Preisnachlass entschlossen. "Mir blutet da schon das Herz, denn das deckt noch nicht einmal die Produktionskosten", erklärt Magdalena Schneider. "Für uns ist das ein Verlustgeschäft." Aber die Schorle wegzuschütten, wäre noch bedrückender.
Beim Saft konnte der Betrieb gut kalkulieren, den verkaufen Schneiders im Hofladen. Aber die Schorle geht verstärkt an die Gastronomie, und die ist jetzt eben geschlossen. "Wir müssen wirklich überlegen, was mit der diesjährigen Ernte ist, wenn der Lockdown weitergeht", sagt sie. Das gelte auch für die Stiefkind-Produktion.
An den Bäumen soll aber keine Frucht hängen bleiben müssen. Im vergangenen Jahr hat der Betrieb die Aktion "Äpfel zum Selbstpflücken" gestartet. Ein Erfolg war sie wohl auch, weil sie für die Menschen eine Abwechslung zum Corona-Alltag darstellte. Georg Schneider will sie auch in diesem Sommer wieder anbieten. Der Gemüseabsatz im Hofladen laufe noch ganz gut, sagt er. "Und auf Wochenmärkte dürfen wir auch noch." Doch jetzt müssen erst einmal neue Adoptiveltern für zehn Paletten "Stiefkind"-Schorle gefunden werden.
Ganz sorgenfrei ist auch Georg Koch, Sprecher des Ortsbauernverbandes nicht, wenn er an die kommende Erntesaison denkt. "Das macht mir Bauchweh – dürfen unsere Mitarbeiter Anfang April kommen oder nicht?" Er könne sie ja jetzt nicht einfach anrufen und warten lassen, wie sich die Corona-Lage entwickelt, wie es mit Grenzschließungen und -öffnungen weitergeht.
Koch hat im Dezember einen Hofladen eingerichtet, der sich entwickele. "Wir sind relativ zufrieden", sagt er. Als Direktvermarkter gehe es ihm noch gut. Aber bei Kollegen aus der Pfalz und dem Umland, die in größerem Stil Kartoffeln anbauen, stocke der Verkauf an die Restaurants. Pommes als beliebte Beilage in Gastronomiebetrieben gibt es zurzeit eben nicht.
In Edingen-Neckarhausen, wo viel an den Endverbraucher direkt vermarktet werde, komme man mit einem blauen Auge davon. Doch Koch denkt auch an die örtliche Mälzerei. Auch der Absatz von Bier an die Gastronomie ist vom Lockdown betroffen. "Die gesamten Auswirkungen von Corona auf die Landwirtschaft werden wir erst in ein paar Monaten sehen", schätzt Georg Koch. Doch er sieht bei all den schlechten Nachrichten auch etwas Gutes: "Ich habe das Gefühl, dass die Leute mehr auf Regionalität achten. Ich hoffe, dass das so bleibt."